Nach Weko-Razzia – Zahlen Schweizer mit dem Handy?
«Twint ist mir zu mühsam»

Die Wettbewerbskommission (Weko) hat eine Untersuchung wegen des mutmasslichen Boykotts von Apple und Samsung Pay eröffnet. Eine BLICK-Umfrage zeigt, Apple Pay steht momentan auf verlorenem Posten. Doch auch Twint kann nicht nur jubeln.
Publiziert: 15.11.2018 um 18:24 Uhr
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Riccardo Keller (57), Vermögensverwalter: «In der Bäckerei zahle ich zum Beispiel mit Twint. Insgesamt nutze ich das Bezahlsystem vier bis fünf Mal in der Woche. Auch Apple Pay finde ich praktisch und nutze es, aber etwas weniger häufig.»
Foto: JESSICA KELLER
Julia Fritsche (Text), Jessica Keller (Fotos)

Die Schweizer Finanzwelt ist in heller Aufregung! Die Wettbewerbskommission (Weko) nimmt Schweizer Finanzinstitute ins Visier. Der Grund: Ein mutmasslicher Boykott mobiler Bezahllösungen wie Apple Pay und Samsung Pay. Sie hat deswegen Razzien bei Credit Suisse und UBS, der Postfinance sowie den Kreditkartenfirmen Swisscard und Aduno durchgeführt.

Die Weko will herausfinden, ob Schweizer Finanzinstitute untereinander Abreden getroffen haben, mobile Bezahllösungen internationaler Anbieter wie Apple Pay und Samsung Pay nicht zu unterstützen. Und so die Schweizer Lösung Twint zu bevorzugen. 

Nur unter Freunden

Wie sieht es in der Bevölkerung aus – was bevorzugen die Schweizer? BLICK hat sich auf der Strasse umgehört. Viele der Befragten nutzen weder Twint noch Apple Pay. Sie setzen auf Bargeld, Kredit- oder Debitkarte. Die wenigsten haben Sicherheitsbedenken. Grund für ihre Twint-Ablehnung ist vielmehr, dass ihnen der Service keinen Zusatznutzen bietet.

Ein typischer Twint-Nutzer ist Jannis De Giorgi (28), Büro-Administrator: «Im Freundeskreis nutze ich Twint im Schnitt einmal in der Woche.» Auch Fiona Meier* (27), Beraterin, nutzt Twint fast nur im Freundeskreis. Dort dient die Bezahllösung dazu, Rechnungen untereinander aufzuteilen. Im Geschäft dagegen bezahlen sie und auch ihr Begleiter praktisch nie mit Twint. Kontaktloses Bezahlen mit der Karte sei viel schneller.

Keine Totalabsage für Apple Pay

Eine Chance hat Twint von Sandra Wong (47) bekommen. Erst vor Kurzem hat sie die Bezahllösung installiert. Aber schon hätte sie sich an ihre Bank wenden müssen, weil etwas nicht funktionierte, sagt Wong und schüttelt den Kopf. Auch Andrew V.* hat keine besonders guten Erfahrungen mit Twint gemacht. Trotzdem überlegt er sich, wieder damit anzufangen. Schliesslich würden die meisten seiner Kollegen die App nutzen.

Apple Pay hat auf Zürichs Strassen kaum eine Chance. Nur zwei der Befragten nutzen die Bezahllösung des US-Techriesen. Möglicherweise aber kommt die Zeit von Apple Pay aber noch. Denn viele gaben an, sich bisher einfach noch nicht damit beschäftigt zu haben. Grundsätzlich abgeneigt ist niemand.

So funktioniert mobiles Twint-Bezahlen

Wer kontaktlos mit dem Smartphone einkaufen will, braucht dazu eine Bezahl-App. Zum Beispiel: Apple Pay. Ein Doppelklick und bezahlt ist. Etwas länger braucht man mit der Twint-App oder jener der jeweiligen Hausbank. Via App können sich Nutzer auch im Familienkreis oder mit anderen Personen gegenseitig Geld hin- und herschieben. Dazu müssen Nutzer Twint mit ihrem Bankkonto oder auch mit der Kreditkarte (je nach Anbieter) verbinden. Voraussetzung beim Smartphone ist das Betriebssystem iOS (ab iPhone 5 und iOS 10) oder Android (ab Version 5) und Bluetooth-Funktion (ab Version 4.0). Bei Kassen mit Beacon bzw. Twint-Terminal öffnet man die Handy-App und tippt auf «Jetzt bezahlen» – dabei müssen Bluetooth und Ortungsdienst aktiviert sein – und hält das Smartphone kurz hin. Existiert kein Beacon oder Terminal muss man die Twint-App öffnen und das QR-Code-Symbol antippen. Dann die Handy-Kamera auf den QR-Code an der Kasse oder Bildschirm richten. Nach erfolgreicher Zahlung gibts in der App eine Bestätigung. Zahlungen über die App werden direkt auf dem Bankkonto oder der Kreditkarte belastet.

