Das Wort der Stunde im Autohandel heisst «Preisaggressivität». Das freut den Kunden, geht aber auf Kosten des Garagisten. «Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagt Christoph Keigel (62), der zusammen mit seinem Bruder Urs den Familienbetrieb mit fünf Garagen im Raum Basel in der dritten Generation führt.
BLICK trifft Keigel an der Rheinstrasse in Frenkendorf BL. Hier verlief schon in der Antike die Nord-Süd-Achse, die den Norden des Römischen Reichs mit Rom verband. Das Geschäft für einen Garagisten in Zeiten von Corona ist beinahe so hart wie das Leben der Karrentreiber auf der alten Römerstrasse.
19'000 Autos weniger im April
In den Wochen des Lockdowns brachen die Autoverkäufe in der Schweiz ein. Die Neuzulassungen im März gingen um 40 Prozent, im April um beinahe 70 Prozent und im Mai um über 50 Prozent zurück. Konkret: Im April hat der Autohandel rund 19'000 Fahrzeuge weniger verkauft als noch vor einem Jahr. Im Mai – trotz Ende des Lockdowns – immer noch 14'000 weniger. Das sind bittere Negativrekorde!
Auch die Garage Keigel, die Autos der Marken Renault, Dacia, Nissan und Jeep verkauft, hat die Corona-Krise hart getroffen. Im März brach der Umsatz um die Hälfte ein, dann zog Christoph Keigel die Reissleine. Er sagte sich: «Jetzt müssen die Preise runter, so kann es nicht weitergehen!»
Tatsächlich: Dank Preisnachlässen – finanziert aus den Reserven – verkaufen Keigels Garagen im April wieder deutlich mehr Autos – auch übers Internet und dank zusätzlichen Services. «Wir haben dem Käufer das neue Auto zur Probefahrt vor die Haustüre gestellt, den Wagen desinfiziert und den Schlüssel in den Briefkasten gelegt», erzählt der Geschäftsführer, der auch Präsident des Renault-Händlerverbands Schweiz ist
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Lager abverkauft
Der Umsatz kletterte dadurch im letzten Monat schon wieder auf 90 Prozent des Vorjahreswerts. «Wir haben nicht unsere Perlen verramscht. Aber wir konnten einen Teil unseres Lagers räumen, haben Autos verkauft, die wegmussten», so Keigel. Denn in den letzten Jahren haben viele Importeure das Lagerrisiko auf die Händler abgewälzt. Um Geld zu sparen, halten viele Marken kaum mehr eigene Lagerbestände.
Zudem werden die Auflagen von Marken und Importeuren immer strenger, wie genau die Autos präsentiert werden müssen. Das geht so weit, dass der Hersteller diktiert, welche Möbel im Showroom zu stehen haben. Bezahlen muss diese allerdings meist der Händler aus der eigenen Tasche.
Seine «Preisaggressivität» kostet Keigel zwar 120'000 Franken Marge, also Verdienst, bringt aber über eine Millionen an Liquidität ins Unternehmen. Flüssige Mittel sind in Zeiten von Corona Gold wert. Dazu trägt auch das Werkstattgeschäft bei, das schon wieder so brummt wie im letzten Frühling. «Hier spüren wir sogar einen positiven Corona-Effekt», sagt der Garagist. «Im Moment fahren die Leute lieber Auto als mit dem ÖV. Deshalb kommen viele zum Pneuwechsel und Frühlingsservice in die Garagen.» Trotzdem: Für einen Gewinn dürfte es wegen der Corona-Einbussen in diesem Jahr wohl kaum reichen.
Aggressive Preise sollen Handel ankurbeln
Gewinnen können dagegen die Kunden: Wer nun mit dem Kauf eines neuen Autos liebäugelt, der hat gute Karten, um von Phase zwei der «Preisaggressivität» zu profitieren. «Die Rabatte von Herstellerseite haben sich im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit verdoppelt», sagt Keigel nach kurzer Rücksprache mit zwei Verkäufern. «Die Marken versuchen nun über aggressive Preise den Handel wieder anzukurbeln.» Dabei hilft für einmal sogar der starke Franken, der Autoimporte in die Schweiz verbilligt.
