Der Detailhandel unter Druck
Das ganze Jahr ist Ausverkauf!

Im Schweizer Detailhandel tobt eine brutale Preisschlacht. Deutsche Discounter und Online-Riesen gegen Schweizer Detailhändler. Für die Konsumenten heisst das: tiefere Preise. Die Zeche zahlen die Angestellten.
Publiziert: 09.01.2019 um 01:41 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2019 um 11:03 Uhr
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Das deutsche Online-Modehaus Zalando, der US-Riese Amazon und die chinesische Aliexpress bauen ihre Marktanteile im Bereich Schuhe und Kleider in rasantem Tempo aus.
Foto: Keystone
Sven Zaugg und Claudia Gnehm

Während der Schweizer Detailhandel im Krebsgang ist, erobern ausländische Online-Riesen den heimischen Markt. Wegen des hohen Preisniveaus kaufen immer mehr Schweizer im virtuellen Ausland ein. Das deutsche Online-Modehaus Zalando, der US-Riese Amazon und die chinesische Aliexpress bauen ihre Marktanteile im Bereich Schuhe und Kleider in rasantem Tempo aus. Ein Albtraum für die Schweizer Detailhändler. Doch sie halten dagegen: Um die Konsumenten bei der Stange zu halten, buhlen sie mit immer neuen Tiefpreisen.

Auch im Lebensmittelverkauf tobt die Schlacht. Gerade bei beliebten Marken scheuen die Detailhändler keinen Effort, um an günstigere Einkaufspreise zu kommen. Coop und andere internationale Detailhändler haben letztes Jahr Hunderte von Nestlé-Produkten aus den Regalen gekippt. Coop-Chef Joos Sutter (54) rückt nun dem Marken-Multi Mars auf den Pelz. Eine clevere Strategie. «Wenn Detailhändler die Preise über den Einkaufspreis senken können, geht das weniger über die eigene Marge», sagt Retail-Experte Sascha Jucker von Credit Suisse.

Deutsche Discounter als Preisführer

Die Konsumenten könnten sich nicht zuletzt wegen des anhaltenden Preisdrucks auf eine höhere Kaufkraft freuen, so Jucker. Dämpften das letzte Jahr die Teuerung und das geringe Lohnwachstum die Kauflust, sehe es dieses Jahr besser aus: «Die Kaufkraft dürfte auch dank stärker wachsender Löhne und einer leicht tieferen Inflation wieder etwas zulegen.»

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Die Schweizer Detailhändler stehen aber nicht nur wegen der Auslandskonkurrenz im Internet unter Druck. Auch die deutschen Discounter Aldi und Lidl bauen ihre Marktposition auf Kosten der etablierten Grossverteiler aus. Hatten die Discounter im Jahr 2005 erst einen Marktanteil von sechs Prozent am Schweizer Lebensmittelhandel, waren es 2017 bereits 16 Prozent, wie Retail-Experte Martin Hotz von Fuhrer & Hotz erklärt. Gleichzeitig haben sich die deutschen Discounter in den Augen der Konsumenten als absolute Preisführer etabliert. Bis 2005 galt die Migros als am günstigsten.

Aldi und Lidl geben den Tarif durch

Nach dem Frankenschock 2015 hat Lidl nach eigenen Angaben die Preise bei der Hälfte des Sortiments reduziert. Aldi-Chef Timo Schuster (42) senkte allein 2018 bei rund 20 Prozent des Sortiments die Preise. Auch Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen (49) und Coop-Konkurrent Sutter zogen nach. Der orange Riese gibt an, seit 2010 die Preise im Umfang von 1,5 Milliarden Franken gesenkt zu haben. Coop «investierte» in den letzten 14 Jahren gar 1,9 Milliarden Franken in tiefe Preise.

Thomas Rudolph, Professor für Marketing und Handelsmanagement an der Universität St. Gallen, spricht von einem «anhaltend harten Preiswettbewerb». «Aldi und Lidl haben über tiefe Preise ihr Filialnetz ausgebaut und damit den Preisdruck zusätzlich verschärft.» Das habe neben dem Einkaufstourismus zu einem Umsatzrückgang bei den etablierten Händlern geführt, so Rudolph.

Tatsächlich sind die Umsätze der Discounter in den Jahren 2000 bis 2017 hierzulande um mehr als das Vierfache gestiegen und betragen heute 6,2 Milliarden Franken – allein die Coop-Supermärkte erzielten letztes Jahr im Vergleich einen Umsatz von 10,4 Milliarden Franken. Rund drei Fünftel des Discounter-Wachstums gehen auf das Konto von Aldi und Lidl, die ihre Stellung hierzulande mit inzwischen 198 respektive 122 Filialen kräftig ausgebaut haben.

Keinen Grund zum Jubeln haben die Angestellten. Ende 2018 arbeiteten noch knapp 234'000 Personen im Detailhandel – das sind rund 16'000 Personen weniger als vor zehn Jahren. Allein im letzten Jahr nahm die Zahl der Detailhandelsangestellten um drei Prozent ab, während sie in den meisten westeuropäischen Ländern zulegen konnte. Für die Gewerkschaften ist klar: Die Preisschlacht wird auf dem Buckel der Angestellten ausgetragen.

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