Wer kontaktlos mit dem Smartphone einkaufen will, braucht dazu eine Bezahl-App. Zum Beispiel: Apple Pay. Ein Doppelklick und bezahlt ist. Etwas länger braucht man mit der Twint-App oder jener der jeweiligen Hausbank. Via App können sich Nutzer auch im Familienkreis oder mit anderen Personen gegenseitig Geld hin- und herschieben. Dazu müssen Nutzer Twint mit ihrem Bankkonto oder auch mit der Kreditkarte (je nach Anbieter) verbinden. Voraussetzung beim Smartphone ist das Betriebssystem iOS (ab iPhone 5 und iOS 10) oder Android (ab Version 5) und Bluetooth-Funktion (ab Version 4.0). Bei Kassen mit Beacon bzw. Twint-Terminal öffnet man die Handy-App und tippt auf «Jetzt bezahlen» – dabei müssen Bluetooth und Ortungsdienst aktiviert sein – und hält das Smartphone kurz hin. Existiert kein Beacon oder Terminal muss man die Twint-App öffnen und das QR-Code-Symbol antippen. Dann die Handy-Kamera auf den QR-Code an der Kasse oder Bildschirm richten. Nach erfolgreicher Zahlung gibts in der App eine Bestätigung. Zahlungen über die App werden direkt auf dem Bankkonto oder der Kreditkarte belastet.

Credit Suisse ist «überrascht»

Auch die Banken meldeten sich in der Sache zu Wort. Die Credit Suisse zeigte sich in einer Mitteilung überrascht über die Untersuchung. Sie ist überzeugt, dass sich die Vorwürfe als unbegründet erweisen werden. Denn: Über die 50-prozentige Tochtergesellschaft Swisscard biete die CS Konsumenten in der Schweiz bereits Zugang zu Apple Pay und Samsung Pay.

So verbreitet ist Twint

Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay oder Alipay: Es sind die internationalen Tech-Giganten, die beim mobilen Bezahlen den Ton angeben. Und zunehmend versuchen, auch im Schweizer Markt Kasse zu machen. Wohl wissend: In der reichen Schweiz telefonieren und surfen fast 92 Prozent mit einem Smartphone. Nur 5,5 Prozent nutzen noch ein einfaches Handy, der Rest verzichtet laut dem Beratungsunternehmen Deloitte ganz auf ein mobiles Telefongerät.

Tonangebend in der Schweiz ist Twint. Gut 73 Banken setzen auf die mobile Bezahllösung. Laut eigenen Angaben hat das Tochterunternehmen der BCV, Credit Suisse, Postfinance, Raiffeisen, UBS, ZKB und Six inzwischen über eine Million registrierte Nutzer. Laut Studie der Hochschule Luzern nutzen 13 Prozent der Schweizer die Bezahl-App Twint. Besonders beliebt sei der Dienst bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren.

Per 1. November kann in über 800 Migros-Filialen und Fachmärkten zusätzlich via QR-Code am Zahlterminal mit Twint bezahlt werden. Ab 5. Januar 2019 können auch die täglich über 1,26 Millionen Bahnkunden der SBB per Twint bezahlen, kündigte das Unternehmen unlängst an. Die Billettautomaten und Reisezentren sollen bis Mitte 2019 dafür bereit sein. Eine Auswahl weiterer Player, die auf Twint setzen: Coop, Nespresso, Ochsner Sport, Sprüngli und Chicorée. Das Bezahlsystem kommt auf über 75'000 Verkaufsstellen, die Twint inzwischen akzeptieren.

Allerdings: Die Schweizer Konsumenten nutzen kontaktloses Smartphone-Bezahlen noch äusserst verhalten. Der Umsatzanteil von mobilem Bezahlen liegt unter 2 Prozent. Das besagt eine Studie der ZHAW und Universität St. Gallen. Die Rede ist von einem grossen Potenzial: «Über 70 Prozent der befragten Nutzer könnten sich vorstellen, das mobile Bezahlen in den nächsten drei Jahren häufiger zu nutzen.» (uro)

Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay oder Alipay: Es sind die internationalen Tech-Giganten, die beim mobilen Bezahlen den Ton angeben. Und zunehmend versuchen, auch im Schweizer Markt Kasse zu machen. Wohl wissend: In der reichen Schweiz telefonieren und surfen fast 92 Prozent mit einem Smartphone. Nur 5,5 Prozent nutzen noch ein einfaches Handy, der Rest verzichtet laut dem Beratungsunternehmen Deloitte ganz auf ein mobiles Telefongerät.

