SBB-Meyer legt sich wegen Regionalzug Flirt mit Stadler-Rail-Spuhler an
Millionen-Streit um rostige Züge

Der Streit um die neuen Doppelstockzüge ist noch im Gang, da beginnt schon die nächste Materialschlacht: Jetzt gehen die SBB auf Stadler Rail los. Doch ein vertraulicher Brief des Bundesamts für Verkehr (BAV) gibt dem Konzern von Peter Spuhler Rückenwind.
Publiziert: 20.01.2019 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2019 um 08:53 Uhr
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Die Beteiligten könnten hochkarätiger nicht sein: Auf der einen Seite die SBB, Identität stiftender Staatsbetrieb – für täglich mehr als eine Million Bahnfahrer aber immer wieder auch ein Ärgernis.
Foto: Keystone
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Beteiligten könnten hochkarätiger nicht sein: Auf der einen Seite die SBB, identitätsstiftender Staatsbetrieb – für täglich mehr als eine Million Bahnfahrer aber immer wieder auch ein Ärgernis. Auf der anderen Seite Stadler Rail, Zughersteller mit Sitz in Bussnang TG und eine der grössten Erfolgsstorys der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte.

An der Spitze beider Unternehmen stehen Männer, die nicht gern Kompromisse schliessen: Hier Andreas Meyer (57), der es in seiner zwölfjährigen Amtszeit geschafft hat, das SBB-Passagiervolumen um über 40 Prozent zu erhöhen. Dort Peter Spuhler (60), ehemaliger SVP-Nationalrat und Vollblutunternehmer, der Stadler Rail vom 20-Mann-Betrieb zum globalen Grosskonzern mit rund 9000 Mitarbeitern geformt hat.
Dicke Freunde wurden die beiden Alphatiere nie. Aufgrund ihrer Position wissen sie aber: Ohne den anderen geht es nicht.

Arbeiten dauern noch bis 2024

Nun zeigen Recherchen von SonntagsBlick: Hinter den Kulissen ist zwischen den wichtigsten Akteuren der Schweizer Bahnbranche ein giftiger Streit entbrannt. Auslöser sind die 148 Regionalzüge Flirt, die Stadler Rail in den vergangenen 15 Jahren an die SBB geliefert hat. Bei einem Teil dieser Fahrzeuge wurden Korrosionsschäden in den Böden festgestellt – man könnte auch sagen: Rost.

Dass es diese Schäden gibt, ist unbestritten. Doch wie gravierend sie sind, darüber sind sich die Konfliktparteien nicht einig. Stadler-Rail-Sprecherin Marina Winder sagt: «Die Korrosion an den Flirt-Zügen, die bei den SBB im Einsatz sind und von ihr gewartet werden, ist entsprechend ihrer Lebensdauer völlig unbedenklich.» 

Die SBB sehen das offensichtlich anders. Seit Februar 2017 nehmen sie deshalb eine umfangreiche Sanierung der Flirt-Züge vor. Die Arbeiten sollen noch bis 2024 dauern, sie lasten das SBB-Werk im Tessin aus – und dürften Kosten in Millionenhöhe verursachen.

Stadler Rail soll sich an Kosten beteiligen

Über das Sanierungsprojekt haben die SBB bereits 2016 informiert. Nun aber verlangen sie gemäss Informationen von SonntagsBlick, dass sich Stadler Rail an den Reparaturkosten beteilige.
Im Thurgau sorgt diese Forderung für rote Köpfe. Den Ruf nach einer Kostenbeteiligung, so ist zu hören, hält man für unverschämt. Zum einen seien solche Schäden völlig normal und gar nicht sicherheitsrelevant. Zum andern sei die Werkgarantie für die bis zu 
15 Jahre alten Züge längst abgelaufen.

Ausserdem hätten die SBB die Korrosion teilweise mitverschuldet, weil sie Wartungsarbeiten nicht gemäss Handbuch durchgeführt hätten.

Stadler-Rail-Sprecherin Winder will diese Darstellung nicht kommentieren. Die SBB wiederum betonen, dass die Ursachen der Korrosion nicht abschliessend geklärt seien – und dass keines der Streitthemen eine Auswirkung auf die Kunden habe. Zum geschilderten Ablauf meint SBB-Sprecher Reto Schärli: «Das können wir so nicht bestätigen.» Er gibt aber zu, dass es mit Stadler Rail «Gespräche» gebe.

