Glückliche Hühner gackern fröhlich auf saftig-grünen Wiesen. Das verspricht uns die Werbung. Mit der Realität habe dies jedoch nichts zu tun, kritisieren Tierschützer.
Fast die Hälfte aller Schweizer Masthühner wird in riesigen Hallen mit bis zu 18'000 Artgenossen gehalten – 15 Tiere pro Quadratmeter. Die grössten Geflügelproduzenten sind Bell, Micarna, Frifag und Kneuss. Sie produzieren jährlich 90 Millionen Tonnen Fleisch und dominieren heute den Schweizer Pouletmarkt.
Tierschützer schlagen nun Alarm, denn unseren Hühnern gehe es dreckig. «Da ihnen das Sättigungsgefühl weggezüchtet wurde, fressen sie bis zum Umfallen», sagt Tobias Sennhauser vom aktivistischen Verein Tier im Fokus. Ab dem Alter von zwei Wochen seien die Turbohühner unfähig, ihre schweren Brustmuskeln zu tragen.
Die Folge: Entzündungen an Bauch und Fussgelenken, Verhaltensstörungen, Kannibalismus. Die Lebensdauer eines Poulets beträgt im Schnitt 35 Tage. Die maschinelle Verarbeitung ist günstig, der Preis im Laden auch.
1,4 Millionen tote Hühner
Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat die Hühnerhaltung genauer unter die Lupe genommen. TIR-Mitarbeiterin Stefanie Walther sagt: «Aus Tierschutzsicht ist die Schweizer Masthuhnhaltung abzulehnen.» Es existierten kaum rechtliche Vorschriften, und ökonomische Interessen würden höher gewichtet als das Wohlergehen der Tiere.
An Hühnern begangene Tierschutzwidrigkeiten müssen demnach ebenso konsequent verfolgt werden wie Delikte an Menschen oder an anderen Tierarten wie Hunden, Katzen oder Pferden.
In den vergangenen zehn Jahren gab es kaum Strafverfahren, obwohl in der Schweiz allein im Jahr 2016 fast 70 Millionen Masthühner gehalten wurden. Das zeigt ein gestern veröffentlichter TIR-Bericht. Die Strafverfolgung bei Vergehen sei inexistent, sagt Walther. Ihre Forderung: «Kleinere Betriebe, in denen das Tierwohl gewährleistet werden kann.»
Die Sterblichkeitsrate liegt bei bis zu vier Prozent – das entspricht fast 1,4 Millionen toter Hühner pro Jahr.
BLICK konfrontierte Bell, Micarna, Frifag und Kneuss mit den Vorwürfen. Die Produzenten sagen unisono: Alle Tierschutzgesetze würden eingehalten. Das Wohl der Hühner geniesse oberste Priorität.
Ausländisches Poulet noch viel schlimmer
Ein Blick ins Ausland zeigt: In der EU ist die Haltung bei Kunstlicht zulässig, Tiere verfügen über noch weniger Platz, und die Betriebe sind bedeutend grösser als in der Schweiz – bis zu 70'000 Masthühner in deutschen Farmen.
Dass die US-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) – sie eröffnet am 5. Dezember die erste Filiale in der Schweiz – Pouletfleisch aus Holland und Deutschland bezieht, sieht TIR kritisch. Trotz «unhaltbarer Zustände» sollte nicht auf ausländisches Pouletfleisch ausgewichen werden, betont Tierrechtlerin Walther.