SVP-Urgestein kauft sich Medienimperium zusammen
Was will Blocher mit all den Lokalzeitungen?

Heute wurde bekannt, dass alt Bundesrat Christoph Blocher mit seiner BaZ Holding AG Gratiszeitungen in der halben Schweiz aufgekauft hat. BLICK erklärt, was der Deal bedeutet.
Publiziert: 16.08.2017 um 21:32 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:25 Uhr
Seit heute nicht nur der Besitzer der «Basler Zeitung», sondern auch von mehr als zwei Dutzend Gratisblättern.
Foto: Keystone
Matthias Halbeis, Thomas Ley

Was umfassen die Zehnder Regionalmedien, die Christoph Blocher mit seiner BaZ Holding AG jetzt übernommen hat?

Die von alt Bundesrat Christoph Blocher kontrollierte Holding übernimmt rückwirkend per 1. Januar 2017 alle Regionalblätter der Gruppe sowie die Zuger Wochen AG. Sie gehörten zu verschiedenen Teilen der dem Verlag namengebenden Zehnder Familie. Darunter finden sich Titel wie «Aarauer Nachrichten», «Appenzeller Rundschau», «Bodensee Nachrichten», «Nachrichten für das Limmattal», «Rheintaler Bote», «St. Galler Nachrichten», «St. Galler Oberland Nachrichten», «Thurgauer Nachrichten», «Züri Nachrichten», «Wiler Nachrichten» oder «Züri Rundschau». 

In den Besitz der BaZ Holding AG gelangen 25 Gratis-Wochenzeitungen mit 29 Split-Ausgaben. Die Auflage beträgt total 720'756 Exemplare. Die «Basler Zeitung» ihrerseits erscheint täglich in einer Auflage von 48'223 Exemplaren.

Der Zehnder-Verlag ist heute mit elf Büros in 16 Gebieten der Ost- und Zentralschweiz sowie in den Kantonen Aargau, Bern, Solothurn und Zürich tätig. Die vom Kauf betroffenen 189 Zehnder-Mitarbeitenden werden von der BaZ Holding AG übernommen.

Was bedeutet der Einstieg des SVP-Urgesteins für die politische Ausrichtung der Zeitungen?

Gemäss «St. Galler Tagblatt» betonte die Familie Zehnder, dass die Käufer sich sehr bewusst seien, dass man in den Zehnder-Titeln «mit nationalen, insbesondere politischen Themen keine Leser und somit auch keine Interessenten gewinnt». Weiter hiess es in der vom «Tagblatt» zitierten Erklärung der Verkäufer zum Deal, dass mit der Übernahme keine politischen Ziele verfolgt würden und die Leserschaft keinen Kurswechsel in der Berichterstattung erwarten müsse. Rolf-Peter Zehnder, der das Gratis-Zeitungs-Imperium einst gross gemacht hatte, sagt in seinen raren Interviews stets, die Blätter seien stramm «bürgerlich». Als FDP-Mitglied hatte er sich aber im Gegensatz zu Blocher 1991 für den EWR ausgesprochen und dies auch in seinen Blättern als Linie durchgesetzt. In der Ostschweiz gibt es allerdings auch Stimmen, die überzeugt sind, der Verkauf werde in der Region politische Auswirkungen haben.

Ist der Verkauf eine Überraschung?

Nicht wirklich. Blochers Ambition, in den Medienmarkt einzusteigen, ist gross. Er kontrollierte schon die «Weltwoche», übernahm dann die «Basler Zeitung» und erschreckt die Verlage seit Jahren mit der Drohung, er werde bald eine Gratis-Sonntagszeitung lancieren. Andreas Zehnder, der den Zeitungsverlag von seinem Vater Rolf-Peter vor elf Jahren übernommen hatte, sah im Zeitalter der Digitalisierung für seinen «mittelständischen Familienbetrieb» keine langfristigen Perspektiven mehr. Blocher dagegen verfügt über mehr als genug finanzielle Ressourcen, um Krisen durchzustehen.

Ist Blocher der einzige Top-SVP-ler, der auch Verleger ist?

Nein. Auch der ehemalige SVP-Nationalrat und Autoimporteur Walter Frey betätigt sich im Gratis-Anzeiger-Business. Die  von ihm präsidierte Lokalinfo AG betreibt bereits die Anzeiger «Zürich West», «Zürich Nord», «Zürich 2», «Züriberg» und «Küsnachter». 2011 kaufte er vom Medienhaus Tamedia den «Kilchberger», das monatlich erscheinende Publikationsorgan der Gemeinde Kilchberg ZH, hinzu. Ein Jahr zuvor meldete die «SonntagsZeitung», dass er versucht haben soll, die «Zürichsee Zeitung» zu übernehmen.

Wie ist die Bilanz von Christoph Blocher als Verleger?

Die «Basler Zeitung», bei der er inzwischen zu seiner Verlegerposition steht, führte der Financier von einer verkauften Auflage von 78'000 im Jahr 2011 zu heute noch 48'000. Die Zeitung schreibt heute schwarze Zahlen – dank radikaler Sparkur, Liegenschaftsverkäufen, Druckereischliessung, Personalabbau und der – von Blocher finanzierten – Abschreibung von um die 100 Millionen Franken Schulden. Bei der «Weltwoche» ist bis heute nicht bekannt, wie Blocher involviert ist. Aber man vermutet, dass er 2006 auch Verleger Roger Köppel ein komplett entschuldetes Blatt verkaufte. Seither sank die Auflage von 83'000 auf heute 49'000. Das wären bei beiden Zeitungen also gut 40 Prozent Auflagenverlust seit Blocher-Beteiligung.

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