Tonangebend in der Schweiz ist Twint. Gut 73 Banken setzen auf die mobile Bezahllösung. Laut eigenen Angaben hat das Tochterunternehmen der BCV, Credit Suisse, Postfinance, Raiffeisen, UBS, ZKB und Six inzwischen über eine Million registrierte Nutzer. Laut Studie der Hochschule Luzern nutzen 13 Prozent der Schweizer die Bezahl-App Twint. Besonders beliebt sei der Dienst bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren.

Per 1. November kann in über 800 Migros-Filialen und Fachmärkten zusätzlich via QR-Code am Zahlterminal mit Twint bezahlt werden. Ab 5. Januar 2019 können auch die täglich über 1,26 Millionen Bahnkunden der SBB per Twint bezahlen, kündigte das Unternehmen unlängst an. Die Billettautomaten und Reisezentren sollen bis Mitte 2019 dafür bereit sein. Eine Auswahl weiterer Player, die auf Twint setzen: Coop, Nespresso, Ochsner Sport, Sprüngli und Chicorée. Das Bezahlsystem kommt auf über 75'000 Verkaufsstellen, die Twint inzwischen akzeptieren.

Allerdings: Die Schweizer Konsumenten nutzen kontaktloses Smartphone-Bezahlen noch äusserst verhalten. Der Umsatzanteil von mobilem Bezahlen liegt unter 2 Prozent. Das besagt eine Studie der ZHAW und Universität St. Gallen. Die Rede ist von einem grossen Potenzial: «Über 70 Prozent der befragten Nutzer könnten sich vorstellen, das mobile Bezahlen in den nächsten drei Jahren häufiger zu nutzen.» (uro)

Swisscard zeigte sich denn auch verwundert, dass die Weko auch sie in ein Verfahren miteinbezog. Bei Swisscard können Kunden die mobilen Zahlungslösungen von Apple Pay (seit November 2016) und von Samsung Pay (seit August 2017) nutzen. Swisscard ist aber zuversichtlich, dass sich die Vorwürfe als haltlos erweisen werden.

Postfinance will mit Weko kooperieren

Auch bei der Postfinance sieht man der Untersuchung gelassen entgegen. Man kooperiere mit der Wettbewerbsbehörde, teilte die gelbe Bank mit. Weiter: «Postfinance ist überzeugt, nicht gegen das schweizerische Kartellrecht verstossen zu haben.» Postfinance setzt auf die Bezahllösung Twint. Kein Wunder: Die Twint-App wurde ursprünglich von Postfinance entwickelt.

Die UBS mag die laufenden Untersuchungen nicht kommentieren. Die Grossbank hält aber fest, dass sie schon 2016 versucht habe, sich mit Apple Pay über eine Nutzung der UBS-Kreditkarten zu einigen. «Obwohl wir mehrere Alternativen angeboten haben, konnte mit Apple Pay leider keine Einigung zur Zusammenarbeit gefunden werden», heisst es vom Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz.

Apple selbst im Weko-Visier

Behindert Apple selbst den Bezahl-Wettbewerb in der Schweiz? Vorwürfe gibt es schon seit längerem. Im Jahr 2016 reichte der Konsumentenschutz Klage gegen den US-Konzern bei der Wettbewerbsbehörde Weko ein. Grund: Der Technikriese blockiert anderen Anbietern bei seinen iPhones den Chip-Zugriff zur Kurzfunktechnologie NFC, die die schnellste und einfachste Technologie zum kontaktlosen Bezahlen ist. Die NFC-Schnittstelle beansprucht Apple exklusiv für den eigenen Handybezahldienst Apple Pay. Twint muss deshalb auf das Einlesen von QR-Codes oder die Bluetooth-Übertragungstechnik ausweichen. Das verlängert den Bezahlvorgang deutlich. Das Verfahren gegen Apple sei fortgeschritten, sagt Weko-Vize Olivier Schaller, ein Entscheid jedoch noch nicht gefallen. Twint rechnet in Kürze mit einem solchen. 

Behindert Apple selbst den Bezahl-Wettbewerb in der Schweiz? Vorwürfe gibt es schon seit längerem. Im Jahr 2016 reichte der Konsumentenschutz Klage gegen den US-Konzern bei der Wettbewerbsbehörde Weko ein. Grund: Der Technikriese blockiert anderen Anbietern bei seinen iPhones den Chip-Zugriff zur Kurzfunktechnologie NFC, die die schnellste und einfachste Technologie zum kontaktlosen Bezahlen ist. Die NFC-Schnittstelle beansprucht Apple exklusiv für den eigenen Handybezahldienst Apple Pay. Twint muss deshalb auf das Einlesen von QR-Codes oder die Bluetooth-Übertragungstechnik ausweichen. Das verlängert den Bezahlvorgang deutlich. Das Verfahren gegen Apple sei fortgeschritten, sagt Weko-Vize Olivier Schaller, ein Entscheid jedoch noch nicht gefallen. Twint rechnet in Kürze mit einem solchen. 

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