Am ersten Prozesstag im Fall Dieter Behring sind die Fragen, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Vorgaben entspricht und der Angeklagte ausreichend verteidigt wurde, nach wie vor offen geblieben. Der Privatverteidiger hat in seinen Ausführungen die Anklage und Staatsanwaltschaft scharf kritisiert.
Anklageschrift sei unmöglich zu verstehen
Unter anderem mit Zahlen versuchte Behrings Privatverteidiger Bruno Steiner aufzuzeigen, was für ein Volumen die 84-seitige Anklageschrift für ihn eigentlich habe.
In der Anklage befinden sich rund 700 Fussnoten, die auf rund 5000 Dokumente verweisen. Es sei deshalb unmöglich für den Angeklagten zu verstehen, was genau angeklagt sei und was ihm vorgeworfen werde.
So wird beispielsweise in einer Fussnote unter anderem auf drei Dokumente hingewiesen, die insgesamt über 100 Seiten umfassen. In einer anderen Fussnote wird gemäss Steiner auf eine leere Seite verwiesen.
Ist die Anklage unzulässig?
Der Privatverteidiger stellte die Frage, was Sinn und Zweck der 700 Fussnoten sei und ob sie bereits Teil der Beweisführung seien. Dann wäre die Anklage gemäss Steiner bereits eine Art Plädoyer, was nicht zulässig sei. Eine Anklage habe möglichst kurz und präzis zu beschreiben, was einer Person vorgeworfen werde.
Sehr ausführlich führte die Verteidigung am ersten Prozesstag zudem ihre Ansicht dazu aus, dass die Bundesstaatsanwaltschaft bewusst die Verteidigung Behrings durch Bruno Steiner verhindert habe.
Der zuständige Staatsanwalt habe immer vorgeschoben, dass Steiner die Frau von Behring verteidigt habe und damit eine Interessenkollision vorliege.
Der Bundesanwaltschaft wird Amtsmissbrauch vorgeworfen
Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts habe das Vorgehen der Bundesanwaltschaft jeweils abgesegnet. Die Verteidigung bezeichnete die ganze Sache als amtsmissbräuchlich, weil nie eine Interessenkollision bestanden habe.
Das Verfahren gegen Behrings Frau habe bereits ab 2011 mehr oder weniger geruht und sei dann eingestellt worden. Zudem habe das Ehepaar immer dargelegt, dass die Frau auf die Verteidigung durch Steiner verzichten würde, wenn von einer Interessenkollision ausgegangen werde.
Gab es einen Deal mit der Staatsanwaltschaft?
In seinem Rundumschlag bekam auch das Bundesstrafgericht vom Anwalt sein Fett ab. Steiner erhob die Hypothese, dass es 2012 zwischen Bundesstaatsanwaltschaft und Bundesgericht zu Absprachen gekommen sei.
Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren in Sachen Behring gegen neun Beschuldigte eingestellt, weil sie sich mit dem Bundesstrafgericht abgestimmt habe. Das behauptet Dieter Behrings (61) Privatverteidiger Bruno Steiner (67). Nur das Verfahren gegen Behring sei weitergeführt worden, weil der Fall sonst vom Bundesstrafgericht nicht mehr hätte bewältigt werden können. In den Akten sei von all dem nichts zu finden.
Im Sommer 2012 habe die Bundesanwaltschaft den Abschluss des Verfahrens bekannt gegeben, erläuterte der Privatverteidiger Bruno Steiner. Man habe deshalb damit rechnen können, dass im September Anklage erhoben werde.
Richter kanzelt Ausführungen als «abenteuerlich» ab
Dies sei nicht geschehen, wofür es einen Grund geben müsse. Bruno Steiner zweifelt an der Erklärung der Bundesanwaltschaft, dass das eingeführte Controlling bei der Bundesanwaltschaft zu einer Fokussierung auf Behring geführt habe.
Der vorsitzende Richter des Bundesstrafgerichts Daniel Kipfer Fasciati ermahnte den Privatverteidiger, keine Behauptungen aufzustellen. Er nannte die Ausführungen von Steiner «abenteuerlich». Dieser beantragte nochmals die bereits bewilligte Befragung von Bundesstaatsanwalt Michael Lauber.
Auch wies Kipfer den Privatverteidiger auf die Sprachregelungen vor Gericht hin. In seinen Ausführungen hatte Steiner unter anderem Worte wie bösartig, idiotisch, intrigant, schikanös, Prozessmanipulation und prozessualer Blödsinn verwendet.
Einsicht in Akten der Bundesanwaltschaft verlangt
Um die Ereignisse im Sommer 2012 und das Fallenlassen des Verfahrens gegen Behrings Mitbeschuldigte nachzeichnen zu können, forderte er zudem die Berichte des Controllings der Bundesanwaltschaft sowie die Befragung der entsprechenden Controller.
Ausserdem möchte er die Anklageschriften von 2012 sehen, so diese tatsächlich erstellt worden seien.
Behring wird nebst Steiner vom amtlichen Verteidiger Roger Lerf vertreten. Ob dieser Behring ausreichend verteidigt hat, ist umstritten.
Der 61-jährigen Behring soll gemäss Anklageschrift zwischen September 1998 und Oktober 2004 gewerbsmässig Anleger betrogen haben. Die rund 2000 Geschädigten sollen insgesamt 800 Millionen Franken verloren haben. (SDA)