Die Zinsen sind im Keller – die Immobilienpreise gehen durchs Dach. Während die Angebotsblase wächst, steigt das Crash-Risiko. Treiber dieser Entwicklung sind vor allem die Pensionskassen: Sie tätigen Investitionen in Rekordumfang – auf der Flucht vor Negativzinsen und Renditedruck. Bereits ein Viertel ihres Geldes steckt in Immobilien.
Wann platzt die Blase? «Wir sind schon 19 Stockwerke runtergefallen», sagt Donato Scognamiglio (48), CEO des Immobilien-Beratungsunternehmens Iazi. «Die Frage ist nur noch, ob das Haus 20 oder mehr Stockwerke hat.»
Dennoch investieren die Pensionskassen ungerührt weiter. Der Grund: anhaltende Negativzinsen bringen sie in einen Anlagenotstand. Sie müssen Renditen erzielen, doch mit Obligationen ist das nicht mehr möglich. In den meisten Pensionskassen-Portfolios stecken deshalb heute mehr Aktien als Anleihen. Die aber sind unberechenbar – ihre Kurse schwanken.
Mieter finanzieren Pensionskassen
Deshalb investieren die Pensionskassen mit voller Wucht in Immobilien: Fast jeder vierte Vorsorgefranken steckt bereits in diesem Markt – 24 Prozent aller Anlagen. Vor 15 Jahren waren es noch zehn Prozent.
Mehr als 30 Prozent dürfen sie laut Gesetz nicht in einen Sektor investieren. Diese regulatorische Grenze dürfte bald erreicht sein, denn die Immobilienpreise steigen weiter. Ausserdem sind die Renditen berechenbar: Es sind die Mieten, die 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung jeden Monat überweisen. Würden sie stattdessen Häuser kaufen, wären die Renditen weg.
So einfach wird man allerdings nicht zum Wohneigentümer. Dafür sorgt die ungebrochene Teuerung. «Die Preise sind deutlich stärker gestiegen als die Reallöhne», sagt Marie Seiler (39), Leiterin Immobilienberatung bei PwC. «Eigentum in der Schweiz ist teuer.»
Mindestens ebenso wirkungsvoll ist der kalkulatorische Zinssatz der Banken. Obwohl der so tief liegt wie nie: Wer einen Hypothekarkredit aufnimmt, muss fünf Prozent davon aus seinem Einkommen tragen können. Gerade für junge Interessenten ist diese Hürde meist zu hoch. «Wie wenn man vor einer Zuckerbäckerei steht», sagt Iazi-Chef Scognamiglio. «Aber einer mit dicken Scheiben!» Immerhin: Wer sich kein Haus leisten kann, darf sich auf die Mietpreisentwicklung freuen. Trotz steigender Leerwohnungsziffer werden immer mehr Mehrfamilienhäuser gebaut. 2020 ist in allen Regionen der Schweiz mit sinkenden Mieten zu rechnen.
Konkursrisiko für Hypothekarnehmer steigt
Mit dem Bauboom steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Immobiliencrashs. Das ungebrochen wachsende Hypothekarvolumen in der Schweiz hat das Rekordniveau von knapp 1,1 Billionen Franken erreicht. Viele Hausbesitzer sind bis unters Dach verschuldet. Ihnen rät Immobilienexperte Scognamiglio dringend zur Aufstockung der Eigenmittel: «Wenn die Zinsen steigen und die Immobilienpreise fallen, droht der Privatkonkurs.»
Diese gefährliche Entwicklung spitzt sich zu. Zuletzt wurde das am Iazi-Immobilienkongress deutlich, der am Mittwoch in Bern stattfand. Ökonom Klaus Wellershoff (55) diagnostizierte dort: «Die Finanzmärkte werden immer riskanter.» Gleich mehrere Referenten nahmen die Schweizerische Nationalbank ins Visier. Die Tiefzinspolitik sei nicht nachhaltig, kritisierten Antoinette Hunziker (58), Verwaltungsratspräsidentin der Berner Kantonalbank, und Marianne Wildi (54), CEO der Hypothekarbank Lenzburg.
Auch Mark Branson (51), Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma (siehe rechts), ist über das enorme Hypothekarvolumen beunruhigt. Er meint vor allem das Risiko im Bereich der Renditeliegenschaften: «Der Markt ist besorgniserregend» – jener Markt, auf den die Pensionskassen immer stärker setzen. «Im europäischen Vergleich ist das einzigartig», sagt PwC-Expertin Seiler. «Nirgends sonst setzen institutionelle Anleger so stark auf Mehrfamilienhäuser.»
Viele Hausbesitzer haben Klimwandel verschlafen
Doch nicht nur die Zinsen beeinflussen den Immobilienmarkt. Auch der Klimawandel tut seine Wirkung. «Er wird den Immobiliensektor sehr viel Geld kosten», sagt Marie Seiler. «Viele Teilnehmer haben diese Entwicklung verschlafen. Sie müssen umstellen und Investitionen tätigen.» In der Tat: In 65 Prozent aller Schweizer Häuser wird heute mit Öl oder Gas geheizt – und mit der Revision des CO2-Gesetzes ist eine Erhöhung der Abgabe auf 210 Franken pro Tonne CO2 denkbar. Das trifft vor allem die Besitzer ungenügend sanierter Häuser in ländlichen Gebieten. Sie verbrauchen sehr viel Heizöl. Scognamiglio: «Ein Wertverlust solcher Immobilien ist wahrscheinlich.»
Druck baut sich auch jenseits der Grenzen auf: «Grosse Ratingagenturen und Finanzanalysten wie Bloomberg fokussieren immer stärker auf Nachhaltigkeit», sagt Immobilienexpertin Seiler. «Für Schweizer Pensionskassen kann der Wind rauer werden, wenn die heute diskutierten Empfehlungen auch in der Regulierung umgesetzt werden.» Dennoch investieren die Pensionskassen weiter. Dennoch steigt das Risiko. Nur wann der Crash kommt, weiss niemand.
Sicher ist: Bis dahin zahlen die Mieter die Rendite.