Eines muss man den Chefs der Mall of Switzerland lassen: Sie machen aus ihrer Not eine Tugend. Sie haben bisher zwar erst 80 Prozent der 65'000 Quadratmeter im Einkaufscenter vermieten können. Die leeren Flächen haben sie aber so gut wie möglich im Dachstock konzentriert und mit einer Wand abgegrenzt. An dieser können die Kinder in Ruhe spielen, während ihre Eltern shoppen gehen.
Der oberste Mall-Manager Jan Wengeler (40) freut sich über die spielenden Kinder – auch wenn er mit diesem Ort eigentlich anderes vorhat. «Für die Flächen hinter der Wand sind neue Konzepte in Planung», sagt er. Die «Sonntagszeitung» legte ihm diese Pläne als Nervosität aus, zitierte einen anonymen Angestellten eines eingemieteten Geschäfts damit, dass es «katastrophal» laufe.
Wengeler antwortete schnell: «Von Nervosität kann keine Rede sein.» Er habe von Anfang an gewusst, dass die Aufgabe schwierig sei. Stimmt: Das Center wurde Mitte Nullerjahre geplant. Onlinehandel und Frankenstärke, mit denen sich Wengeler jetzt plagt, waren damals höchstens am Horizont zu erkennen.
«Immer zuerst ein Fremdkörper»
Doch selbst für die widrigen Umstände macht die Mall, dieses Ufo, das letzten November im Rontal gelandet ist, erstaunlich viel negativen Wirbel. Der Start war durchzogen: eineinhalb Monate verspätet und dann noch durch einen Bombenalarm gestört. Es folgte wochenlanger Anwohner-Ärger über den Stau durch die vielen Besucher.
Und diese Tage die Nachricht, dass die Café-Kette Coffee Fellows ihren Mietvertrag durch die Mall verletzt sieht, das Geschäft geschlossen hat und einen Rechtsstreit angezettelt hat (BLICK berichtete). «Jedes neue Shoppingcenter ist für das Einzugsgebiet zuerst einmal ein Novum, das es zu entdecken gilt», verteidigt sich Wengeler. «Jetzt ist es unsere Aufgabe, jene Menschen, die vorbeikommen, zu Stammkunden zu machen.»
Viele sind es bisher nicht. BLICK trifft in den Gängen nur wenige Leute an. Es ist aber auch Mittwochmorgen, da sind auch andere Shoppingcenter leer. Das Ziel von fünf Millionen Kunden im Jahr wird die Mall aber wohl verpassen. Immerhin am Samstag soll es hier pumpenvoll sein, sagen viele.
Das Fazit der Ladenbesitzer, mit denen BLICK spricht, fällt trotzdem positiv aus. Allerdings haben jene, die hässig auf die Mall-Chefs sind, wohl auch weniger Lust, sich öffentlich zu äussern. Genaue Angaben zu den Umsätzen und ob diese die Erwartungen erfüllen gibt es nicht.
«Es gibt Mieter, die sich verbessern müssen»
Wengeler kann die viele Kritik jedenfalls nicht nachvollziehen – und nimmt die unzufriedenen Mieter in die Pflicht. «Ein erfolgreiches Shoppingcenter entsteht durch die Ausstrahlungskraft jedes einzelnen Mieters», sagt er. Was er damit meint: Werbung, ein attraktives Schaufenster, Aktionen. «Wir haben da gute Beispiele in der Mall.» Aber: «Es gibt auch andere, die sich noch verbessern müssen», sagt er.
«Denn eigentlich haben wir das schönste, modernste Center der Schweiz», sagt Wengeler weiter. «Viele andere Einkaufscenter sind 30 Jahre und älter und haben Renovationsbedarf, um attraktiv zu bleiben.»
Konkrete Namen will er nicht nennen, doch der Vergleich mit dem 43-jährigen Emmen Center drängt sich auf. Dieses verzeichnet – Überraschung und ein Grund zur Eifersucht – seit der Mall-Eröffnung nämlich nicht wie erwartet weniger, sondern sogar mehr Besucher.
«Wichtig ist der richtige Mix»
Warum also steht denn immer noch so viel Fläche leer, wenn alles so super ist, Herr Wengeler? Der Berliner, der in Deutschland bereits drei Shoppingcenter eröffnet hat, gibt sich selbstbewusst: «Wichtig ist der richtige Mix.»
Wengeler steht unter Druck, er muss den Wünschen der Investoren aus Abu Dhabi gerecht werden. Die Scheichs haben über ihren Staatsfonds 450 Millionen Franken aus dem Ölgeschäft in die Schweiz gepumpt, um das Ufo aus dem Boden zu stampfen.
Es ist aus dem Mall-Umfeld zu vernehmen, dass Mietverträge mit vielen Geschäften aus der Region bloss nicht zustande kamen, weil diese die Ausbaukosten der Lokale nicht tragen konnten. Diese werden nämlich im Rohbau übergeben, Lüftung, Brandschutz und Licht muss dann der Mieter übernehmen. Wengeler aber ergänzt: «Wir bieten auch Pop-up-Stores an, die für eine begrenzte Zeit gemietet werden können.»
Indoor-Surfwelle soll Besucher anlocken
Pläne weisen darauf hin, dass einige Investoren der Mall durchaus eine erfolgreiche Zukunft zutrauen. Im September eröffnet mit monatelanger Verspätung die Indoor-Surfwelle, die zum Besuchermagneten werden soll. Zudem gibt es ab November eine Gruppenpraxis mit vier Ärzten.
In Planung ist weiter ein Hotel. Dort, wo jetzt noch eine Wiese zwischen Mall und Hauptstrasse ist. Ein Schwimmbad für die Kinder aus den umliegenden Gemeinden ist ebenfalls in Diskussion. «Wie eine kleine Stadt», stellt sich Wengeler das für die Zukunft vor. Gut für ihn, schlecht für die Kinder: Die Spielwand im Dachstock wird dann Geschichte sein.