Im Foyer des Orion in Dübendorf ZH duftet es verführerisch nach Popcorn. Gleich beginnt die Vorabend-Vorstellung, um 20 Uhr läuft auch hier der diese Woche erfolgreichste Film in Schweizer Kinos: «Three Bilboards outside Ebbing, Missouri» – eine bitterböse Milieustudie über das ländlich-konservative Amerika, die Heimat der Trump-Wähler.
Im Orion, Baujahr 1951, wirkt alles etwas angestaubt, die 205 Plüschsessel sind abgewetzt, zum Teil sogar durchgesessen. Trotzdem ist das Kino eine feste Grösse im Kulturleben der Zürcher Agglomerationsgemeinde.
Rund 12'000 Eintritte pro Jahr zählt das Orion. Das reicht nicht, um es wirtschaftlich zu führen, wichtigster Umsatztreiber ist die Bar, die vor ein paar Jahren ins Foyer eingebaut wurde.
176 Kinos mit nur einer Leinwand
«Vom Kinogeschäft allein können wir nicht leben. Nur dank allen anderen Aktivitäten, den vielen Freiwilligenstunden und der Unterstützung von Gemeinde, Kanton, Sponsoren und Gönnern kommen wir über die Runden», sagt Nina Dillier (45), die hier seit knapp einem Jahr als Betriebsleiterin arbeitet: Ein anspruchsvolles Geschäftmodell, das weiter verbreitet ist als man denkt – und damit zur kulturellen Vielfalt in vielen Schweizer Gemeinden beiträgt.
Aus der Statistik des Dachverbandes Pro Cinema geht hervor: In der ganzen Schweiz gibt es 275 Kinos, davon sind 176 solche mit nur einer einzigen Leinwand.
Gut ein Drittel dieser Häuser dürfte nach einem ähnlichen Modell wirtschaften wie das Orion, schätzt Cédric Bourquard (45) vom Schweizer Kinoverband. Er weiss, wovon er spricht, da er selbst zu den Betreibern eines kleinen Kinos in Les Breuleux JU gehört. «Wenn Dörfer oder kleine Städte ein attraktives Kulturangebot haben wollen, dann müssen sie dafür Geld zur Verfügung stellen. Das haben viele Gemeinden inzwischen erkannt.»
In Les Breuleux bedeutet es, dass die Gemeinde die Kosten für Miete, Heizung und Reinigung übernimmt. Nur so lässt sich in einem Dorf mit 1500 Einwohnern überhaupt ein Kino betreiben.
Die Mischung machts aus
Diese Dichte an Liebhaber- und Kleinkinos in der Schweiz ist aussergewöhnlich, wenn nicht einmalig in Europa. Im benachbarten Ausland lässt sich beobachten, was auch die Berner Kinofans vor ein paar Tagen aufgeschreckt hat: der Trend geht zu riesigen Kino-Komplexen am Stadtrand mit vielen Kinosälen unter einem Dach.
Aus Sicht der Kinoketten macht das Sinn: Solche Multiplex-Kinos lassen sich mit weniger Personal betreiben, die Mieten sind billiger und Parkplätze meist vorhanden. So hat auch die Kinobetreiberin Kitag den Entscheid begründet, ihre Berner Innenstadt-Kinos in einen Neubau nach Muri BE zu verlegen.
Was aber macht den Reiz der Dorfkinos aus? Die Erinnerung an längst vergangene Leinwand-Erlebnisse. Dillier: «Viele Leute erzählen mir, wie sie hier im dunkeln Kino den ersten Kuss bekommen haben.» Es steckt viel Herzblut und Idealismus hinter dem Erfolg der kleinen Kinos. Nur einen Fehler dürfen sie nicht machen: die grossen Ketten kopieren zu wollen. «Die kleinen Kinos müssen die richtige Mischung aus altertümlichem Charme sowie modernem Filmerlebnis und Komfort finden», erklärt Bourquard. Damit lockt er immerhin rund 8000 Besucher pro Jahr in seinen Saal.