Da ist einer mächtig enttäuscht. In seinem BLICK-Interview vom Samstag fährt UBS-Boss Sergio Ermotti (57) einem Unternehmen an den Karren, an dem seine Bank beteiligt ist. «Ich denke, die SIX muss sich Gedanken machen», sagt Ermotti, «ich glaube nicht, dass das heutige Geschäftsmodell langfristig nachhaltig ist.»
Die SIX Group mag dem Normalverbraucher nicht viel sagen. Für die Schweizer Finanzindustrie jedoch ist das Zürcher Unternehmen unverzichtbar. Unter anderem organisiert SIX die Schweizer Börse, wickelt den bargeldlosen Zahlungsverkehr ab und ist entscheidend an der Handy-Bezahllösung Twint beteiligt. SIX’ Hauptaufgabe ist nicht Geldverdienen, sondern Unterstützung des Schweizer Finanzplatzes. Sie gehört 130 Banken aus dem In- und Ausland. Grösster Aktionär ist die UBS.
Die Frage ist: Wie lange noch? Offenbar ist man bei der Grossbank nicht mehr überzeugt, dass sich die Beteiligung lohnt. Ermotti: «Wenn wir mit der Dienstleistung nicht mehr zufrieden sind, suchen wir natürlich nach Alternativen.» Steigt die UBS aus, wäre das ein Erdbeben auf dem Finanzplatz.
SIX reagiert defensiv
Grund für Ermottis Ärger ist die gescheiterte Idee einer Schweizer Superbank. Der Tessiner hatte sie selbst lanciert: In Zeiten von Digitalisierung und Kostendruck hätte ein zentraler Dienstleister für die Banken Verwaltungs- und Abwicklungsarbeiten übernommen. Die Geldhäuser wären zwar nach aussen autonom geblieben, im Hintergrund aber wäre ein Grossteil der Prozesse von einer zentralen Stelle abgewickelt worden – nach Ermottis Vorstellungen von der SIX.
Doch das ist nicht mehr der Stand der Dinge. In einem Interview mit der «SonntagsZeitung» sagte der neue SIX-Präsident Romeo Lacher (56) vor 14 Tagen: «Das halte ich kaum für umsetzbar», die Systeme der Banken seien zu unterschiedlich.
Diese wenig ehrgeizige Absage an sein Grossprojekt ist Ermotti offenbar sauer aufgestossen. Denkbar ist, dass es im SIX-Verwaltungsrat zwischen UBS und Credit Suisse zum Konflikt gekommen ist. Präsident Lacher ist ein langgedienter CS-Mann und hat die Bank erst im Februar verlassen. Seine Vizepräsidentin ist Sabine Keller-Busse (51). Sie kommt von der UBS.
Die SIX reagierte auffallend defensiv auf Ermottis Attacke. Man habe schon immer die Infrastruktur des Schweizer Finanzplatzes betrieben: «Damit verfügt die SIX über gute Voraussetzungen, neue Geschäftsfelder zu erschliessen», heisst es in einer Mitteilung. Ermottis Aussagen selbst will die SIX nicht kommentieren. Auch Credit Suisse nahm trotz Anfrage von SonntagsBlick nicht Stellung.
Fakt ist: Bei der SIX muss man sich ernsthaft Gedanken über die eigene Existenzberechtigung machen. «Wir sind nicht an der SIX beteiligt, um Geld zu verdienen, sondern um eine effiziente und kompetitive Infrastruktur zu haben», sagt Ermotti. Wenn die Nummer eins auf dem Schweizer Finanzplatz dies nicht mehr gewährleistet sieht, ist Feuer im Dach.