Turbulente Wochen für die SBB

Doch ganz offensichtlich ist da mehr im Gange als nur Gespräche: Mittlerweile hat sich auch das Bundesamt für Verkehr (BAV) eingeschaltet. SonntagsBlick liegt ein Brief vor, den die nationale Aufsichtsbehörde den SBB am 21. Dezember zukommen liess. Darin heisst es: «Aufgrund der uns vorliegenden Informationen stellen wir fest, dass zwischen den SBB und dem Hersteller der Flirt-Fahrzeuge, der Stadler AG, weder hinsichtlich der Ursachen der Korrosionsschäden noch bezüglich den nötigen Sanierungsmassnahmen Einigkeit besteht.»

Das BAV ermahnt die Bahn, «auf nicht zwingend notwendige Gesamtsanierungen zu verzichten», um unnötige Kosten zu verhindern. Zudem verlangt die Aufsichtsbehörde von den SBB, «nachvollziehbar aufzuzeigen, dass sie die nötige Sorgfalt beim Unterhalt angewendet und den eingetretenen Schaden nicht fahrlässig verschuldet hat».

Starker Tobak – zumal BAV-Direktor Peter Füglistaler das Schreiben höchstpersönlich signiert hat. Doch es kommt noch dicker: Mittlerweile sind auch die Kantone involviert. Sie bezahlen die SBB für Leistungen im regionalen Personenverkehr – und befürchten nun, dass sie am Ende für Mehrkosten durch die Sanierungen zur Kasse gebeten werden. Dieser Befürchtung erteilt das BAV eine klare Absage: «Grundsätzlich sehen wir die unternehmerische Verantwortung für die Behebung und Finanzierung der Korrosionsschäden bei den SBB.»

Auch Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler dürfte dies gerne lesen. Auf Andreas Meyer und seine Crew dagegen warten turbulente Wochen. 

Nächste Runde im Pannenzug-Debakel

Letzten Sonntag machte SonntagsBlick das Debakel rund um die 1,9 Milliarden Franken teuren SBB-Fernverkehrsdoppelstockzüge des Herstellers Bombardier zum Thema (Bild). Zwei Tage später beschäftigte sich die Verkehrskommission des Nationalrats mit der Problematik und zeigte sich laut Mitteilung «äusserst besorgt» über die zahlreichen Pannen beim neuen Zug. Die Parlamentskommission fordert von den Verantwortlichen Antworten. Am Freitag verteidigte sich der Schweiz-Chef von Bombardier, Stéphane Wettstein, in der «Aargauer Zeitung» gegen die Kritik am Zug. Er sei zuversichtlich, dass sehr bald ein stabiler Betrieb etabliert werden könne. Von einer Versöhnung sind SBB und Bombardier aber nach wie vor weit entfernt. Am Samstag gab SBB-Chef Andreas Meyer in der «Schweiz am Wochenende» ebenfalls ein Interview, in dem er dem Hersteller des Pannenzugs abermals an den Karren fuhr. «Die Gründe für die momentane Situation liegen klar bei Bombardier», so Meyer. Zudem erteilte er Forderungen aus der Politik, die Beschaffungsfreiheit der SBB weiter einzuschränken, eine klare Absage.

Letzten Sonntag machte SonntagsBlick das Debakel rund um die 1,9 Milliarden Franken teuren SBB-Fernverkehrsdoppelstockzüge des Herstellers Bombardier zum Thema (Bild). Zwei Tage später beschäftigte sich die Verkehrskommission des Nationalrats mit der Problematik und zeigte sich laut Mitteilung «äusserst besorgt» über die zahlreichen Pannen beim neuen Zug. Die Parlamentskommission fordert von den Verantwortlichen Antworten. Am Freitag verteidigte sich der Schweiz-Chef von Bombardier, Stéphane Wettstein, in der «Aargauer Zeitung» gegen die Kritik am Zug. Er sei zuversichtlich, dass sehr bald ein stabiler Betrieb etabliert werden könne. Von einer Versöhnung sind SBB und Bombardier aber nach wie vor weit entfernt. Am Samstag gab SBB-Chef Andreas Meyer in der «Schweiz am Wochenende» ebenfalls ein Interview, in dem er dem Hersteller des Pannenzugs abermals an den Karren fuhr. «Die Gründe für die momentane Situation liegen klar bei Bombardier», so Meyer. Zudem erteilte er Forderungen aus der Politik, die Beschaffungsfreiheit der SBB weiter einzuschränken, eine klare Absage.

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