Neue Spritze bald auf dem Markt – eine Million Schweizer können aufatmen
Endlich Hilfe gegen Migräne!

Wer unter Migräne leidet, kann auf ein neues Medikament hoffen. Die Schweizer Zulassung dafür dürfte Novartis bald bekommen. Eine einzige Spritze kostet fast 600 Franken. Neurologen sprechen von einem grossen Wurf, um dem Volksleiden vorzubeugen.
Publiziert: 28.06.2018 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 09:15 Uhr
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Aimovig ist in den USA bereits im Verkauf. Die Migräne vorbeugende Spritze von Novartis kostet fast 600 Dollar und muss monatlich unter die Haut gespritzt werden.
Foto: zVg
Ulrich Rotzinger

Wenn sie zuschlägt, hilft nur noch Rückzug. Ruhe, ein dunkles Zimmer. Oft auch das WC, denn mehrmaliges Erbrechen ist die Regel. Migräneattacken kommen unerwartet. Schlimme Kopfschmerzen, die Schläfe pocht – ein Albtraum, der für viele Menschen Wirklichkeit ist. Sie beeinträchtigt den Alltag massiv.

Die Mehrheit (60 Prozent) der Angestellten, die an schwerer Migräne leiden, fehlt im Schnitt eine volle Arbeitswoche pro Monat! Die Arbeitsproduktivität von Migränepatienten ist auf den gesamten Job betrachtet um die Hälfte reduziert.

Das sind Erkenntnisse einer neuen Studie, deren Resultate der Basler Pharmakonzern Novartis und die Europäische Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (EMHA) gestern veröffentlicht haben. Es soll die grösste jemals durchgeführte globale Studie sein. Über 11'200 Erwachsene aus 31 Ländern nahmen teil. Sie alle werden monatlich mindestens an vier Tagen von Migräne heimgesucht.

Häufig betroffen zwischen 35. und 45. Lebensjahr

Aus der Studie geht auch hervor: Migräneattacken häufen sich in den Berufsjahren, in denen Erwerbstätige am produktivsten sind. Konkret: zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Von den Studienteilnehmern und Migränebetroffenen sind drei Viertel Frauen. 65 Prozent der Teilnehmenden sind verheiratet. Fast 40 Prozent gaben an, dass Migräne ihr Leben seit 16 Jahren oder länger beeinträchtige.

Pikant: Obwohl die Mehrheit der Arbeitgeber (63 Prozent) von Migränepatienten um deren Leiden weiss, hilft und unterstützt nicht einmal jeder fünfte Arbeitgeber die Betroffenen. Dabei, so heisst es in der Novartis-Studie, verursacht die Migräne Milliardenkosten für die Gesellschaft. In Europa bewegen sich diese zwischen 18 und 27 Milliarden Euro, umgerechnet 20 bis 30 Milliarden Franken. In den USA werden sie auf rund 20 Milliarden Franken geschätzt. Darin sind jeweils indirekte Kosten wie zum Beispiel verlorene Produktivität enthalten.

Novartis-Spritze für fast 600 Franken

Novartis hat in der Schweiz ein Pilotprogramm für Migränebetroffene lanciert und hilft Angestellten, besser mit ihrem Migräneleiden umzugehen. Der Zeitpunkt der Studienveröffentlichung ist geschickt gewählt: Der Pharmamulti lenkt damit nämlich die Aufmerksamkeit auch auf seine eigene Produkte-Pipeline.

Novartis befindet sich mit einem neuen Hightech-Medikament gegen das Volksleiden Migräne im Zulassungsverfahren. Die USA haben schon grünes Licht gegeben für die fast 600 Franken teure Spritze. Eine solche müssen sich Patienten einmal monatlich unter die Haut spritzen.

Der Therapie mit der sogenannten Aimovig-Spritze wird Blockbuster-Potenzial attestiert. Analysten erwarten einen jährlichen Spitzenumsatz von 1,5 Milliarden Franken allein im US-Markt.

In Europa dürfte die Zulassung spätestens im September vorliegen. Erhält die Spritze in der Schweiz ebenfalls 2018 noch grünes Licht? «Wir haben die Zulassung von Aimovig beantragt», sagt ein Novartis-Sprecher zu BLICK. Über ein Datum wolle man nicht spekulieren.

Die Ärzteschaft kann die Zulassung kaum erwarten. «Das ist das erste spezifische Medikament für die Migräneprophylaxe ohne wesentliche Nebenwirkungen», freut sich Jens Petersen (42), Neurologe am Universitätsspital Zürich. «Ein echter Durchbruch, viele Betroffene werden profitieren.»

Die besten Ratschläge

Die unterschätzte Volkskrankheit Migräne hat genetische Ursachen und ist darum auch nicht definitiv heilbar. Aber mit Medikamenten, Änderungen im Lebensstil oder Komplementärtherapien lässt sie sich in Schach halten. «Genug Schlaf, aber nicht zu viel, weniger Stress, massvoll Sport und gesunde Ernährung», rät Migränespezialist Reto Agosti vom Kopfwehzentrum der Hirslanden-Klinik. Vorbeugend helfen könnten auch Nahrungsmittelzusätze, Magnesium und Vitamin B2. Wer mindestens einmal pro Woche eine Migräne hat, sollte zur Prophylaxe greifen. «Aber wenn sich eine Attacke ankündigt, zackig die Medikamente einnehmen, warten bringt nichts», sagt Agosti. Gemeint sind rezeptfreie Schmerzmittel aus der Apotheke. Nur mit ärztlich verordneten Tabletten, Spritzen oder Nasensprays lasse sich die Migräneattacke auch nach dem Beginn noch lindern.

Die unterschätzte Volkskrankheit Migräne hat genetische Ursachen und ist darum auch nicht definitiv heilbar. Aber mit Medikamenten, Änderungen im Lebensstil oder Komplementärtherapien lässt sie sich in Schach halten. «Genug Schlaf, aber nicht zu viel, weniger Stress, massvoll Sport und gesunde Ernährung», rät Migränespezialist Reto Agosti vom Kopfwehzentrum der Hirslanden-Klinik. Vorbeugend helfen könnten auch Nahrungsmittelzusätze, Magnesium und Vitamin B2. Wer mindestens einmal pro Woche eine Migräne hat, sollte zur Prophylaxe greifen. «Aber wenn sich eine Attacke ankündigt, zackig die Medikamente einnehmen, warten bringt nichts», sagt Agosti. Gemeint sind rezeptfreie Schmerzmittel aus der Apotheke. Nur mit ärztlich verordneten Tabletten, Spritzen oder Nasensprays lasse sich die Migräneattacke auch nach dem Beginn noch lindern.

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