Die Migros kommt einfach nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Nach der Affäre um die Dubler-Mohrenköpfe gehts nun um den guten, alten Migrossack. Um ihre Kunden während der Coronakrise aufzuheitern, liess die Migros lustige Einkaufstaschen gestalten.
Nachdem schon tausende Stück produziert worden waren, fand sie die Motive aber doch zu sexistisch – 120’000 Taschen waren geplant, 60'000 schon gedruckt und jetzt wieder eingestampft. Gestaltet wurden sie von den drei Frauen des Künstlertrios Mickry 3. Den Auftrag erhielten die Zürcherinnen gleich zu Beginn des Lockdowns. Die Motive: Eine nackte Frau, die ein Stück Pizza isst oder mit einem Büsi spielt.
«Das ist Zensur im Kopf»
Für Blick TV hat sich Kommunikationsexperte Stephan Oehen (52) die Säcke angeschaut. Er ist enttäuscht von der Reaktion des Grossverteilers. «Ich kann das nicht nachvollziehen. Es ist schade, dass die Migros wegen Protesten die Kunstaktion gestoppt hat», sagt er zu Blick-TV-Moderatorin Sylwina Spiess. Denn: «Die Figuren sind nicht wirklich sexistisch. Was die Migros macht, ist Zensur im Kopf. Das ist gefährlich in der Kunst.»
Die Migros habe sich ganz bewusst für die drei Künstlerinnen entschieden. «Von ihnen weiss man, dass sie mit Brüsten und Dildos arbeiten», sagt Oehen. Irgendwo in der Chefetage habe es dann wohl geheissen: «Oh halt, das könnte heikel werden!» Dabei seien die Werke gar nicht provozierend. «Die Frau, die mit dem Kätzli spielt, ist sehr abstrakt dargestellt.» Und doch: Die PR-Abteilung des orangen Riesen habe wohl Angst gehabt vor einem Shitstorm.
Chance zur Debatte verpasst
Oehen: «Heute ist das Risiko gross, dass sowas auf Twitter aufgegriffen wird. Ich hätte mir gewünscht, dass die Migros hinsteht halt und den Unterschied zwischen Kunst und Kommerz erklärt», sagt Oehen. Die Migros habe die Chance verpasst, eine Debatte loszutreten, was Sexismus ist und was Kunst darf. «Die Migros hätte damit einen wichtigen Beitrag leisten können. Sexualität ist nicht mehr tabu. Und doch sind viele Leute verunsichert», sagt Oehen.
Die Sache mit den Mohrenköpfen der Firma Dubler hat laut dem Experten sicher einen Einfluss auf den Entscheid der Migros gehabt. «Der Grossverteiler war nach der Dubler-Kritik vorgewarnt.» Nun sei sie aus ihrer Sicht konsequent. Dabei sei das eine andere Geschichte. «Dubler ist eine Marke, die mit einem historischen Motiv arbeitet. Bei den Säcken geht es um Kunst, mit der man ein Schmunzeln bewirken wollte beim Kunden.»
Was bleibt von der ganzen Sack-Affäre? «Der Schaden ist gross. Das ganze kostet die Migros sicher einen grösseren fünfstelligen Betrag», glaubt Oehen. Und doch: «Alle reden über die Migros. Was gibt es für eine bessere Werbung?»