UBS-Managerin Sabine Keller-Busse (54) erklärt, wie mehr Frauen in Toppositionen kommen
«Frauenförderung ist ein Marathon und kein Sprint!»

Die UBS-Topmanagerin Sabine Keller-Busse (54) erklärt, was Banken für den Klimaschutz tun müssen, warum die Lehre ein sensationeller Berufseinstieg ist und wieso sie sich für mehr Frauen im SonntagsBlick einsetzt.
Publiziert: 25.01.2020 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2020 um 14:38 Uhr
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Sabine Keller-Busse begann ihre Berufskarriere mit einer Lehre als Industriekauffrau.
Foto: STEFAN BOHRER
Christian Dorer

Die UBS-Filiale in Davos GR ist während des WEF zur provisorischen Konzernzentrale umgebaut worden. Alle obersten Chefs sind da – und damit auch die höchste Bankerin der Schweiz: Sabine Keller-Busse, Chief Operating Officer (COO) der UBS und damit faktisch die Nummer zwei der Grossbank.

SonntagsBlick: Das Klima war das grosse Thema am WEF. Die beiden erbittertsten Kontrahenten waren hier: Greta Thunberg und Donald Trump. Wer steht Ihnen näher?
Sabine Keller-Busse: Sämtliche Modelle zeigen, dass wir durch den Klimawandel in grosse Probleme laufen. Wir müssen jetzt die Weichen stellen. Um etwas zu bewirken, müssen gemäss OECD bis 2030 gigantische 90 Billionen Dollar investiert werden. Zum Vergleich: Die UBS verwaltet weltweit 3,6 Billionen …

Geld, mit dem Ihre Kunden wohl vor allem eine gute Rendite erzielen wollen.
Eine Umfrage ergab, dass über 80 Prozent unserer vermögenden Kunden interessiert sind, nachhaltig zu investieren, 45 Prozent sind es bereits.

Grossbanken stehen am Pranger der Aktivisten. Sie fordern: Hört auf, in klimaschädigende Projekte zu investieren. Was tut die UBS?
Nachhaltigkeit ist für uns schon lange ein Thema – wir sind zum Beispiel das fünfte Jahr in Folge als ein Branchenführer vom Dow Jones ausgezeichnet worden. Auch unterstützen wir das Pariser Klimaabkommen. Deshalb finanzieren wir keine neuen Kohlekraftwerke mehr. Den grösseren Hebel haben wir jedoch, wenn Banken in der Lage sind, einen Teil ihrer Vermögen in klimaförderliche Investments zu bewegen.

Wie überzeugen Sie Ihre Kunden?
Wir versuchen, sie zu sensibilisieren – über verlässliche Daten. Ich bin zuversichtlich: Es wächst eine neue Generation heran, welche Vermögen übernehmen und nachhaltiger investieren will. Gleichzeitig ist es falsch, von Banken zu fordern, gewisse Sachen sofort einzustellen. Das funktioniert nicht immer. Es gibt zum Beispiel keinen Ersatz für Stahl.

Das ist der Unterschied zu Greta. Sie sagt: Stoppt sofort alles, was CO2 produziert.
Das wäre für die Weltwirtschaft ein Einschnitt mit verheerender Auswirkung auf uns alle. Armut und soziale Unruhen würden zunehmen. Wir müssen uns auf den Dialog und auf die Transformation fokussieren.

Wir sind hier in der UBS-Filiale Davos. Wie lange wird es noch Bankfilialen geben?
45 Prozent unserer Schweizer E-Banking-Kunden machen Onlinebanking bereits ausschliesslich mit dem Handy. Es gibt aber Bereiche, bei denen die persönliche Beratung wichtig ist. Auch diese profitieren von der Digitalisierung, so können in einigen Filialen schon heute Experten per Videoscreen ins Beratungsgespräch zugeschaltet werden.

Etwa die Hälfte aller 65'000 UBS-Angestellten ist Ihnen unterstellt. Wie bereiten Sie sie darauf vor, dass es viele Jobs nicht mehr geben wird?
Wenn Jobs verschwinden, entstehen immer auch neue. Als der Bankomat aufkam, hatten die Leute Angst um ihre Jobs. Heute haben wir mehr als 20'000 Mitarbeitende in der IT.

Ein Schalterangestellter wird nicht zum Programmierer.
Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es auch solche geben kann, welche ihren Job verlieren werden. In der idealen Welt könnten wir jeden umschulen. Umlernen jedoch ist oft schwieriger als neu lernen. Uns ist bewusst, wie rasant sich die Arbeitswelt verändert. Deshalb haben wir eine neue digitale Schulung geschaffen und halten unsere 65'000 Leute fit für die digitale Welt.

Wie genau?
Da werden Basiskenntnisse vermittelt: Was ist Blockchain, wie funktioniert künstliche Intelligenz, um was geht es bei der vierten industriellen Revolution? Alle sollen sich mit diesen Themen auseinandersetzen.

Welchen Beruf empfehlen Sie einem jungen Menschen?
Macht das, wofür ihr Leidenschaft habt! Eine solide Grundausbildung und frühzeitig den Kontakt zur Wirtschaft suchen.

Hat die klassische Banklehre Zukunft?
Ja, sicher. Sie ist eine sehr gute Basis, viele machen daneben direkt die Berufsmittelschule. Was hingegen nicht mehr geht: Eine Banklehre absolvieren und allein damit ein Leben lang arbeiten.

