Personenfreizügigkeit

Zum Studieren, um eine neue berufliche Herausforderung anzugehen oder für die Liebe – es gibt viele Gründe, warum jemand die Schweiz verlässt oder in die Schweiz einwandert.
Publiziert: 01.01.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:05 Uhr

Jedes Jahr realisieren zahlreiche Einheimische ihren Traum vom Auswandern. Umgekehrt kommen hier benötigte Arbeitskräfte aus dem EU-/Efta-Raum in die Schweiz. Dank dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU ist das möglich – jedoch nur unter Einhaltung klar festgelegter Bedingungen.

Ende 2015 lebten und arbeiteten 455 862 Schweizerinnen und Schweizer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU); mehr als 75 Prozent von ihnen in Frankreich, Deutschland, Italien oder Österreich. Diese Zahl ist grösser als die Einwohnerzahl der Kantone Freiburg, Tessin oder Luzern.

Möglich macht dies das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA), das die Schweiz mitder EU abgeschlossen hat. Das Abkommen ist Bestandteil der Bilateralen I und erlaubt es allen Schweizer und EU-/Efta-Bürgern, frei zu entscheiden, wo sie lernen, arbeiten und wohnen möchten. In der Schweiz leben heute 1 324 400 EU-Bürger und leisten einen wertvollen Beitrag zu unserem Wohlstand. Ohne die Zuwanderung würde die Schweiz nicht da stehen, wo sie ist.

Weil unsere Gesellschaft immer älter wird, ist dieser Fakt auch in der Zukunft relevant.

Striktere Regeln in der Schweiz

Dass sich die Menschen innerhalb der EU-Länder frei bewegen können, ist ein wesentliches Element der vier Grundpfeiler des Binnenmarktes: freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital. Beispielhaft bedeutet dies, dass eine Designerin aus Italien keine zusätzliche Bewilligung braucht, wenn sie in Frankreich ihre Kleider oder Designberatung anbietet (Waren- und Dienstleistungsfreiheit).

Eröffnet sie sogar ein Kleidergeschäft in Frankreich, darf sie für dieses aus allen europäischen Ländern Personen engagieren (Personenfreizügigkeit) und mit Investoren aus ganz Europa zusammenarbeiten (Kapitalfreiheit). Der flexible Arbeitsmarkt führt zu grösserem Wohlstand für alle, aber auch zu mehr Stabilität und Sicherheit in Europa.

Mit den Bilateralen I hat sich die Schweiz Zugang zu diesem Binnenmarkt verschafft und auch das FZA abgeschlossen. Das Abkommen unterscheidet sich aber in wesentlichen Punkten von der Freizügigkeit innerhalb der EU, denn es ist mit strikteren Bedingungen verknüpft. Ausserdem wurden sogenannte flankierende Massnahmen (FlaM) festgelegt, die den hiesigen Arbeitsmarkt vor Lohndumping schützen.

Klare Bedingungen gelten für alle

Sowohl Schweizer wie auch EU-Bürger haben das gleiche Recht, in einem der FZA-Vertragsstaaten zu lernen, arbeiten oder zu wohnen. Dies gilt aber nur, wenn sie klar festgelegte Bedingungen erfüllen. Beschliesst beispielsweise ein Schwede, seinen Wohnort in die Schweiz zu verlegen, muss er eine Kranken- und Unfallversicherung abschliessen.

Weiter muss er entweder einen gültigen Arbeitsvertrag vorlegen oder nachweisen, dass er mit einer selbstständigen Tätigkeit oder seinem Vermögen den Lebensunterhalt für sich (und falls vorhanden auch für seine Familie) finanzieren kann. Im Gegenzug kann er sich darauf verlassen, dass die Schweiz seinen Beruf anerkennt.

«Auch mit dem FZA kann sich nicht einfach jeder in der Schweiz niederlassen. Bei jedem Einwanderer wird kontrolliert, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.»

Das FZA koordiniert zudem die Sozialversicherungen. So hat die in der Schweiz lebende Französin beispielsweise nur dann Anrecht auf eine Arbeitslosenentschädigung, wenn sie innerhalb von zwei Jahren mindestens zwölf Monate lang beschäftig war und Beiträge einbezahlt hat. Auch wird ihr Bleiberecht nicht erneuert, wenn sie über längere Zeit keine Anstellung hat und sich nicht nachweislich um eine neue Stelle bemüht.

Das FZA regelt ausserdem, welche Familienmitglieder mit in die Schweiz ziehen dürfen. Die Französin darf ihren Ehepartner und ihre Kinder (bis 21 Jahre) mit in die Schweiz nehmen. Ältere Kinder und die Eltern oder Schwiegereltern dürfen hingegen nur dann mit in die Schweiz ziehen, wenn eine ausreichend grosse Wohnung und der finanzielle Unterhalt nachgewiesen werden können.

Achtung, das FZA betrifft nicht...

  • den Asylbereich: Für Asylsuchende gelten andere Bestimmungen, die unter anderem das Dublin-Abkommen mit der EU regelt.
  • die Drittstaaten: Für die Zuwanderung von Personen aus Ländern, die nicht dem EU/Efta-Raum angehören und in der Schweiz arbeiten wollen, gelten Kontingente. Diese Personen müssen je nach Aufenthaltsgrund zusätzliche Bedingungen erfüllen, wie beispielsweise eine gute Ausbildung und mehrjährige Berufserfahrung.

Ein Muss für die Wirtschaft

Ein offen er und flexibler Arbeitsmarkt ist eine wichtige Voraussetzung für den Wohlstand der Schweiz. Deshalb stellt das FZA sicher, dass Schweizer Arbeitgeber unbürokratisch Mitarbeiter aus Europa rekrutieren können, falls sie diese in der Schweiz nicht finden. Heute sind alle Branchen in der Schweiz auf ausländische Mitarbeiter angewiesen. Insbesondere hochspezialisierte Arbeitskräfte sind gesucht, da der Schweizer Fachkräftemarkt nicht allen Bedürfnissen gerecht werden kann. Umgekehrt ermöglicht das FZA Schweizer Unternehmen, ihre Mitarbeiter bis zu 90 Tagen unkompliziert im Ausland arbeiten zu lassen. Die Erfahrung zeigt, dass auch dank der Freiheit, Arbeitskräfte im Ausland rekrutieren zu können, die Wirtschaft solide wächst und laufend neue Arbeitsstellen entstehen. Von diesen werden 50 Prozent mit Schweizerinnen und Schweizern besetzt.

Der Alleingang ist keine Lösung.

Mitmachen unter: www.europapolitik.ch

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