Politiker wollen die Schweizer Wirtschaft vor dem Ausverkauf schützen. Das sind hehre Absichten, doch in der Realität hat der Ausverkauf längst stattgefunden. Die grossen Schweizer Konzerne befinden sich mit wenigen Ausnahmen mehrheitlich in ausländischen Händen.
Von den 19 Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) haben nur drei schweizerische Besitzer. Die Swisscom wird vom Bund kontrolliert, die Swatch Group von der Familie Hayek, Roche von den Familien Hoffmann und Oeri. Beim Rest dominieren ausländische Aktionäre.
Beispiel Nestlé: Über dem Hauptsitz in Vevey VD am Genfersee weht zwar die Schweizer Flagge, die Aktionäre sind aber zu 64,3 Prozent ausländisch. Die grössten Anteile am Nahrungsmittelkonzern halten die US-Investoren Capital Group und Black Rock sowie die norwegische Norges Bank. Kein Schweizer Aktionär besitzt mehr als drei Prozent an der Schweizer Paradefirma.
Heuschrecken, Raider und fremde Staaten
Auch die anderen Schweizer Grosskonzerne werden zu rund zwei Dritteln von ausländischen Aktionären beherrscht. Sie kaufen sich ein, weil Schweizer Firmen wertbeständig sind und anständige Dividenden zahlen. Sind die Investoren nicht mehr zufrieden, verkaufen sie ihre Anteile und ziehen weiter.
Nicht alle Aktionäre sind aber harmlos. Drei Typen können den Firmen gefährlich werden. Da sind zum einen Spekulanten: Sie kaufen sich auf Pump ein, machen Radau und fordern höhere Renditen. Zu dieser Kategorie zählt etwa der schwedische Hedgefonds Cevian. Er bedrängte ABB letztes Jahr mit strategisch unsinnigen Forderungen.
Ebenso gefährlich sind Raider wie Viktor Vekselberg (60). Der Russe riss sich vor Jahren die Industriekonzerne Saurer, Sulzer und OC Oerlikon unter den Nagel. Beim Einstieg machte er gemeinsame Sache mit den Finanzhasardeuren Ronny Pecik (55) und Georg Stumpf (44). Inzwischen hat sich Vekselberg aber als verantwortungsbewusster Besitzer erwiesen.
Der dritten Kategorie geht es nicht ums Geld, sondern um Wissen und Macht. Hier kommen die Chinesen ins Spiel. Sie wollen sich mit dem Kauf von Firmen den Zugang zu westlichen Schlüsseltechnologien sichern. Spektakulärstes Beispiel ist der Kauf des Basler Agrochemiekonzerns Syngenta durch Chemchina.
Bauernschlaue Schweiz
Solchen Attacken stehen Schweizer Konzerne weitgehend schutzlos gegenüber. Wer genügend Geld mitbringt und sich an die Gesetze hält, erhält die Kontrolle über eine Firma. Das ist Kapitalismus in Reinkultur.
Übers Ganze hat die Schweiz von dieser Offenheit profitiert. Kein anderes Land vergleichbarer Grösse hat mehr Weltklasse-Firmen hervorgebracht. Ohne ausländisches Kapital wäre dies nicht möglich gewesen. Und mit dem Kapital kamen auch frische Ideen und Köpfe.
Gleichzeitig war die Schweiz schlau genug, die für das Land wirklich wichtigen Bereiche dem Markt zu entziehen. Anders als in der EU sind bei uns Infrastrukturbetriebe weitgehend in staatlicher Hand. Post, Bahn, Energiekonzerne, Stromnetze, Spitäler und Flughäfen gehören mehrheitlich Bund, Kantonen und Städten. Da können die Chinesen lange mit Dollars winken. Das Eingemachte bleibt hier.