Marode Erb-Villa wird für 2,9 Millionen versteigert
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Nach heftigen Tumulten
Marode Erb-Villa wird für 2,9 Millionen versteigert

Die Villa Wolfensberg der Familie Erb in Winterthur hat einen neuen Besitzer. Eine einheimische Immobilienfirma hat nach einer hektischen Versteigerung den Zuschlag erhalten.
Publiziert: 20.02.2020 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2020 um 15:06 Uhr
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Der Familienwohnsitz der Familie Erb hat 13 Zimmer, einen Pool und eine Kegelbahn.
Foto: Patrik Berger
Dorothea Vollenweider und Patrik Berger

Eines der letzten Objekte aus der Konkursmasse der Unternehmerfamilie Erb kam am Nachmittag unter den Hammer: Die Villa Wolfensberg hoch über Winterthur ZH. Es ist das Anwesen des Auto-Unternehmers Hugo Erb (1918–2003). Dort lebte er mit seiner Familie bis zu seinem Tod 2003. Seither steht die geschichtsträchtige Villa leer.

Es ist eine hektische Versteigerung! Bei 2,6 Millionen Franken erhält ein Bieter den Zuschlag. Oder doch nicht? Der zweite verbliebene Interessent reklamiert lautstark, dass der Beamte noch nicht «zum Dritten» gerufen habe. Im Publikum kommt es zu lauten Zwischenrufen. Die Stimmung ist aufgeheizt, droht zu kippen. Der Vorstehende der Versteigerung schreitet ein. Er habe «zum Dritten» ebenfalls nicht gehört. Der Moderator habe jedoch sehr viel Zeit zum Bieten gegeben.

Für 2,9 Millionen versteigert

Dann kommt es zum Unterbruch! Die Verantwortlichen besprechen, wie es weitergehen soll. Zehn Minuten später geht es dann auch tatsächlich weiter mit der Versteigerung. Dann fällt der Hammer wirklich zum dritten Mal. Die Villa geht für 2,9 Millionen Franken an die Winterthurer Immobilienfirma Leemann + Bretscher.

Eigentümer Robert Hofer ist verärgert darüber, dass er den Zuschlag nicht schon bei 2,6 Millionen Franken erhalten hat. «Mir ist es wichtig, dass das Anwesen in Winterthurer Händen bleibt», sagt er. Was er damit mache, wisse er noch nicht. Seine Frau habe ihm gesagt, er solle den Mist bloss nicht kaufen. Hofer hat mit den Söhnen von Hugo Erb die Schule besucht und war mit der Familie befreundet.

Das grosse Thema bleiben aber die Tumulte. Zuschauer Rasom Georges aus Winterthur sagt: «So etwas darf nicht vorkommen! Eine Versteigerung mit Hindernissen. Ich habe schon an einigen Versteigerungen teilgenommen, so etwas habe ich noch nie erlebt!»

Drei Jahre lang ein Ladenhüter

Im Februar 2017 noch war der Familiensitz der Erbs im Internet zum Verkauf ausgeschrieben. Für 2,95 Millionen Franken. Fast drei Jahre lang war kein Investor bereit, so viel zu bieten.

Die Eckdaten des Liebhaberobjekts sind beeindruckend: 6000 Quadratmeter Grundstücksfläche, 13 Zimmer, Swimmingpool und sogar eine eigene Kegelbahn – früher der Inbegriff für puren Luxus. Dazu ein wunderbar verwunschener Park, der im Inventar der schutzwürdigen Gärten steht. Das Haus ist nicht geschützt, ein Käufer dürfte es also abreissen lassen – und die bestehende Wohnfläche so um bis zu 100 Quadratmeter erweitern.

Doch es gibt einen Haken: Das Haus ist in höchstem Grade sanierungsbedürftig. Zum letzten Mal wurde die Villa 1956 umgebaut. Die Verkaufsdokumentation des Anwesens, die BLICK vorliegt, zeigt auf, wie hoch die Kosten sind, die auf den Meistbietenden zukommen werden: Rund 830'000 Franken kostet die Instandsetzung des Terrassengartens.

Für die gesamten Aussenanlagen samt Swimmingpool kommen weitere 1,74 Millionen Franken dazu. Die Erneuerung von Werkleitungen und Wasserfassung belaufen sich auf 600'000 Franken. Das dürfte defensiv geschätzt sein. Denn: Die Leitungen sind in einem erbärmlichen Zustand.

Eine bewegte Vergangenheit

Selbst die Kosten des Abrisses sind im Dokument kalkuliert. «Für den Rückbau der bestehenden Gebäude schätzen wir einen Aufwand von 270’000 Franken.» Auch diese Kosten muss der Käufer übernehmen.

Die Villa Wolfensberg hat eine bewegte Vergangenheit. Erbaut wurde sie 1937 von Kurt Schoellhorn (1894-1966), Spross der Haldengut-Brauerei-Dynastie. Hugo Erb hatte das Anwesen damals gekauft, weil er den eingesessenen Winterthurer Familien zeigen wollte, dass er auch einer von ihnen ist.

Rolf Erb hatte die Villa, in der er mit seinen beiden Brüdern aufgewachsen ist, im Jahr nach der Pleite des Firmenimperiums an seine damals einjährigen Zwillinge überschrieben. Er wollte die Liegenschaft so der Konkursmasse entziehen. Ohne Erfolg.

Zweitgrösste Firmenpleite der Schweiz

2003 ging das undurchsichtige Imperium der Erbs Konkurs. Die Gruppe hinterliess über sechs Milliarden Franken Schulden. Nach dem Konkurs der Swissair ist das bis heute die zweitgrösste Firmenpleite der Schweiz.

Am 8. April 2017 wurde Milliarden-Pleitier Rolf Erb (†65) von seiner Lebenspartnerin im Schloss Eugensberg in Salenstein TG tot aufgefunden. Er starb laut Obduktionsbericht an Herzversagen – als gebrochener Mann. Nur wenige Tage später hätte der Winterthurer wegen Betrugs und Urkundenfälschung sieben Jahre in den Knast müssen. Gegen dieses Verdikt hat er sich jahrelang mit allen Mitteln gewehrt. Vergebens.

Bereits versteigert wurden das Schloss Eugensberg, eine wunderbare Oldtimersammlung und mehrere Liegenschaften in Winterthur.

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