Migros-Chef fordert Mehrwertsteuer-Pflicht
Bolliger will Freibetrag für Einkaufstouristen streichen

Wenige Monate vor seinem Abgang als Migros-Chef lanciert Herbert Bolliger einen Plan, wie man die Folgen des Einkaufstourismus wirksam bekämpfen könnte.
Publiziert: 10.02.2017 um 09:03 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:12 Uhr
Seit 2005 ist Herbert Bolliger (63) Chef der Migros. Am meisten Veränderungen für den Handel brachte in diesen mehr als zehn Jahren die Digitalisierung und der Einkaufstourismus.
Foto: Keystone
Ulrich Rotzinger

Im Herbst tritt er zurück. Dennoch steigt Migros-Chef Herbert Bolliger (63) im Kampf gegen den Einkaufstourismus nun noch einmal in die Hosen.

Sein Vorschlag: Eine Mehrwertsteuer für alle Einkaufstouristen. «Aus Gründen der Steuergerechtigkeit finde ich, dass jeder Einkauf mehrwertsteuerpflichtig sein sollte», sagt Bolliger im Interview mit dem Branchenmagazin «Persönlich». Ob die höhere Mehrwertsteuer im Ausland an der Kasse oder die tiefere hier in der Schweiz bezahlt werde, solle jeder Konsument selbst entscheiden können.

Bislang gilt: Einkaufstouristen bekommen für die aus dem Ausland ausgeführten Waren die volle Mehrwertsteuer zurückerstattet. Bei Non-Food-Artikeln sind es in Deutschland stolze 19 Prozent. Hinzu kommt: Pro Person und Tag ist die Einfuhr eines Einkaufs von bis zu 300 Franken ganz von der Schweizer Mehrwertsteuer befreit.

Bolliger fordert gleich lange Spiesse: «Es ist doch ungerecht, dass diejenigen Konsumenten, die in der Schweiz einkaufen, Mehrwertsteuer bezahlen müssen, und diejenigen, die nach Deutschland fahren, sie zurückerstattet bekommen.»

Seit 2010 gehen immer mehr ins Ausland posten

Bis vor sechs Jahren war das kein Problem. Deutsche, Franzosen und Österreicher kamen in die Schweiz, um günstig einzukaufen. Detailhändler profitierten vom tiefen Frankenkurs. Seit 2010 verläuft der Einkaufstourismus in die Gegenrichtung. Jahr für Jahr kaufen mehr Schweizer im Euro-Ausland ein, Kaufkraft in Milliardenhöhe fliesst in ausländische Kassen. 

Bolliger nennt im Interview einen Steuerausfall von mindestens 400 bis 500 Millionen Franken – «ein beträchtlicher Betrag», so der Migros-Chef. «Wenn sich also die Konsumenten, die im Ausland eingekauft haben, für den in der Schweiz tiefen Mehrwertsteuersatz entscheiden würden, hätten wir eine halbe Milliarde mehr Einnahmen in der Bundeskasse.»

«Ueli Maurer soll Finger darauf halten»

Er will nun den Vorschlag dem Finanzministerium unterbreiten: «Wenn ich Ueli Maurer wäre, würde ich mal den Finger darauf halten», sagt Bolliger. «Auf einen Schlag gegen einen halbe Milliarde Franken mehr in der Kasse zu haben, ist doch klüger, als einige Hunderttausend Franken bei den Zuschüssen für Kinderkrippen oder ein paar Zerquetschte beim Hilfsprojekt in Somalia zu streichen, um den Finanzhaushalt im Lot zu halten.» Das sind markige Worte, wie man sie vom Migros-Chef gewohnt ist.

Kathy Riklin (64) findet Gefallen an Bolligers Vorschlag: «Die Umgehung der Mehrwertsteuer ist unfair», sagt die CVP-Nationalrätin. «Entweder man zahlt in Deutschland oder bei der Einreise in die Schweiz.»

Doch lässt sich das Vorhaben tatsächlich so einfach umsetzen? Bei der Oberzolldirektion stösst Bolliger auf taube Ohren, der administrative Aufwand sei zu gross. «Das ist eine Idee, die beim genaueren Hinschauen nicht praktikabel ist», sagt FDP-Ständerat Ruedi Noser (55) zu BLICK. Das findet auch Tim Guldimann (66), SP-Nationalrat und Ex-Botschafter der Schweiz mit Wohnsitz in Berlin. «Das ist viel zu kompliziert.»

Gerade erst letzten Montag habe er sich kurz mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (74) über den Einkaufstourismus unterhalten können. Ein Thema, dass vor allem in Süddeutschland entlang der Schweizer Grenze Wellen schlägt.

Politiker favorisieren Bagatellgrenze für Euro-Shopper

«Ich fände es gut, wenn Deutschland – wie andere Nachbarn – eine Bagatellgrenze einführen würde. Nur wer pro Einkauf mehr als sagen wir 250 Euro ausgibt, soll einen grünen Zettel bekommen und damit die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern können», sagt Guldimann. Ohne Bagatellgrenze bleibe der Wettbewerb verzerrt. Die Einführung würde auch die deutsche Zollbürokratie entlasten.

Solche Forderungen gab es von Schweizer Politikern in den letzten Jahren mehrfach. Sogar die rot-grüne Landesregierung Baden-Württembergs weibelte bei Schäuble für die Bagatellgrenze. Bislang liess dieser aber alle Forderungen abblitzen.

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