Deutschland will den Ansturm von Schweizer Einkaufstouristen bremsen. Der Flut grüner Zettel mit einer sogenannten Bagatellgrenze den Garaus machen. Diesen Mittwoch wird das deutsche Kabinett die Einführung einer Wertgrenze von 50 Euro (umgerechnet gut 55 Franken) beschliessen. Diese soll ab Januar 2020 gelten. Das berichtet die deutsche Regionalzeitung «Südkurier» unter Berufung auf einen «hohen Beamten aus dem Ministerium».
Bislang konnten sich Schweizer für jeden Mini-Einkauf, sei es auch nur für ein paar Franken, mit einem grünen Ausfuhrschein die deutsche Mehrwertsteuer von 19 Prozent zurückholen. Jetzt also stutzt das Finanzministerium das Mehrwertsteuerprivileg der Schweizer beim Deutschland-Shopping.
Der Bericht wurde inzwischen in deutschen Regierungskreisen bestätigt. Mit der Wertgrenze soll vor allem der deutsche Zoll entlastet werden, der für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer einen hohen bürokratischen Aufwand betreiben muss, wie es heisst.
Nur für teurere Einkäufe Mehrwertsteuer zurück
Doch was heisst das nun genau für Schweizer, die im benachbarten Deutschland Einkäufe tätigen? Künftig bekommen Schweizer die deutsche Mehrwertsteuer nur dann zurück, wenn der Rechnungsbetrag auf dem jeweiligen grünen Ausfuhrschein den Betrag von 50 Euro übersteigt. Beträge darunter sind künftig von der Rückerstattung ausgenommen.
«Wir gehen davon aus, dass aktuell etwa ein Drittel aller Einkäufe unter der Schwelle von 50 Euro liegt», sagt Claudius Marx zu BLICK. Der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer IHK Hochrhein-Bodensee erwartet nun einen Rückgang der Bescheinigungsverfahren mit den grünen Zetteln, «aber auch der Schweizer Kundenfrequenzen von bis zu 25 Prozent». Das entspricht rund fünf Millionen Abstempelungen der grünen Mehrwertsteuer-Zettel pro Jahr. 2018 liessen sich Schweizer insgesamt 15,9 Millionen Ausfuhrscheine abstempeln. Das ist etwas weniger als in den Rekordjahren zuvor (siehe Grafik).
Jubeln nun Schweizer Detailhändler?
Trotz künftig fehlender Umsätze aus dem Nachbarland sei die Bagatellgrenze von deutschen Detailhändlern der Grenzregion «weitgehend» akzeptiert. Man sei froh, dass das deutsche Finanzministerium die Wertgrenze von zunächst 175 Euro auf 50 Euro gesenkt habe, sagt Marx. Potenziell wären 80 Prozent der Schweizer Einkäufe von der höheren Wertgrenze betroffen gewesen.
Offen sei, wie sich die Eidgenossen auf das neue Steuerregime einstellen. Laut Marx sei es gut möglich, dass die Schweizer ihr Einkaufsverhalten anpassen und einfach höhere Beträge beim Shoppen ausgeben. Das wiederum würde den Schweizer Detailhändlern gar nicht gefallen. So oder so: Sie dürfte der Richtungsentscheid in Deutschland, sprich die Einführung der Bagatellgrenze, freuen.
«Die Einführung einer Bagatellgrenze ist grundsätzlich zu begrüssen», sagt Aron Gfrörer von der IG Detailhandel, zu der etwa Coop, Migros, Denner und Manor gehören. 50 Euro seien jedoch eine sehr bescheidene Grenze. «Ähnlich bescheiden dürfte die Wirkung auf das Verhalten von Konsumentinnen und Konsumenten sein, die in Deutschland einkaufen. Den Einkaufstourismus werden diese 50 Euro nicht bremsen», sagt Gfrörer.