Tausende Jobs sind schon weg
Jetzt rollt die Corona-Entlassungswelle so richtig an

Die Folgen der Corona-Krise schlagen seit dieser Woche voll auf die Wirtschaft durch. Für Experten ist klar: Das Schlimmste ist noch längst nicht überstanden.
Publiziert: 24.07.2020 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2020 um 18:49 Uhr
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ABB hat ein grosses Sparpaket angekündigt.
Foto: Philippe Rossier

In der zu Ende gehenden Woche hat eine Reihe von Schweizer Unternehmen Kostenmassnahmen und Restrukturierungen angekündigt. Die Corona-Krise dürfte auch in den kommenden Wochen und Monaten zu Personalabbau oder Standortschliessungen führen.

So wollen etwa die Industriekonzerne ABB, Schindler und Sulzer Kosten senken oder haben gar einen Stellenabbau angekündigt. Job-Verluste drohen auch bei den Airline-Dienstleistern SR Technics oder Gategroup.

Die Unternehmen stehen in der aktuellen Situation oft vor einer schwierigen Standortbestimmung. Die Frage lautet: Ist das Unternehmen in der Vor-Krisen-Aufstellung fit für die kommenden Jahre?

«Jetzt kommt es bei den Unternehmen darauf an, die eigene Situation, den Markt und den Wettbewerb eingehend zu analysieren und nicht einfach auf eine baldige Erholung zu hoffen», sagte Michael Baur von der Unternehmensberatung AlixPartners gegenüber AWP.

Konsequente Reorganisation

«Es ist wichtig zu erkennen, ob man kurz- oder längerfristigen Veränderungen gegenübersteht, die dann eine konsequente Reorganisation notwendig machen», so der Leiter der Region Europa, Naher Osten, Afrika weiter.

«Es besteht immer die Gefahr, dass der Zeitpunkt für Massnahmen zu spät gewählt wird.» Die staatlichen Hilfsprogramme werden von Bauer dabei positiv gewertet. Das gebe den Unternehmen mehr Zeit zu reagieren.

«Spätestens wenn die Programme auslaufen, wie etwa zur Kurzarbeit oder die Corona-Kredite, werden die Unternehmen aber Entscheidungen über allfällige Restrukturierungen treffen müssen», so Baur weiter. «Vor allem, wenn der Ausblick dann immer noch trübe ist.»

Die Beurteilung der Konjunkturentwicklung sei derzeit jedoch noch sehr unsicher. Die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück und der Konsum der Prvatpersonen ist reduziert. «Dadurch ist in den kommenden Monaten eine Art Zweitrundeneffekt möglich», glaubt Baur. Es könnte also noch einmal zu einem Abschwung kommen.

Nachfrage ist das Problem

«Im Unterschied zur Finanzkrise 2009 liegt das Problem nicht in der Finanzierung und Liquidität. Die Corona-Krise geht von der Nachfrage und den Konsumenten aus», sagte Beatrix Morath, die Schweiz-Chefin von AlixPartners. Am schwersten seien jene Branchen betroffen, die bereits vorher unter tiefen und grundlegenden Marktveränderungen gelitten hätten, wie etwa die Automobilindustrie, die mitten im Wandel zur Elektromobilität stecke.

Ähnliches gelte für die Reisebranche. «Hier haben wir vor der Krise einen scharfen Wettbewerb gesehen, mit einer Reihe neuer Anbieter, die in den letzten Jahren auf den Markt gedrängt sind. Als dann die Krise kam, waren kaum finanzielle Polster vorhanden.» Aber auch andere Disruptionen habe es bereits vor der Krise gegeben, etwa den Handelsstreit zwischen den USA und China oder geopolitische Einflüsse.

Zur Untätigkeit verdammt

In der Reiseindustrie sei die Krise mit den Lockerungen noch lange nicht vorbei. «Diese Branche war am schnellsten und härtesten getroffen und wird unter den Einschränkungen wohl auch am längsten leiden», sagte Morath. «Während des Lockdowns waren die Unternehmen zu Untätigkeit verdammt und es passierte einfach nichts mehr.»

Mit den Lockerungen seien aber auch die Herausforderungen gekommen. «Gerade jetzt in der Anlaufphase ist das enorm schwierig», sagte die Unternehmensberaterin weiter. «Die Kosten sind sofort wieder da, die Einnahmen aber unsicher.»

Hoher Restrukturierungsdruck bestehe auch im Detailhandel. Ausserhalb des Lebensmittelhandels gab es vorher schon die Verschiebung hin zum Onlinehandel. «Das hat sich jetzt in der Zeit der Schliessungen nochmals verstärkt.» Das Luxussegment leide zusätzlich zur Konsum-Schwäche stark unter dem Einbruch im Tourismus.

Ein Balanceakt

Aber auch die Medienbranche leide stark. Zwar werden die Medien rege genutzt, die Werbeeinnahmen gehen aber weiter zurück. Andere Formen der Umsatzgenerierung durch Abonnemente oder kostenpflichtige Online-Nutzung können das nicht ausgleichen. «Bei den Medien hat sich in den vergangenen Krisen oft gezeigt, dass das was verloren wurde, nicht wieder zurückgewonnen werden konnte.»

In der Industrie sei das Bild uneinheitlicher. Während insbesondere Hersteller von Investitionsgütern stärker litten, hatten andere Bereiche weniger Probleme. «Hier waren auch die Lieferketten und die Lagerhaltung bei vielen Unternehmen Thema. Auch hier wird es bei vielen Firmen eine Neubeurteilung geben.» Das sei aber oft ein Balanceakt zwischen einerseits der Absicherung der Lieferkette und andererseits höheren Kosten.

Baur definiert Restrukturierung als schnelle strukturelle Veränderung, die über das hinausgeht, was im laufenden Geschäft an normalen Verbesserungen umgesetzt wird. «Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Unternehmen entscheiden müssen, wie sie sich nach dem Corona-Schock aufstellen.» (pbe/SDA)

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