Nun ist der anhaltende Boom amtlich bestätigt: Per 1. Juni stieg die Anzahl leer stehender Wohnungen gegenüber dem Vorjahr um weitere 3029 Stück. Das spricht einem Wachstum von 4,1 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) heute mitteilte.
Mit 75'323 Leerwohnungen steigt die Leerwohnungsquote in der Schweiz auf 1,66 Prozent. Im Vorjahr lag sie bei 1,62 Prozent.
Bereits Ende 2018 fanden über 72'000 Wohnungen keine Bewohner. Bis Ende 2019 prognostiziert die UBS im Sommer noch einen Anstieg auf rund 80'000 leere Wohnungen.
Zürich und Genf können aufatmen
Der höchste Anteil leer stehender Wohnungen verzeichnet nach wie vor das Mittelland mit Solothurn-Bern-Aargau bis Thurgau. Dabei entstanden regelrechte Geistersiedlungen. Den höchsten Anteil leer stehender Wohungen haben Wangen bei Olten SO (7,21 Prozent), Gränichen AG (7,2 Prozent) und Mellingen AG (7,13 Prozent).
Der Kanton mit der höchsten Leerwohnungsziffer ist Solothurn (3,4 Prozent). Am wenigsten auf Wohnungen sitzen bleibt der Kanton Zug (0,42 Prozent). Im Kanton Tessin ist die Anzahl von Leerwohnungen (plus 708) zwischen Juni 2019 und 2019 am meisten gestiegen – bei einer Leerstandsquote von 2,2 Prozent.
Grosse Mühe, Mieter zu finden, haben auch die Gemeinden Saxon VS (6,72 Prozent), Langenthal BE (5,05 Prozent) und Sirnach TG (4,9 Prozent). In den von Wohnungsnot geplagten Grossregionen Zürich und Genf hingegen gingen die Leerwohnungsziffern zurück.
Selbst Geistersiedlungen rentieren
Grund für die Wohnungsübersättigung sind Zinsen auf Allzeittief, spottbillige Baufinanzierung und ein Anlage-Notstand. Trotz Leerständen lohnt es sich für Pensionskassen immer noch in Liegenschaften zu investieren.
Um den Boom zu stoppen erhalten sogenannte Renditeliegenschaften – Immobilien wie etwa Mehrfamilienhäuser, die von Investoren als Geldanlage gehalten werden – ab 2020 eine schärfere Regulierung.
Leerstände werden auch 2020 weiter steigen
Obwohl sich das Wachstum der Leerwohnungen gegenüber dem Vorjahr leicht verlangsamt hat, erwartet Immobilienexperte Fredy Hasenmaile von der Credit Suisse nicht, dass die Leerstandsproblematik so bald gelöst ist.
Dass die Anzahl Leerstände dieses Jahr nicht mehr so stark zunahm wie im Vorjahr, sieht er eher als Einmaleffekt. «Nächstes Jahr dürften die Leerstände wieder im alten Fahrwasser der Vorjahre zunehmen», sagt er auf Anfrage von BLICK.
Vermieter zu Preissenkungen gezwungen
Daran änderten auch die härteren Regeln für die Kreditvergabe bei Renditeliegenschaften, die nächstes Jahr in Kraft treten, nicht viel. «Die anhaltend tiefen Zinsen und die erwartete Zinssenkung der Europäischen Zentralbank werden den Immobilienmarkt weiter beflügeln», führt Hasenmaile aus. Das Kapital ströme dorthin, wo die Rendite relativ hoch sei und das sei nach wie vor der Immobilienmarkt – trotz Leerständen.
Für die meisten Mieter sind das positive Nachrichten. Die Mietpreise bei den ausgeschriebenen Wohnungen sind laut Hasenmaile seit zwei bis drei Jahren rückläufig. Per Ende Juli waren sie im Schnitt 1,5 Prozent im Minus.
«Die Zunahme der Leerstände übt Druck auf die Vermieter aus, ihnen bleibt oft nichts anderes übrig, als die Mietpreise zu senken», sagt der Immobilienexperte. Allerdings seien in den fünf Schweizer Grosszentren wegen anhaltender Wohnungsknappheit nach wie vor keine tieferen Mieten zu erwarten.
Bessere Wohnqualität
Auch Immobilienexperte Matthias Holzhey von der UBS erwartet einen weiteren Rückgang der Marktmieten. Er fügt hinzu: «Bei Neubauten sind häufig die Mieten nicht höher als im Altbestand, dafür profitieren Mieter von besserer Wohnqualität.»
Allerdings rechnet er nicht mehr damit, dass die Leerstände bis Ende Jahr die 80'000-Marke knacken werden. Denn die Bautätigkeit habe sich verlangsamt und dem sich graduell dem tieferen Bevölkerungswachstum der letzten Jahre angepasst.