Inzwischen hat die Autoindustrie ihre Fabriken teilweise wieder hochgefahren. Das erhöht den Druck auf Garagisten und Händler, denn die neu produzierten Autos müssen auch verkauft werden. Allerdings läuft die Produktion noch nicht auf vollen Touren, viele Werke sind erst wieder zur Hälfte ausgelastet. Das heisst: Das Wunschauto läuft vielleicht gerade nirgends vom Band.
Flexibilität lohnt sich
Deshalb haben Autokäufer, die etwas Kompromissbereitschaft an den Tag legen, gute Chancen, noch günstiger zu fahren. Wer also zum Beispiel seine Farbpalette erweitert oder nicht auf eine bestimmte Sonderausführung besteht, kann viel Geld sparen. «Die Händler werden alles tun, um ein Modell zu finden, das den Wünschen des Kunden vielleicht nicht ganz entspricht, aber preislich noch attraktiver ist.» So umreisst Keigel die Verkaufsstrategie für die kommenden Monate.
Das Ende des Lockdowns hat die Autokäufer noch nicht in Scharen mobilisiert. Im Renault-Showroom in Frenkendorf herrscht nicht gerade Hochbetrieb, als BLICK vorbeischaut. «Im Mai liegen wir 20 Prozent unter Vorjahr», sagt Keigel nach einem kurzen Blick in die Verkaufsstatistik. Immerhin hat das Werkstattgeschäft noch mehr an Fahrt gewonnen. Dafür fehlt es in der Carrosserie an Arbeit. Weniger Verkehr, weniger Blechschäden. Ein weiterer Corona-Effekt, an dem das Autogewerbe gerade zu beissen hat.
Von Januar bis Mai fanden in der Schweiz 39 Prozent weniger neue Autos einen Besitzer als in der gleichen Zeit im Jahr 2019. In absoluten Zahlen: Das sind 50'412 Fahrzeuge weniger, die meisten mehrere Zehntausend Franken wert. Geld, das nun in den Kassen der Garagisten fehlt – und das auch am Ende des Jahres zu einem guten Teil immer noch fehlen wird. Deshalb mag Urs Wernli (69) die Situation auch nicht beschönigen: «Die Krise hat die Autobranche stark getroffen», erklärt der Präsident des Auto Gewerbe Verbandes Schweiz (AGVS). «Diese massiven Einbussen können nicht aufgeholt werden. Ende Jahr dürften um die 20 bis 30 Prozent verkaufter Autos fehlen.»
Denn erstens sind die Konsumenten nicht gerade in Kauflaune. Sie stellen die Investition in ein neues Auto zurück. Andererseits sind die Margen der Garagisten dünn, sodass eine grossflächige Rabattschlacht nicht drin liegt. Dennoch stellt Wernli in Aussicht: «Unter dem Druck der ausserordentlichen Lage wird es zusätzliche Kaufanreize gegeben.» Welche, das ist dem einzelnen Händler überlassen. Christian Kolbe
Von Januar bis Mai fanden in der Schweiz 39 Prozent weniger neue Autos einen Besitzer als in der gleichen Zeit im Jahr 2019. In absoluten Zahlen: Das sind 50'412 Fahrzeuge weniger, die meisten mehrere Zehntausend Franken wert. Geld, das nun in den Kassen der Garagisten fehlt – und das auch am Ende des Jahres zu einem guten Teil immer noch fehlen wird. Deshalb mag Urs Wernli (69) die Situation auch nicht beschönigen: «Die Krise hat die Autobranche stark getroffen», erklärt der Präsident des Auto Gewerbe Verbandes Schweiz (AGVS). «Diese massiven Einbussen können nicht aufgeholt werden. Ende Jahr dürften um die 20 bis 30 Prozent verkaufter Autos fehlen.»
Denn erstens sind die Konsumenten nicht gerade in Kauflaune. Sie stellen die Investition in ein neues Auto zurück. Andererseits sind die Margen der Garagisten dünn, sodass eine grossflächige Rabattschlacht nicht drin liegt. Dennoch stellt Wernli in Aussicht: «Unter dem Druck der ausserordentlichen Lage wird es zusätzliche Kaufanreize gegeben.» Welche, das ist dem einzelnen Händler überlassen. Christian Kolbe