Leibwächter für den CEO, E-Mail-Überwachung für die Angestellten
Der Sicherheitswahn der Credit Suisse

Die Beschattungsaffäre offenbart: Die Credit Suisse hat ein unschweizerisches Verhältnis zu den Themen Sicherheit, Überwachung und Privatsphäre.
Publiziert: 05.10.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2019 um 08:49 Uhr
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Tidjane Thiam (57) ist nach wie vor Chef der Credit Suisse (CS).
Foto: Getty Images
Thomas Schlittler

Tidjane Thiam (57) ist nach wie vor Chef der Credit Suisse. Am Dienstag sprach CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner (59) seinem CEO das Vertrauen aus. Es gebe keine Hinweise, dass Thiam von der Beschattung Iqbal Khans (43) gewusst habe.

Dafür müssen Sicherheitschef Remo Boccali und der Leiter des operativen Geschäfts, Pierre-Olivier Bouée (beide 48), den Kopf hinhalten. Der COO der Grossbank habe die missglückte Überwachung Khans von sich aus in Auftrag gegeben. Mit seinem Copain Thiam, mit dem er seit 20 Jahren eng zusammen-arbeitete, habe sich Bouée nicht abgesprochen.

«Der Auftrag zur Überwachung war falsch und unangemessen.»
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Urs Rohner zum Fall Khan:«Der Auftrag zur Überwachung war falsch und unangemessen.»

Image von CEO Thiam schwer angeschlagen

Definitiv aus dem Schneider ist Thiam damit aber nicht. Am Samstag berichtete der «Tages-Anzeiger», dass in der Beschattungsaffäre nicht mehr nur die Privatdetektive im Fokus der Staatsanwaltschaft stünden, sondern auch die CS selbst. Es bestehe der «hinreichende Verdacht», derzeit nicht bekannte Mitarbeiter der CS hätten mit dem Sicherheitschef der Bank die Firma Investigo beauftragt, Khan zu observieren.

Auch im Hinblick auf sein Image ist Thiam schwer angeschlagen. Die internationale Finanzpresse brach diese Woche den Stab über ihm.

Brancheninsider streuen zudem fleissig Informationen, die den CS-Chef in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Ein Topbanker, der einst eng mit Thiam zusammenarbeitete, erklärte gegenüber SonntagsBlick: «Wenn du dich von Thiam abwendest, versucht er alles, um dich fertigzumachen.»

Rund-um-die-Uhr-Leibwächter für Thiam?

Ein weiterer Informant berichtet, Thiam beschäftige seit seinem Amtsantritt bei der Credit Suisse mehrere Leibwächter. «Rund um die Uhr – und das auf Kosten der CS!» Ob das so stimmt, lässt sich nicht abschliessend klären. Dass Thiams Villa in Herrliberg stets bewacht wird, ist jedoch augenfällig.

Belegt ist auch, dass Thiam in der Öffentlichkeit zumindest teilweise mit Bodyguards auftritt. Die «Neue Zürcher Zeitung» berichtete 2016 im Vorfeld der Neat-Eröffnung, er habe zur Eröffnungsfeier seine Leibwächter mitnehmen wollen. Die Tessiner Kantonspolizei, die für die Sicherheit der Festgäste zuständig war, habe dies aber nicht erlaubt.

Rund-um-die-Uhr-Leibwächter gibt es in der Schweiz nicht einmal für Bundesräte. Wieso dann für Thiam? Hat er Hinweise darauf, dass seine Sicherheit gefährdet ist? Oder leidet er unter Grössenwahn? Die CS-Medienstelle lässt lediglich verlauten: «Zum Schutz exponierter Personen trifft die Credit Suisse geeignete Massnahmen.» Aus Sicherheitsgründen mache man aber keine Detailangaben.

«Whatsapp ist für CS-Mitarbeiter verboten»

Für weiteres Aufsehen sorgt eine Aussage von Anwalt Flavio Romerio (55), der die Einzelheiten von Khans Beschattung für die CS untersucht hat. Er sagte am Dienstag vor den Medien, dass auch Whatsapp-Nachrichten zwischen Bouée und Thiam ausgewertet worden seien. Das Finanzportal «Inside Paradeplatz», das den Beschattungsskandal publik gemacht hatte, findet das skandalös: «Whatsapp ist für CS-Mitarbeiter strengstens verboten. Wer sich nicht daran hält und die Software trotzdem missbraucht, riskiert die sofortige Entlassung.»

Gegenüber SonntagsBlick versucht Credit Suisse zu relativieren: «Die Nutzung von Whatsapp ist für CS-Mitarbeiter nicht generell verboten. Allerdings ist der Versand ‹vertraulicher Informationen oder Kundeninformationen› untersagt.»

Millionen für Überwachung der Angestellten

Die Whatsapp-Kontakte zwischen Thiam und Bouée sind also zumindest heikel. Zudem dürfte das Ganze bei den Mitarbeitern zusätzlich für böses Blut sorgen. Während die Bosse per Whatsapp kommunizieren, gibt die Bank für die Überwachung einfacher Angestellter Millionen aus: Mit Hilfe des US-Softwarekonzerns Palantir überwacht die CS das Verhalten ihrer Mitarbeiter minutiös. CEO Thiam sagte im November 2018 an einem öffentlichen Anlass: «I love our partnership with Palantir.»

Unter anderem scannt Palantir sämtliche E-Mails der CS-Mitarbeiter. Das soll helfen, potenziell gefährlichen Kräften frühzeitig auf die Schliche zu kommen. Gleichzeitig bedeutet die Massnahme einen grossen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiter.

Banken setzen Mittel zur Überwachung «intensiv» ein

Das Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten weiss, dass Banken Mittel zur Überwachung «sehr weitgehend und intensiv» einsetzen. Sprecher Hugo Wyler: «Sie tun dies, um die Compliance-Anforderungen einzuhalten.» Also um sicherzustellen, dass geltendes Recht eingehalten wird.

Man bewege sich dabei in einem heiklen Spannungsfeld: «Wenn eine Bearbeitung einzig dem Zweck der Leistungsförderung und -kontrolle oder der Überprüfung der Vertragstreue von Mitarbeitenden dient, darf diese nicht über das auch in anderen Branchen zulässige Mass hinausgehen.» Oft aber liessen sich regulatorische von arbeitsvertraglichen Risiken nur schwer abgrenzen.

Und was sagt die CS dazu? «Zur Abwehr von Finanzkriminalität setzt die Credit Suisse auch Technologielösungen von Palantir ein.» Die geltenden Gesetze und Richtlinien würden dabei eingehalten.

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