Reuters, «New York Times» und ESPN fielen auf Falschmeldung herein
Schweizer Fake News gingen um die Welt

Die englischsprachige Schweizer Website «The Local» wurde am Wochenende so gut kopiert, dass grosse Medien aus der ganzen Welt ihre Berichterstattung aufnahmen. Es ging um – nie gemachte – Aussagen von Fifa-Präsident Gianni Infantino zu Katar, das die WM 2022 austragen soll.
Publiziert: 17.07.2017 um 16:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr
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So sah der Artikel aus, der für so viel Wirbel sorgte.
Foto: Screenshot
Konrad Staehelin

Für viele Journalisten wäre es das Grösste: Von Giganten der Medienbranche wie der «New York Times» oder der Agentur Reuters für eine Enthüllung zitiert zu werden.

Auf diesen Ruhm hätte die Homepage «The Local Switzerland», die auf Englisch Neuigkeiten über die Schweiz berichtet, aber gerne verzichtet: In einem Artikel im «The Local»-Design sagte Fifa-Boss Gianni Infantino (47), er überlege sich, dem Wüstenstaat Katar die schon zugesicherte Austragung der Fussball-WM 2022 zu entziehen.

Ausserdem soll Infantino gesagt haben, er habe von Saudi-Arabien und fünf anderen Ländern Briefe erhalten, die Katar als «Nährboden und Schloss für den Terrorismus» beschimpften. Der Artikel wurde am Samstagmorgen um neun Uhr online gestellt.

«Nicht von uns geschrieben»

Wäre Infantinos Aussage wahr, es wäre eine Bombe!

Schon klar, nahmen die Grossen der Branche die Meldung schnell auf. Die «New York Times», der englische «Telegraph» und ESPN berichteten am Sonntag darüber, über die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete sich die Neuigkeit rasend schnell auch zu kleineren Medien.

So titelte die «New York Times».
Foto: Screenshot

Nur: Das Ganze stimmt hinten und vorne nicht. Es war komplett erfunden. Fake News!

«Niemand von unseren Autoren hat diesen Artikel geschrieben», sagt James Savage (38), Strategie-Direktor im Hauptquartier von «The Local» in Stockholm, als BLICK ihn am Montagmorgen am Telefon erreicht. Von dort aus koordiniert er die Aktivitäten aller nationaler Ausgaben der Website – unter anderem auch jene der Schweizer Version.

«Der Artikel wurde unter einer Internet-Adresse publiziert, die nicht zu «The Local» gehört», sagt Savage weiter. «Aber alles andere war identisch: Das Design der Seite, die Links führten zu anderen Artikeln. Nur das Englisch, in dem der Text geschrieben war, war schlecht.»

Warum genau die Schweiz?

Weil sie misstrauisch wurden, riefen mehrere Journalisten im Verlauf des Sonntags bei Savage an, unter anderem solche der englischen BBC und von «Al Jazeera», das vom katarischen Königshaus finanziert wird. Savage: «Am Sonntag war die Hölle los, ständig klingelte das Telefon.»

Titel, welche die Falschmeldung verbreitet hatten, korrigierten sie teilweise.

Reingefallen: So titelte Reuters und entfernte den Artikel umgehend.
Foto: Screenshot

BLICK fragt Savage: «Warum wurde genau Ihre Seite für die fiese Fake-News-Masche missbraucht? Und warum gerade die Schweizer Version?» – «Infantino ist Schweizer, die Fifa ist in Zürich. Und weil die Fälscher auf eine globale Ausstrahlung des Artikels hofften, brauchten sie eine glaubwürdige Medienmarke, die auf Englisch publiziert.»

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Geopolitische Interessen

Wer dahinter steckt, weiss Savage nicht. Es sei aber wohl jemand mit geopolitischen Interessen gewesen. Jemand, der Katar schaden wolle. 

Schon vor wenigen Wochen haben Fake News Katar offensichtlich stark geschadet: Am 23. Mai verbreiteten Unbekannte einen Bericht, der aussah wie einer der katarischen Nachrichtenagentur, den sie jedoch nicht selbst verfasst hatte und der falsch war.

Laut dem Bericht soll der Emir Katars den Iran und Israel gelobt und US-Präsident Donald Trump kritisiert haben. Dass eine Reihe von Nachbarstaaten und Regionalmächten Katar seit der Berichterstattung mit einer Blockade überziehen, hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt (BLICK berichtete). Wie die «Washington Post» heute schreibt, sollen die Vereinigten Arabischen Emirate hinter dem Angriff stecken. Diese dementieren dies.

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