Den Schweizer Kleidergeschäften bläst ein eisiger Wind entgegen. Der starke Franken, der den Einkaufstourismus befeuert, internationale Modekonzerne wie etwa H&M oder Zara, sowie die Konkurrenz aus dem Internet pflügen den Markt um.
In den letzten Jahren sei der Textilmarkt in der Schweiz von 11 Milliarden auf 8,5 Milliarden Franken geschrumpft, stellte die Migros vor knapp einem Jahr fest.
Seit dem Frankenschock von Angang 2015, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufgehoben hatte, hat sich die Talfahrt im Schweizer Bekleidungs- und Schuhhandel beschleunigt. Betrug der Rückgang im Jahre 2014 noch gut 1 Prozent, so schrumpften die Umsätze laut Bundesamt für Statistik (BFS) im Jahre 2015 um knapp 6 Prozent. 2016 belief sich das Minus auf 3,5 Prozent, im vergangenen Jahr auf fast 5 Prozent.
Herren Globus und Schild verschwinden
Angesichts der Lage warf die Migros bei ihren Modeanbietern das Steuer herum und verordnete ihnen eine Neuausrichtung: Herren Globus und Schild schlüpfen unter die Dachmarke von Globus. Damit wird das 1922 in Luzern gegründete Modehaus bis spätestens Ende 2019 gänzlich von der Bildfläche verschwunden sein.
Das genau gleiche Schicksal hat auch das Modehaus Spengler erfahren, das 2004 von Schild übernommen worden war. Schild hatte damals die Firma innerhalb eines Jahres vollständig integriert und den Namen von allen Artikeln und Filialen entfernt. Mit der Übernahme von Spengler stieg Schild damals hinter Charles Vögele, C&A und H&M zur Nummer vier im Schweizer Modemarkt auf.
Im vergangenen Jahr musste das Freiburger Modehaus Yendi Konkurs anmelden und seine über hundert Läden dicht machen. Die Modekette Blackout machte ihre Geschäfte ebenfalls zu. Immerhin konnte ein Drittel der ursprünglich 92 Filialen verkauft und weitergeführt werden. Daneben gingen Switcher und hunderte kleiner Kleiderläden Konkurs.
Grösse alleine hilft nicht
Auch die einstige Nummer eins hat die Marktveränderungen nicht überlebt, was zeigt, dass Grösse alleine nicht schützt: Im Herbst 2016 streckte Charles Vögele nach sechs Jahren in der Verlustzone die Waffen. Die Investorengruppe Sempione, die zum italienischen Modekonzern OVS (früher: Oviesse) gehört, kaufte den grössten Kleiderkonzern der Schweiz mit 800 Millionen Franken Umsatz für gerade einmal 56 Millionen Franken.
Charles Vögele war allerdings seit geraumer Zeit marode: So fuhr das Unternehmen seit seinem Start in Belgien dort Verluste ein und kam nie auf einen grünen Zweig. Zeitweise verdiente Charles Vögele nur noch in der Schweiz Geld. Alle anderen Länder schrieben rote Zahlen. Mal war das Wetter schuld, mal die hohen Altkleiderlager, die happige Abschreiber bescherten.
Liquidation als Ziel
Der Konzern versuchte alles. Von Filialnetzstraffungen über Umstellungen des Sortiments sowie Imagekampagnen mit Hollywood-Stars: Alles war vergebens. Auch die italienische OVS verbrannte sich mit ihrem vermeintlichen Schnäppchen die Finger. Trotz Sparmassnahmen und Investitionen habe man es nicht geschafft, das Schweizer Geschäft profitabel zu machen, musste die OVS-Tochter Sempione eingestehen: Vergangene Woche ersuchte das Unternehmen in der Schweiz um Gläubigerschutz in der provisorischen Nachlassstundung.
Damit soll eine sofortige Einstellung des Betriebs verhindert werden. In der maximal vier Monate dauernden Nachlassstundung sollen die Waren verramscht werden. Zudem solle ein Teil der Läden an Dritte abgetreten werden.
«Anschliessend ist geplant, das restliche Unternehmen geordnet zu liquidieren», schrieb Sempione in einer internen Mail an die 1'180 Angestellten. Diese stehen nun bald auf der Strasse. Eine Massenentlassung werde in Betracht gezogen, hiess es weiter. Diese dürfte eine der grössten Massenentlassungen im Schweizer Detailhandel sein.
Strukturwandel geht weiter
«Die Pleite der ehemaligen Charles Vögele überrascht nicht. Der Strukturwandel wird weitergehen», sagte ein Detailhandelsspezialist einer Bank im Gespräch.
Denn die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Während der gesamte Detailhandel (ohne Nahrungsmittel) in den ersten vier Monaten lediglich ein halbes Prozent Umsatz verloren habe, betrage der Einbruch bei Kleider- und Schuhverkäufern fast 10 Prozent, sagte der Fachmann.
Zwar sei der Einkaufstourismus mit der Abschwächung des Frankens in den letzten Monaten weniger attraktiv geworden. Die Interneteinkäufe dürften indes weiter zugenommen haben. Der Druck der Onlinekonkurrenz auf Schweizer Kleiderläden sei gross.
Im vergangenen Jahr hatten laut dem Textilverband Swiss Textiles alleine die Retoursendungen von im Ausland bestellten Kleidungsstücken einen Wert von 1,3 Milliarden Franken. 95 Prozent der Retoursendungen gingen nach Deutschland, wo die Onlinehändler wie Zalando oder Amazon ihre Zentrallager haben. (SDA/Johannes Brinkmann)