Der amerikanische Online-Händler Amazon erobert Schritt für Schritt die Schweiz
Der Gigant kommt still und leise

Amazon liefert eine immer breitere Produktpalette in die Schweiz. Neu kümmert sich der Online-Riese auch um die Verzollung der Waren. Während Konsumenten jubeln, müssen sich die Schweizer Online-Shops wappnen.
Publiziert: 20.02.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:09 Uhr
Logistikcenter von Amazon in Italien. 1,2 Millionen Produkte werden hier auf 100'000 Quadratmetern gelagert.
Foto: Emanuele Cremaschi
Julia Fritsche

Ein Bademantel, eine Kaffeemaschine, die Smartwatch Samsung Gear S3 und ein Fotoapparat von Canon. Der Einkaufswagen bei Amazon war schon immer schnell prall gefüllt. Aber noch vor kurzer Zeit wurden Käufer spätestens beim Auschecken des Warenkorbs enttäuscht mit dem Satz: «Dieser Artikel kann nicht an die ausgewählte Adresse versandt werden.» Das Problem dabei war die Lieferadresse in der Schweiz.

«Viel mehr Produkte in die Schweiz lieferbar»

Doch nun sind plötzlich viel mehr Produkte in die Schweiz lieferbar, wie mehrere Kunden und BLICK-Digitalexperte Lorenz Keller festgestellt haben. Was sich also Ende November mit der Zusammenarbeit von Schweizer Post und Amazon angekündigt hat, führt der US-Riese zügigen Schrittes still und heimlich ein.

«Langfristig erwarte ich, dass Amazon möglichst alles in die Schweiz liefern wird», sagt Patrick Kessler (49), Präsident des Verbands Schweizer Versandhändler (VSV). Derzeit ist es noch etwas willkürlich, welche Produkte lieferbar sind und welche nicht. Die Tendenz: elektronische Geräte und Haushaltswaren gehen häufig, Beauty und Lebensmittel seltener.

Der Schweizer Online-Handel wächst jedes Jahr.
Foto: Blick Grafik

Amazon addiert die Zollkosten im Voraus

Neben der viel grösseren Auswahl dürfte ein zweiter Punkt die Konsumenten freuen: Amazon regelt die Verzollung, zeigt bereits online, was dies kosten wird und addiert den Betrag zur Rechnung. Somit werden Amazon-Kunden nicht mehr überrascht, wenn der Päckli-Lieferant vor der Tür steht und unerwartete Zollgebühren einfordert.

Sowohl die Post als auch Amazon wollen sich nicht zu den Neuerungen äussern. Für Versandhändler-Präsident Kessler gibt es dafür gute Gründe: «Für Amazon ist es im Moment schwierig zu kommunizieren, wenn noch nicht alle Artikel lieferbar sind. Sind etwa 70 Prozent der Waren hier erhältlich, sorgt das für ein negatives Kundenerlebnis für Käufer, die sich für ein Produkt aus den restlichen 30 Prozent interessieren.» Dazu komme, dass Amazon insgesamt eher spärlich kommuniziere.

Der grösste Umsatzanteil im Online-Handel fällt auf Elektro- und Multimediageräte.
Foto: Blick Grafik

«Konkurrenzkampf für Schweizer Shops wird härter»

Einen Hinweis auf die Amazon-Pläne liefert auch eine Eintragung beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum: Am 8. Januar hat der Online-Riese in der Schweiz ein Gesuch zum Schutz der Marke «Prime» hinterlegt. Dahinter steckt eine Dienstleistung, die in Deutschland bereits existiert: Für 69 Euro Jahresgebühr gibt es dafür Zugriff zum Streaming-Dienst, und Kunden können sich Produkte ohne Versandkosten schicken lassen.

Während Konsumenten jubeln, wird der Konkurrenzkampf für Schweizer Shops härter. Aber verloren sei nichts: «Auch Schweizer Onlineshops haben im Konkurrenzkampf mit Amazon einiges zu bieten: schnelle Lieferung, klares Rückgaberecht und Ansprechpersonen im Land», sagt Patrick Kessler. Auch Digitec Galaxus fühlt sich nicht bedroht: «Wir gehen nicht davon aus, dass die schnellere Verzollung von Amazon-Lieferungen unserem Geschäft schaden wird», lässt CEO Florian Teuteberg (39) verlauten. Im vergangenen Jahr steigerte Digitec Galaxus den Umsatz um 19 Prozent.

Verbesserungspotenzial

Noch gibt es einiges Verbesserungspotenzial bei Amazon. Die Kunden sehen lange nicht, ob sie den Staubsauger oder den Teppich auch tatsächlich kaufen können – erst im Warenkorb wird dies klar. Auch den definitiven Preis mit Versand, Zoll und Schweizer Mehrwertsteuer sehen Kunden erst zum Schluss. 

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