Seit ein paar Tagen sorgt die Migros mit einem neuen Pilotprojekt für Aufsehen. Auf dem Gebiet der Genossenschaft Migros Aare testet der Detailhändler personalisiertes Einkaufen – nicht im Laden, sondern am Computer und via Smartphone und Tablet.
Dazu wertet das Unternehmen Daten von Kunden aus, die am Treueprogramm Cumulus teilnehmen. «Mit My Migros erprobt der Gigant gerade in Bern im Geheimen eine neue Art von Onlineshop für Lebensmittel», schreibt das Fachportal «Etailment.de» über das, was bis anhin durch die Detailhändlerin nicht bekannt gemacht worden war. Der Kreis der Testkunden sei klein (etwa 200 Personen) und auf den Raum Bern beschränkt.
Regelmässig Gekauftes kommt im Shop oben
Im Unterschied zum Migros-Supermarkt Leshop.ch würden im neuen Onlineshop My Migros den Testkunden nur jene relevanten Produkte angezeigt, die seine Cumulus-Daten hergeben, heisst es weiter.
In einem Communiqué, das die Migros Aare auf ihrer Website nun aufschaltete, gibt es weitere Details zum Kundendaten-Test: Seit Ende August experimentiert die grösste Genossenschaft des Migros-Imperiums mit My Migros, den nach eigenen Angaben «ersten 100-prozentig personalisierten Onlineshop für Lebensmittel, der mitdenkt».
Auf Basis der Cumulus-Daten aus den letzten zwölf Monaten werde Kunden ein auf sie persönlich abgestimmter Onlineshop mit individuellen Produktvorschlägen angezeigt. «Die Reihenfolge der Artikel ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit, mit welcher die Kunden diese demnächst zuhause benötigen.»
Ein Beispiel: Kauft ein Testkunde häufig die gleichen Windeln im Online-Shop, bekommt er diese ganz oben im Shop angezeigt. Aber erst dann, wenn die zuvor bestellten Windeln aufgebraucht sind. Hier kommt ein Algorithmus ins Spiel, der den genauen Zeitpunkt anhand früherer Kaufdaten berechnet.
Algorithmen sorgen für Produktvorschläge
Die Algorithmen erkennen nicht nur Zeitpunkt und Regelmässigkeit der Einkäufe, sondern auch die Vorlieben der Kunden. Vorteil für die Kunden laut Migros: Blitzschnelles Einkaufen, sei es beim Bestellen oder der Lieferung nach Hause.
Das Feedback der Testkunden sei vielversprechend: «Über die Hälfte der Erstbesteller nutzt den Online-Shop erneut», heisst es. Währende der Testphase gibt es keine Mindestbestellmenge. Die Liefergebühr beträgt sieben Franken. Der Test läuft noch bis Ende April. Eine Ausweitung auf die ganze Migros-Welt ist wahrscheinlich.
Das Pilotprojekt passt in die Logik der Migros, wie ein Praxistest von BLICK über die Datensammlerei von Migros und Coop im letzten Jahr zeigte. Auch in früheren Jahren kritisierten Konsumentenschützer die Sammelwut.
SKS erwartet personalisierte Preise
Auch beim My-Migros-Projekt wird Kritik laut. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) spricht bereits von personalisierten Preisen, obwohl bei der Migros Aare davon noch nicht die Rede ist: «Sobald genügend Datenmaterial vorhanden ist, befähigt ein solches Format den Händler, für jede Kundin und jeden Kunden für jedes Produkt individuell denjenigen Preis zu berechnen, den er oder sie maximal zu zahlen bereit ist», sagt SKS-Mann Alex von Hettlingen.
Mit anderen Worten: «Der Preis für den genau gleichen Warenkorb ist für den freigebigeren Kunden höher als für den knausrigen, bei beiden wird es aber teurer», glaubt von Hettlingen. «My Migros» berechne den Pilotkunden offenbar noch keine individualisierten Preise. «Doch langfristig wird sich die Migros dieses ausgezeichnete Geschäft nicht entgehen lassen», ist von Hettlingen überzeugt.
Migros Aare kontert Konsumentenschützern
«Diese Aussage ist falsch und entbehrt jeglicher Grundlage. Dynamische Preise werden bei der Migros Aare nicht praktiziert», versichert Andrea Bauer, Sprecherin der Migros Aare. Bei «My Migros» gehe es überhaupt nicht um dynamische Preise, sondern darum, «den Testkunden aufgrund ihrer Cumulus-Daten der letzten zwölf Monate einen auf sie persönlich abgestimmten Onlineshop mit individuellen Produktvorschlägen anzuzeigen».
Und was ist mit dem Datenschutz? Hier befürchtet der Konsumentenschutz: «Die Profile, welche in My Migros erstellt werden, lassen Rückschlüsse auf höchstprivate Angelegenheiten zu. Beispielsweise lässt sich aus den Einkaufsdaten schliessen, mit welcher Krankheit ein Kunde zu kämpfen hat.» Von Hettlingen empfiehlt den Kunden generell, ihre Daten sehr bewusst und sparsam preiszugeben. Am besten sei der Verzicht auf Kundenkarten.
«Datenschutz hat für die Migros oberste Priorität», versichert Sprecherin Berg. «Die Datenschutzrichtlinien werden in allen Belangen eingehalten.»
Noch ist My Migro lediglich ein Pilotprojekt, dazu noch mit einer geschlossenen Nutzergruppe. Doch der aktuelle Wirbel darum lässt erahnen was passiert, wenn das Projekt über die Genossenschaftsgrenzen der Migros Aare ausgeweitet werden würde.