Auf den ersten Blick scheint alles beim Alten im Silicon Valley, Kalifornien. Wer es hier, im Epizentrum der Tech-Industrie, geschafft hat, zeigt seine Begeisterung über das eigene Tun mit grösster Selbstverständlichkeit. Philipp Stauffer (46) zum Beispiel, der kurz nach der Jahrtausendwende von Zürich in die USA übersiedelte und noch immer elektrisiert ist, wenn er über seine jüngsten Projekte berichtet.
Er hat sich als Start-up-Gründer einen Namen gemacht. Heute investiert er mit seiner Firma Fyrfly Venture Partners in die Ideen der nächsten Generation. Für viele Jungunternehmer, gerade aus der Schweiz, ist der gebürtige Winterthurer die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, aus einer Idee eine Firma zu formen. Stauffer gerät ob Stichwörtern wie DLT (Distributed-Ledger-Technologie), Bitcoin oder künstliche Intelligenz ins Schwärmen. «Was sich vor den Augen unserer Generation abspielt, ist schlicht historisch.» Der Welt stünde ein Umbruch bevor, an dessen Ende unsere Gesellschaft eine andere sein werde. Seine alte Heimat, so hofft er, werde dabei eine gewichtige Rolle spielen. Am Beispiel des Kantons Zug, eines Hafens für Kryptowährungen, sehe man, dass das Land hervorragende Standortbedingungen zu bieten habe.
Parlamentarier forderten Rechenschaft über die Rolle von Zuckerbergs sozialem Netzwerk
Der rasante Fortschritt, dem Zug den etwas übertriebenen Namen Cryptovalley verdankt, vollziehe sich, ob man nun wolle oder nicht. «Technologie ist nicht böse. Wenn, dann ist es der Mensch, der sie nutzt», sagt Stauffer während einer Spritztour durch das «Valley». Ja, manche hier seien zu wenig kritisch, wenn es darum gehe, die Folgen des eigenen Schaffens abzuschätzen. «Es ist eine Gratwanderung, niemand hier mag staatliche Eingriffe. Und doch wird es letztlich nicht ohne gehen.» Alles sei eine Frage des Masses.
Was Stauffer damit meint, liess sich vor wenigen Wochen beobachten, als der Gründer und Chef von Facebook, Mark Zuckerberg (33), vor dem amerikanischen Kongress antraben musste. Die Parlamentarier forderten Rechenschaft über die Rolle seines sozialen Netzwerks während der letzten Präsidentschaftswahlen. Die Firma Cambridge Analytica hatte Millionen von Facebook-Daten genutzt, um gezielt Wahlkampfwerbung für Donald Trump (71) zu betreiben.
Es steht mehr auf dem Spiel als das Image von Facebook
Zwar ist nicht klar, ob und in welchem Ausmass die Wahl dadurch beeinflusst wurde. Zuckerbergs Erfindung steht nun aber im Ruf, potenziell Demokratien zu beschädigen. «Da ist dem Zauberlehrling der Besen entglitten», so Stauffer nachdenklich. Aber: «Im Herbst wird ein Teil des Kongresses neu gewählt, 2020 stehen Präsidentschaftswahlen an. Bei Facebook und anderen führenden Technologiefirmen läuten nun die Alarmglocken.» Er denke, dass die Firmen nun alles daransetzen würden, rasch Lösungen zu finden.
Denn es steht mehr auf dem Spiel, als das Image von Facebook und Co. Sehr viel mehr sogar, wenn man Ted Rogers (44) zuhört, während er beim Mittagessen seinen Hamburger seziert. Rogers sitzt im Topmanagement von Xapo, einer Firma, die Bitcoins verwahrt und ihren Kunden quasi ein elektronisches Portemonnaie anbietet, um die Währung zu nutzen. Gespeichert werden Xapos Daten in einem Bunker in den Schweizer Alpen. Geführt wird die Firma nach wie vor von Kalifornien aus.
Unglaubliche Intensität des Konkurrenzkampfs
Der Amerikaner sieht die Revolution bereits im Gange, mit ungewissem Ausgang. «Nehmen Sie Bitcoin: eine Währung, frei von der Kontrolle einer übergeordneten Macht.» Rogers ist sich sicher, dass Bitcoins dereinst die Rolle übernehmen werden, welche Gold während zig Tausend Jahren im Wirtschaftsleben der Menschen gespielt habe. Noch schwanke der Wert der Währung extrem, aber das werde sich einpendeln. Vorbei dann die Zeiten, als Regierungen mit einem Federstrich ganze Ersparnisse vernichten konnten. Doch in Rogers Euphorie schwingt eine gehörige Portion Skepsis mit.
«Was mir aber Sorgen macht, ist, dass die Technologie uns entgleiten könnte. Es klingt wie Science-Fiction, aber die künstliche Intelligenz könnte dem Menschen bald einmal überlegen sein. Was dann?» In wenigen Jahren sei ein Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gebe.
Es sei die unglaubliche Intensität des Konkurrenzkampfs, welche die Innovationen im Silicon Valley beförderten. Man sei hier nicht an der Wall Street, die Leute würden einander helfen, man lege Wert auf diesen gemeinschaftlichen Spirit. Aber die radikale Selektion ist brutal in einem Umfeld, in dem vier von fünf Firmen die ersten paar Jahre nicht überleben.
Während diese Auslese die technische Entwicklung fördert und manchen Start-ups Milliarden beschert, bleibt die Reflexion zuweilen auf der Strecke. «Ich bin nicht sicher, ob wir uns genügend Zeit nehmen, um uns über die möglichen Konsequenzen der Innovation Gedanken zu machen.»
Viel Zeit dafür bleibt nach seiner Einschätzung nicht mehr. «Wir befinden uns auf einer Reise», so Rogers. «Hoffen wir, dass sie gut ausgeht.»