35'005 Tonnen Kleider gesammelt: Texaid im Jahre 2013 (Symbolbild)
Foto: Keystone

Wie viel verdient er mit unseren Altkleidern?
Texaid-Chef baut sich Millionen-Villa

Das Geschäft mit gespendeten Altkleidern ist einträglich. Der Chef der Firma Texaid ist ein reicher Mann. Mit Auskünften ist er weniger grosszügig.
Publiziert: 24.02.2019 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2019 um 15:52 Uhr
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36'000 Tonnen Altkleider sammelt Texaid in der Schweiz.
Foto: Keystone
Harry Büsser

Mit den steigenden Temperaturen naht der Frühlingsputz. Dabei werden auch Altkleider aussortiert und Spendensäcke gefüllt. Auf den meisten prangt gross der Name Texaid, zusammen mit den ­Logos von sechs Hilfswerken: Schweizerisches Rotes Kreuz, Winterhilfe Schweiz, Solidar ­Suisse, Caritas, Kolping Schweiz, Heks. Natürlich macht dies das Gefühl beim Ausmisten des Kleiderschranks umso besser!

Jedes T-Shirt, jeder Schuh wird im Texaid-Sack direkt in ein armes Land in Afrika oder anderswohin geschickt, wo es dem dankbaren Träger ein Lächeln ins Gesicht zaubert. So denken viele. Das ist gewiss etwas naiv – fühlt sich aber sicher besser an, als zu wissen: Altkleidersammleln ist ein einträgliches Geschäft, das private Investoren reich machen kann.

Die Firma Texaid gehört zur Hälfte den genannten Hilfswerken. Die andere Hälfte ist im Besitz einer privaten Investorin, einer Frau aus Deutschland. Deren Sohn amtet als Chef der Firma. Dieser Sohn und Texaid-Chef hat sich nun am Reichenhügel im steuergünstigen Baar  ZG zwei Villen mit Umschwung gekauft. Die beiden Villen sollen abgerissen und durch zwei grössere Häuser ersetzt werden. Im kleineren der beiden Neubauten misst allein schon der Weinkeller über 20 Quadratmeter.

Woher stammt das Geld?

Über das Bauvorhaben ist ein Streit entbrannt. Die Parzellen liegen in der zweitobersten Linie am Baarer Reichenhügel. Den Nachbarn weiter oben ist ein Dorn im Auge, dass die zwei geplanten Immobilien einen Stock höher sind als deren Vorgänger. Das schränkt die Aussicht der Nachbarn ein. Sie ­haben Einsprache erhoben, der Streit beschäftigt die Anwälte.

Gemäss Bauplänen und Schätzungen von Immobilienexperten kostet das Bauprojekt locker zehn Millionen Franken. Verdient man mit der Firma Texaid demnach so viel Geld? Oder hat der Texaid-Chef Geld von anderswoher?

SonntagsBlick hat bei Texaid nachgefragt. Doch die Firma macht ihren Gewinn nicht transparent. Ebenfalls geheim bleiben die Ausschüttungen an die private Investorin sowie die Vergütung des Chefs und der Verwaltungsräte. Die Firma und die Hilfswerke zieren sich, konkrete Angaben dazu zu machen. Als SonntagsBlick insistiert, gibt es zumindest ein paar Hinweise. So seien die Ausschüttungen an die private Investorin «im einstelligen Prozentbereich der Ausschüttungen an die Hilfswerke».

Hierzu gibt es Zahlen: Im Jahr 2017 hat Texaid 7,8 Millionen Franken an die Hilfswerke gezahlt. Die Ausschüttungen an die private Investorin betragen demnach zwischen 78'000 und 780'000 Franken. In den vergangenen fünf Jahren wurden rund 
40 Millionen Franken an Hilfswerke bezahlt. Der einstellige Prozent­bereich liegt also zwischen 400'000 und vier Millionen Franken.

Weiter lässt Texaid wissen: Der CEO von Texaid verdiene marktüblich. Anstatt eine konkrete Zahl zu nennen, schreibt die Pressestelle in verquastem Wirtschaftsdeutsch weiter: «In dieser Vergleichsgruppe liegt die Vergütung im unteren Quartil.» Als Vergleich dient ein CEO in einem erfolgreichen international tätigen Unternehmen vergleichbarer Grösse.