Kann man heutzutage noch CEO werden, wenn man mit einer Banklehre beginnt, wie es Sergio Ermotti oder Oswald Grübel getan haben?
Dafür würde ich die Hand ins Feuer legen! Die Banklehre ist ein sensationell guter Einstieg. Ich selber habe ja auch mit einer Lehre zur Industriekauffrau begonnen.

Sie haben nach dem Tod Ihres Vaters als 24-jährige Studentin das Elektrounternehmen Ihrer Eltern mit 30 Angestellten übernommen. Was haben Sie da fürs Leben gelernt?
Es war ein Sprung ins kalte Wasser, ich stand mitten im Studium und hatte so gelebte Praxis. Ich hatte früh Verantwortung und spürte die Unmittelbarkeit meiner Entscheide.

Was tun Sie jetzt, damit Sie eines Tages Nachfolgerin von CEO Sergio Ermotti werden?
Diese Frage stelle ich mir gar nicht. Ich konzentriere mich auf das Jetzt.

Es wäre doch reizvoll, die erste Konzernchefin einer globalen Bank zu sein.
Das ist für mich jetzt kein Thema. Ich habe mich in meinem Leben immer auf das konzentriert, was ich gerade mache.

Sie haben in einer von männerdominierten Umgebung Karriere gemacht. War das schwieriger?
Ich selbst habe diese Schwierigkeiten nicht erlebt, aber ich kenne diese Diskussionen und setze mich für mehr Frauen ein. Wenn sich zwei gleich geeignete Kandidaten bewerben, gebe ich lieber der Frau die Chance. Aber einer Frau einen Job aufgrund von Quoten geben möchten wir nicht.

Es ist auch eine Frage des Willens: Wer Frauen sucht, findet auch Frauen.
Es ist leider nicht so einfach. In Europa ist etwa die Hälfte der Studierenden weiblich. In Fächern, die für uns besonders wichtig sind – Mathe, Naturwissenschaften –, sind es markant weniger. Leider haben wir bei Stellenbesetzungen nicht immer geeignete Kandidatinnen zur Auswahl. Deshalb entwickeln wir Frauen ganz gezielt und tun vieles, damit sie im Berufsleben bleiben. Frauenförderung ist ein Marathon und kein Sprint!

Erhält ein Chef mehr Bonus, wenn er Frauen fördert?
Die Förderung der Vielfältigkeit ist Teil der Ziele unserer Führungskräfte. Das heisst, wenn ein Chef das nicht macht, kriegt er weniger Bonus. Wir haben sehr viele Massnahmen. Wir arbeiten auch hart daran, vorgefasste Meinungen abzuschaffen.

Das heisst?
Ich mache Ihnen ein Beispiel: Wenn jemand – ob Mann oder Frau! – eine gewisse Zeit lang Teilzeit arbeiten will, wäre es falsch, dies mit fehlenden Karriereabsichten zu interpretieren. Deshalb bieten wir in der Schweiz einen Grossteil unsere Stellen auch mit einem 80-Prozent-Pensum an.

Ginge das auch bei Ihnen?
Das wäre schwierig. Aber wenn man wirklich will, ist viel möglich.

Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?
Noch bevor mein Mann und ich Kinder hatten, trafen wir eine Abmachung: Kinder sind die Aufgabe von beiden. Als Eltern sind wir gleichberechtigt, im Guten wie im Schlechten. Beide haben sich eingeschränkt, damit wir für die Kinder da sind. So sind wir halt ein bisschen weniger zusammen im Ausgang.

Es ist also eine Frage der guten Organisation?
Man muss sich abstimmen. Wir haben immer versucht, dass wir nicht gleichzeitig ausser Landes sind. Man muss dieses Thema sehr offen ansprechen. Und ich habe bei meinen Vorgesetzten immer offene Türen gehabt. Selbst jetzt, wenn mit meinen Töchtern irgendwas ist und ich kurzfristig wegmuss.

Sie engagieren sich auch bei Equal Voice von Ringier, einer Aktion, die mehr Frauen in unsere Publikationen bringen will. Warum?
Weil wir sehr viel über Männer lesen und sehr wenig über Frauen! Gerade auch in der Schweiz, wo wir eher noch das traditionelle Bild haben, unterstütze ich alles, was hier etwas bewirkt. Indem man vermehrt Expertinnen oder Sportlerinnen zu Wort kommen lässt, greift man nicht immer auf die üblichen Verdächtigen zu, bringt neue Ansichten rein und werden Rollenmodelle sichtbar. Vor zehn Jahren hat niemand über Frauenfussball geredet – und wenn doch, dann mit einem Lächeln.

Chefin über 30'000 Angestellte

Die 54-jährige deutsch-schweizerische Doppelbürgerin ist Chief Operating Officer und Präsidentin der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika der UBS. Damit führt sie die zentralen Bereiche der Bank mit über 30'000 Angestellten. Keller-Busse gehört zu den mächtigsten Frauen in der Schweizer Wirtschaft und zu den Favoriten für die Nachfolge von UBS-CEO Sergio Ermotti (59). Sie hatte einst eine Lehre als Kauffrau absolviert, studierte und doktorierte danach an der Universität St. Gallen. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter (13 und 15).

Die 54-jährige deutsch-schweizerische Doppelbürgerin ist Chief Operating Officer und Präsidentin der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika der UBS. Damit führt sie die zentralen Bereiche der Bank mit über 30'000 Angestellten. Keller-Busse gehört zu den mächtigsten Frauen in der Schweizer Wirtschaft und zu den Favoriten für die Nachfolge von UBS-CEO Sergio Ermotti (59). Sie hatte einst eine Lehre als Kauffrau absolviert, studierte und doktorierte danach an der Universität St. Gallen. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter (13 und 15).

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