Über Medikamentenpreise wird in der Schweiz seit jeher leidenschaftlich gestritten. Nicht zuletzt deshalb musste der Basler Pharma-Multi Novartis für die Preissetzung bei der neuen Zelltherapie Kymriah harsche Kritik einstecken. 370'000 Franken kostet eine Behandlung. Damit die Therapie, die für Krebspatienten oft die letzte Chance ist, auch bei den Patienten ankommt, braucht es ein Finanzierungsmodell, das die Krankenversicherer mittragen.
Bereits vor sechs Monaten einigte sich Novartis mit den Kassen Helsana, Sanitas, KPT, Assura, Swica, CSS und dem Spitalverband H+ auf einen Preis. Im sogenannten Tarifvertrag wurde die Vergütungshöhe für Kymriah unterhalb des aktuellen Listenpreises von rund 370'000 Franken festgelegt. Über die exakte Höhe und allfällige Rabatte schwiegen sich die Parteien aus, wie die SRF-Nachrichtensendung «10vor10» berichtete.
Im Dezember folgte der Entscheid des Bundesrats, dass neue Zelltherapien gegen Blut- und Lymphdrüsenkrebs durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet werden. Damit ist amtlich, dass die Kosten für Kymriah und Yescarte des US-Konzerns Gilead von der Grundversicherung künftig gedeckt sind. Doch was vordergründig problemlos über die Bühne ging, spaltet die Versicherungsbranche.
Curafutura versus Santésuisse
Dem vom Bundesrat genehmigten Tarifvertrag beigetreten sind vornehmlich Kassen unter dem Dach des Verbands Curafutura. Bei Santésuisse hingegen, dem grössten Krankenkassenverband der Schweiz, haben die meisten Versicherer darauf verzichtet. Und das hat einen triftigen Grund.
Offenbar ist das Preismodell für die Therapie nicht transparent. Klar ist einzig: Die Kosten belaufen sich auf mehrere hunderttausend Franken und orientieren sich dabei am Listenpreis von Novartis in der Höhe von 370'000 Franken – ein Preis, den keine Kasse gewillt ist zu zahlen. Im Vorfeld wurde bekannt, dass die Kassen einen Preis bei zirka 230'000 Franken anpeilten.
Der exakte Betrag bleibt indes geheim. Die Santésuisse-Kassen kritisieren das Preismodell. Allen voran die luzernische Kasse Concordia. Geschäftsleitungsmitglied Jürg Vontobel findet es «skandalös, dass es Geheimverträge gibt, in denen die Kosten nicht transparent ausgewiesen werden». Deshalb habe Concordia davon abgesehen, dem Tarifvertrag, wie er vom Bundesrat genehmigt wurde, beizutreten.
Vontobel betont: «Werden die Preise für Therapien und Medikamente künftig nicht transparent ausgewiesen, hat dies weitreichende Konsequenzen: Krankenkassen werden gegeneinander ausgespielt und Medikamente werden noch teurer als sie es ohnehin schon sind.» Und damit würden auch die Prämien steigen. Genau deshalb kämpfen die Santésuisse-Kassen für einen separaten Vertrag. Darunter Groupe Mutuel, Visana, ÖKK und Sympany, wie eine BLICK-Umfrage ergeben hat.
Dass die Schweiz jemals die Gesundheitskosten in den Griff bekommt, gehört wohl ins Land der Träume. Auch 2019 sind die Ausgaben für die Grundversicherung auf über 31 Milliarden Franken explodiert. Damit sind die Kosten pro Versicherten gegenüber Vorjahr um 4,2 Prozent gestiegen. Das zeigen aktuelle Zahlen der Kassen, die BLICK vorliegen. Was auffällt: Gerade bei den Medikamentenkosten ist ein besonders starkes Wachstum zu beobachten.
Im ambulanten Bereich, also bei einem Eingriff ohne Spitalaufenthalt, sind die Medikamentenkosten 2019 um 9,7 Prozent gestiegen und belaufen sich mittlerweile auf rund 1,18 Milliarden Franken. Seit 2010 stiegen die Ausgaben sogar um gut 50 Prozent auf aktuell über 7,6 Milliarden Franken. Beinahe die Hälfte dieses Kostenanstiegs entfiel auf Immunsuppressiva und Krebsmedikamente: 1,14 Milliarden Franken.
Experten gehen davon aus, dass sich Medikamente weiter verteuern werden. Sorgten Präparate, die mehrere zehntausend Franken kosteten, Mitte der Nullerjahr noch für harsche Kritik, werden neue Therapien bald Kosten in Millionenhöhe verursachen.
Christoph Kilchenmann, Chefökonom bei Santésuisse, sagt: «Künftig werden wir nicht mehr nur über eine Krebstherapie wie Kymriah reden müssen. Novartis verlangt für die Gentherapie Zolgensma in den USA bereits zwei Millionen Franken.» Solche extrem teuren Behandlungen zeigen, dass eine Preisspirale dreht, die nichts mehr mit den eigentlichen Kosten zu tun hat, sagt Kilchenmann.
