Die Rentenreform 2020 ist Geschichte. Ende September wurde sie auf dem Friedhof der gescheiterten Volksabstimmungen begraben. Die Probleme in der Altersvorsorge aber sind lebendiger denn je. In der zweiten Säule bei den Sammelstiftungen spuken sie derzeit besonders gfürchig.
Dabei muss man wissen: Es gibt zwei Arten von beruflicher Vorsorge. Als Arbeitnehmer hat man keine Wahl: Entweder ist man bei einer Pensionskasse angeschlossen, die von der eigenen Firma betrieben wird, oder die eigene Firma schliesst sich einer Sammelstiftung an: eine Pensionskasse für viele Firmen, die meisten von ihnen kleine und mittelgrosse Buden!
Sammelstiftungen drohen gegen die Wand zu fahren
Zwischen den Firmenpensionskassen und den Sammelstiftungen tut sich ein Graben auf. «Es gibt eine dramatische Trennung: Auf der einen Seite die Pensionskassen der Firmen», sagt Stefan Thurnherr (52), Vorsorgeexperte beim Vermögenszentrum (VZ), zu SonntagsBlick, «auf der anderen die Sammelstiftungen, die immer noch Zinssätze aus der Vergangenheit anbieten – und damit auf eine Wand zufahren.»
Konkret geht es um den Umwandlungssatz. Er bestimmt, wie viel Geld wir als Pensionierte ausbezahlt bekommen. Zum Beispiel: Wer bei der Pensionierung 100’000 Franken Pensionskassenkapital auf der hohen Kante hat, kriegt mit einem Umwandlungssatz von fünf Prozent pro Jahr 5000 Franken Rente ausbezahlt.
Die meisten Firmen haben reagiert. Sie haben die Umwandlungssätze nach unten korrigiert. Im Wissen darum, dass sonst für die heutigen Beitragszahler nichts mehr übrig bleibt. Ein Umwandlungssatz von gegen fünf Prozent ist heute bei den meisten Firmenpensionskassen die Regel.
Umwandlungssätze der Sammelstiftungen sind zu hoch
Nicht aber bei den Sammelstiftungen! «Sie befinden sich in einem Wettbewerb. Bieten sie schlechtere Bedingungen als die Konkurrenz, drohen Kunden abzuspringen», erklärt Thurnherr. Es ist wie beim beliebten Kinderspiel: Wer sich zuerst bewegt, verliert!
Umwandlungssätze von über sechs Prozent sind Standard – obwohl sich die kaum noch eine Kasse leisten kann. Eigentlich hätten die Sammelstiftungen längst Senkungsschritte einleiten sollen. Doch sie haben sich verzockt. «Die Sammelstiftungen haben gepokert: Sie gingen davon aus, dass die Rentenreform angenommen wird», sagt Thurnherr: «Im Zuge dieser Anpassung hätten sie eine Senkung rechtfertigen können. Jetzt kommen sie unter Druck. Das geben Kassenverantwortliche selber zu.»
Wer glaubt, dass nur eine Minderheit der Arbeitnehmer bei Sammelstiftungen angeschlossen ist, irrt! Immer weniger Firmen wollen eine eigene Pensionskasse betreiben und schliessen sich einer Sammelstiftung an. Laut der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) kommen 2,4 Millionen Arbeitnehmer bei Sammelstiftungen unter – das sind 60 Prozent der werktätigen Bevölkerung!
Senkungen werden hinausgeschoben
Immerhin: Die Gemini-Sammelstiftung hat angekündigt, den Umwandlungssatz zu senken. Schrittweise auf 5,6 Prozent im Jahr 2022. «Da die Sammelstiftungen dem Wettbewerb ausgesetzt sind, versucht man Senkungen möglichst hinauszuschieben», räumt die Pensionskasse ein. Andere Sammelstiftungen würden aber folgen, ist man bei Gemini überzeugt.
Die Sammelstiftung Asga, der 12’000 KMU und über 100’000 Versicherte angeschlossen sind, bietet nach wie vor 6,3 Prozent. Dies könne man sich leisten: «Wir wachsen und haben ein gutes Aktiven-Rentner-Verhältnis», heisst es. Doch auch die Asga sieht ein: «Massnahmen sind notwendig. Ein zu hoher Umwandlungssatz ist ein Systemrisiko.»