Texaid beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter und erwirtschaftet insgesamt etwas über 100 Millionen Franken. Urs Klingler, Chef von Klingler Consulting, analysiert und berät Unternehmen beim Thema Vergütungen. Er sagt, ein CEO in einem vergleichbaren Industrieunternehmen verdiene im Schnitt 750'000 Franken. Wenn der Texaid-Chef im Lohnranking nun «im unteren Quartil» liege, bedeutet dies übersetzt: Seine Vergütung liegt bei rund 550'000 Franken.

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Die Kleider werden verkauft

Anders als viele Spender meinen, werden die Altkleider nicht verschenkt, sondern verkauft. Darüber wurde auch schon berichtet. Ende 2012 sprach Oliver Classen von der Nichtregierungsorganisation Public Eye von einer «irreführenden Kommunikation». «Der Name Texaid wird von vielen missverstanden», sagte er schon damals. Aufgrund der Bezeichnung und der Tatsache, dass sich Hilfswerke am Unternehmen beteiligten, gingen viele davon aus, dass die Altkleider gratis an Bedürftige gespendet würden. In Tat und Wahrheit würden sie aber mit Gewinn verkauft.

Teilweise werden die Altkleider in eigenen Shops, Tochtergesellschaften von Texaid, an die Kundschaft gebracht. In Deutschland betreibt Texaid 50 Filialen unter dem Namen ReSales. Zudem gibt es die Webshops Carou und Shoshop. Dort wird manche LuxusUmhängetasche für 150 Euro verkauft, die Texaid fast gratis eingesammelt hat.
Martina Ziegerer ist Geschäftsleiterin der Schweizerischen Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Spenden

sammelnde Organisationen (Zewo). Sie schreibt auf Anfrage: «Da die Texaid AG ihre Jahresrechnung nicht veröffentlicht, ist nicht nachvollziehbar, welcher ­Anteil des Gewinns im Unternehmen bleibt, wie viel an die privaten Investoren ausgeschüttet wird und welchen Anteil die Hilfswerke erhalten.» Und weiter: «Wir würden es natürlich begrüssen, wenn Texaid eine revidierte Jahresrechnung und einen aussagekräftigen Jahresbericht mit Angaben zur Corporate Governance veröffentlicht. Dazu können wir Texaid aber nicht verpflichten, da die AG nicht von uns zertifiziert ist.»

Die an Texaid beteiligten Hilfswerke schreiben, sie seien über den Geschäftsgang von Texaid ­informiert und auch über den Lohn des CEO. Für sie sei das so in Ordnung. Sie seien durch zwei Personen im vierköpfigen Verwaltungsrat vertreten. Die anderen beiden Verwaltungsräte sind der CEO und seine Mutter.

Über 36'000 Tonnen Altkleider

SonntagsBlick geht in keiner Weise davon aus, dass hier gegen Gesetze verstossen wird. Doch die Kluft zwischen dem ganz und gar humanitären Image der Altkleiderspende und der kapitalistischen Wirklichkeit ist stossend.

Der CEO und seine Familie beantworten offiziell keine Fragen. Unter anderem wollte SonntagsBlick wissen: «In der öffentlichen Wahrnehmung ist es nicht so gespeichert, dass eine Familie mit dem Altkleidergeschäft zu Multimillionären wird. Sehen Sie da auch eine Kluft zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realität? Da Texaid so stark mit den Hilfswerken in Verbindung gebracht wird, müssten Sie da nicht transparenter sein, was Geschäftszahlen, Margen, Ausschüttungen an die Aktionäre und Gehälter für das Management angeht?»

Das Geschäft mit Altkleidern ist auf jeden Fall lukrativ. Eine Tonne Altkleider kann auf 
dem Altkleidermarkt für rund 1000 Franken verkauft werden.

In der Schweiz sammelt Texaid über 36'000 Tonnen Altkleider. Dazu hat sie schweizweit über 6000 Container aufgestellt. Die Gemeinden stellen viele Plätze dafür gratis zur Verfügung. Die Argumentation dafür: Würde man Geld dafür verlangen, nähme man den Hilfswerken Geld weg. Dass an Texaid auch eine private Investorin verdient, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Auch hier zeigt sich der – fälschlicherweise – angenommene Charakter von Texaid als rein karitativem Unternehmen.

Ob die Schweizer Post auch ­einen Beitrag an Texaid leistet, ist unklar. Die Pöstler liefern die Texaid-Säcke in die Haushalte und holen sie auch wieder ab. Ob die Post der Firma Texaid dafür Marktpreise oder Sonderkonditionen verrechnet, wollte die Post auf ­Anfrage nicht beantworten.

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