Für den Experten ist klar: Die Pharma hat keine Legitimation, solch hohe Preise zu verlangen. Er fordert, die Preisspirale zu brechen. Konkret: die Abschaffung des preistreibenden Innovationszuschlags und die verstärkte Abgabe von Generika. «Wir müssen grundsätzlich darüber nachdenken, wie Medikamentenpreise festgesetzt werden. Da ist auch der Bund gefordert», sagt Kilchenmann. Schon heute machen die Medikamentenkosten rund 25 Prozent der Ausgaben in der Grundversicherung aus. Sven Zaugg
Dass die Schweiz jemals die Gesundheitskosten in den Griff bekommt, gehört wohl ins Land der Träume. Auch 2019 sind die Ausgaben für die Grundversicherung auf über 31 Milliarden Franken explodiert. Damit sind die Kosten pro Versicherten gegenüber Vorjahr um 4,2 Prozent gestiegen. Das zeigen aktuelle Zahlen der Kassen, die BLICK vorliegen. Was auffällt: Gerade bei den Medikamentenkosten ist ein besonders starkes Wachstum zu beobachten.
Im ambulanten Bereich, also bei einem Eingriff ohne Spitalaufenthalt, sind die Medikamentenkosten 2019 um 9,7 Prozent gestiegen und belaufen sich mittlerweile auf rund 1,18 Milliarden Franken. Seit 2010 stiegen die Ausgaben sogar um gut 50 Prozent auf aktuell über 7,6 Milliarden Franken. Beinahe die Hälfte dieses Kostenanstiegs entfiel auf Immunsuppressiva und Krebsmedikamente: 1,14 Milliarden Franken.
Experten gehen davon aus, dass sich Medikamente weiter verteuern werden. Sorgten Präparate, die mehrere zehntausend Franken kosteten, Mitte der Nullerjahr noch für harsche Kritik, werden neue Therapien bald Kosten in Millionenhöhe verursachen.
Christoph Kilchenmann, Chefökonom bei Santésuisse, sagt: «Künftig werden wir nicht mehr nur über eine Krebstherapie wie Kymriah reden müssen. Novartis verlangt für die Gentherapie Zolgensma in den USA bereits zwei Millionen Franken.» Solche extrem teuren Behandlungen zeigen, dass eine Preisspirale dreht, die nichts mehr mit den eigentlichen Kosten zu tun hat, sagt Kilchenmann.
Für den Experten ist klar: Die Pharma hat keine Legitimation, solch hohe Preise zu verlangen. Er fordert, die Preisspirale zu brechen. Konkret: die Abschaffung des preistreibenden Innovationszuschlags und die verstärkte Abgabe von Generika. «Wir müssen grundsätzlich darüber nachdenken, wie Medikamentenpreise festgesetzt werden. Da ist auch der Bund gefordert», sagt Kilchenmann. Schon heute machen die Medikamentenkosten rund 25 Prozent der Ausgaben in der Grundversicherung aus. Sven Zaugg
Einigung in den nächsten Wochen
Zu den aktuellen Verhandlungen wollen sich die Santésuisse-Kassen nicht äussern. Man habe Stillschweigen vereinbart. Dennoch lassen die Versicherer durchblicken, dass der vom Bundesrat genehmigte Vertrag alles andere als zufriedenstellend ist: «Wir sind an einer Lösung interessiert, die unseren Versicherten nicht zum Nachteil gereicht», sagt Visana-Sprecher David Müller. Die Kassen gehen davon aus, dass in den nächsten Wochen eine Einigung erzielt wird.
Für die Ausarbeitung des Vertrags zuständig ist Tarifsuisse, eine Tochter des Krankenkassenverbands Santésuisse. Man sei darauf bedacht, dass der Vertrag so transparent wie möglich ausgestaltet werde, betont Santésuisse-Direktorin Verena Nold. Zu den vertraglichen Details darf sich Nold nicht äussern. Nur: «Gerade bei der sehr teuren Behandlung mit Kymriah haben wir die Preise im Ausland analysiert. Deutsche Medien berichten, dass sich der effektiv bezahlte Preis der Therapie in Deutschland auf rund 250’000 Franken beläuft.»
Zugleich hofft Santésuisse auf eine günstigere Alternative zu den teuren Therapien von Novartis & Co. «Erfreulich ist, dass auch Spitäler an neuen Gentherapien forschen. Es ist davon auszugehen, dass solche Therapien weitaus günstiger sein werden also solche von grossen Pharmaunternehmen», sagt Nold.
Am Verhandlungstisch mit Novartis
Bei Curafutura heisst es lediglich: «Die Mitglieder von Curafutura sind sich selbstverständlich vollkommen bewusst, dass Kostentransparenz ein Punkt von zentralem Interesse ist», so Sprecher Ralph Kreuzer. Man habe sich für den Behandlungszugang und somit das gesundheitliche Wohl der Patientinnen und Patienten ausgesprochen.
Konkreter wird Martina Weiss, Kadermitglied bei Helsana. Sie sass mit Novartis am Verhandlungstisch und hat das Vertragswerk, dem die Curafutura-Kassen zugestimmt haben, massgeblich mitgeprägt. Konkrete Angaben zum Preis möchte sie keine machen. Sie betont aber: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass man einen besseren Preis hätte verhandeln können. Ich gehe davon aus, dass sich die Konditionen im zweiten Tarifvertrag kaum von unseren unterscheiden.»
Zugang zu Kymriah gewährleistet
Auch Versicherten der Santésuisse-Kassen, die das Vertragswerk in der bisherigen Form abgelehnt haben, haben Zugang zur Krebstherapie von Novartis. Wie bisher wird die Vergütung von der Krankenkasse im Einzelfall genehmigt, wenn herkömmliche Therapien versagen
«Für uns ist entscheidend, dass kein Patient unter vertraglichen Erwägungen leiden muss», sagt Patrick Eisenhut vom Versicherer ÖKK. Es sei gewährleistet, dass jeder, der eine stationäre Therapie mit Kymriah oder Yescarta benötigt, diese auch wirklich erhalte.