Die Schweiz ist ein Arbeitgeberparadies! Es herrscht Fachkräftemangel und beinahe Vollbeschäftigung, das hiesse theoretisch, die Arbeitnehmer könnten mehr Lohn fordern. Tun sie aber nicht, weit über die Hälfte (59 Prozent) der Arbeitnehmer sind mit der aktuellen Lohnsituation tendenziell zufrieden.
Das zeigt die Lohnzufriedenheitsstudie 2019 der Forschungsstelle Sotomo. Auffallend: 56 Prozent der Befragten finden, sie hätten etwas mehr Lohn für ihre Arbeit verdient. Gemessen an ihrer Leistung und ihrer Position.
Das klingt unlogisch, doch Michael Hermann (47), Geschäftsführer von Sotomo, hat dafür eine plausible Erklärung: «Der Leidensdruck bei vielen ist nicht besonders hoch. Sie hätten zwar gerne etwas mehr Lohn, gehen dafür aber nicht auf die Barrikaden.»
Im Auftrag des Onlineportals jobs.ch in Zusammenarbeit mit BLICK hat die Forschungsstelle Sotomo eine schweizweite Umfrage zur Lohnzufriedenheit durchgeführt. Dabei wurden zwischen dem 17. und 22. Mai über 10'000 Personen befragt. Die Grundgesamtheit bildet die erwerbstätige Bevölkerung der Schweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren.
Im Auftrag des Onlineportals jobs.ch in Zusammenarbeit mit BLICK hat die Forschungsstelle Sotomo eine schweizweite Umfrage zur Lohnzufriedenheit durchgeführt. Dabei wurden zwischen dem 17. und 22. Mai über 10'000 Personen befragt. Die Grundgesamtheit bildet die erwerbstätige Bevölkerung der Schweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren.
Die Frauen sind unzufrieden
Ein vertiefter Blick in die Studie zeigt allerdings, dass die Lohnzufriedenheit je nach Alter und Geschlecht deutlich variiert. Vor allem ältere Arbeitnehmer und Männer sind eher zufrieden mit dem Betrag, der jeden Monat aufs Lohnkonto fliesst.
Knapp die Hälfte der Frauen dagegen sieht das anders, ist mit der aktuellen Lohnsituation nicht zufrieden. Ein gutes Zeichen findet Hermann: «Frauen nehmen ihr Schicksal nicht mehr einfach so hin. Es entwickelt sich immer mehr das Bewusstsein, dass sie zu kurz kommen.»
Was ein «guter Lohn» sei, wollten die Studienautoren von den Befragten wissen. Frappant: Frauen haben da andere – tiefere – Vorstellungen als die Männer. «Für den typischen Mann liegt ein guter Lohn bei 100‘000 Franken. Für eine typische Frau sind es 90‘000 Franken», heisst es in der Studie. «Es gibt eben wirklich typische Frauenberufe», erläutert Hermann, «das heisst, Berufe mit tieferem Lohnniveau und weniger gesamtgesellschaftlicher Wertschätzung.»
In der Pflege brodelt es
Wie zufrieden die Angestellten mit dem Lohn sind, hängt stark von der Branche ab, in der sie tätig sind: Den Informatikern ist es am wohlsten mit ihrer Entlöhnung, ganz in Gegensatz zu den Pflegenden. Die sind richtig sauer, 58 Prozent der Befragten sind mit der Bezahlung unzufrieden: «Schon heute können Stellen wegen des Fachkräftemangels nicht mehr besetzt werden, der Druck steigt», sagt Yvonne Ribi (43), Geschäftsführerin des Schweizer Branchenverbands Pflegefachpersonen SBK. «Da stimmt der Lohn nicht mehr mit dem überein, was die Pflegenden tagtäglich leisten.»
Nur: So einfach lässt sich dieser Missstand nicht beheben, das Gesundheitswesen ist eine stark regulierte Branche. «Das ist ein strukturelles Problem», erklärt Ribi. «Die Institutionen müssten für die Pflegeleistungen mehr Geld erhalten, das sie dann in genügend gut ausgebildetes Personal investieren sollten.» Unter anderem darauf zielt die sogenannte Pflege-Initiative ab, die 2017 eingereicht wurde. Im Moment ist ein indirekter Gegenvorschlag der Gesundheitskommission des Nationalrats in der Vernehmlassung.
Doch auch in anderen Branchen ist die Unzufriedenheit gross, etwa in der Gastronomie oder im Verkauf, klassische Tieflohnbranchen: «Das sind personalintensive Branchen mit tiefen Margen», sagt Hans-Ulrich Bigler (61), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. Das heisst, die Personalkosten sind hoch, der Spielraum für mehr Lohn ist entsprechend eingeschränkt.»
Biglers Tipp: «Wenn jemand mit dem Arbeitsumfeld – und eben auch dem Lohn – nicht zufrieden ist, dann soll diese Person das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen.»
Frauen fordern bessere Bezahlung
Das ist allerdings nicht so einfach beziehungsweise nicht immer von Erfolg gekrönt, wie die Studie zeigt (siehe Grafik): Vor allem die Jungen trauen sich, mehr Lohn zu verlangen, wenn sie mit der Bezahlung nicht zufrieden sind: «Die Jungen sind hungriger und leistungsbereiter als viele annehmen», so Hermann. Je älter, desto länger liegt die letzte Forderung nach mehr Lohn zurück! Auch hier: Frauen pochen weniger darauf als Männer, mehr Lohn einzufordern. Und falls sie es doch tun, ist ihre Erfolgsquote deutlich geringer. Nur ein Viertel der Frauen erhält das, was sie verlangt haben, bei den Männern ist es über ein Drittel.
Die grössten Lohnsprünge gibts bei einem Jobwechsel. Es gilt, sich bei einem neuen Arbeitgeber so teuer wie möglich zu verkaufen: Auch eine Männerdomäne, in der Frauen grosses Aufholpotenzial haben (siehe Grafik), sie verkaufen sich viel zu häufig unter ihrem Wert.
Das hat einen Grund: «Je mehr jemand verdient, desto erfolgreicher ist die Person bei Lohnverhandlungen», weiss Herman, «das hat auch mit Selbstbewusstsein zu tun. Das ist ein Teufelskreis, den vor allem Frauen erst durchbrechen müssen.»
Das heisst also, vor allem als Frau lieber mal mehr Bezahlung beim neuen Job einfordern, als sich später jahrelang über einen zu tiefen Lohn zu ärgern!