Immobilien-Krise im Dorfzentrum von Huttwil BE
Rezepte gegen den «Leerstands-Donut»

Huttwil BE will raus aus den Negativ-Schlagzeilen wegen des schweizweit höchsten Immobilienleerstands. Deshalb erarbeitet die Gemeinden zusammen mit Forschern ein Rezept, wie aus einem Leerstands-Donut ein gut gefüllter Berliner wird.
Publiziert: 30.11.2019 um 20:04 Uhr
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Der Bauboom in Huttwil BE hat ...
Foto: Philippe Rossier
Christian Kolbe

Was hat ein Donut mit den Immobilien-Leerständen in den Agglomerationsgemeinden der Schweizer Mittellands zu tun? Mehr als man denkt – zumal die Lösung des Problems ein gut gefüllter Berliner ist.

Exemplarisch für die Leerstandsproblematik ist die Gemeinde Huttwil BE. Das Dorf im Oberaargau hat gemessen an der Einwohneranzahl eine der höchsten Leerstandsquoten der Schweiz – und eine sehr gut erforschte, wie das Wirtschaftsmagazin «Trend» von Radio SRF berichtet. Denn die Raumplaner der Berner Fachhochschule haben sich die Gemeinde mal näher angeschaut.

Auf gut 5000 Einwohner kommen in Huttwil rund 400 leerstehende Wohnungen, das ergibt eine Leerstandsquote von fast 15 Prozent. Zum Vergleich: Im Schweizer Durchschnitt liegt dieser Wert bei 1,7 Prozent.

Bauboom höhlt Zentrum aus

Schuld daran ist der Bauboom, der Gemeinden wie Huttwil viele neue Wohnungen gebracht hat. Zu viele, denn trotz wachsender Bevölkerung weiten sich die Leerstände aus. Allerdings sind diese ungleich über die Gemeinde verteilt.

Ende letzten Jahres standen in den Neubaugebieten lediglich 56 Wohnungen leer, im Gegensatz zum Dorfzentrum. Dort gab es 320 unvermietete Altbauwohnungen: «Aufgrund unserer Forschungsergebnisse sehen wir, dass sich das Zentrum entleert, wir sprechen vom sogenannten Donut-Effekt», erklärt Christine Seidler von der Berner Fachhochschule gegenüber Radio SRF.

Der Grund für den Donuteffekt: Leerstände am Dorfrand zwingen die Investoren, die Mieten zu senken. Das lockt Mieter aus dem Zentrum in die schicken Neubauten. Das Loch im Donut wird immer grösser. Die Geprellten sind die Hausbesitzer im Dorfkern – im Gegensatz zu den Pensionskassen und Immobilienfirmen, die die grossen Überbauungen realisieren – oft Privatpersonen oder Erbengemeinschaften.

Ziel ist ein gut gefüllter Berliner

«Jetzt geht es darum, aus diesem Donut wieder einen Berliner zu machen, mit einer Füllung, die alle Menschen gernhaben, die in dieser Gemeinde leben, erklärt Seidler. Denn die Hausbesitzer im Zentrum sind oft Einheimische oder Erbengemeinschaften. Diese können es sich nicht leisten, grosse Konzessionen an die Mieter zu machen. Sonst droht ihnen das Geld für Unterhalt und Renovationen auszugehen. Die Gefahr: Die Häuser im Zentrum verlottern, der Dorfkern verödet.

Wie aber macht man aus dem Donut mit Loch in der Mitte wieder einen gut gefüllten Berliner? Die Gemeinde kann kurzfristig nicht viel ausrichten, ihre fehlen die finanziellen Mittel, um etwa leerstehende Gebäude aufzukaufen, erklärt Gemeindepräsident Walter Rohrbach gegenüber Radio SRF: «Huttwil geht es wie vielen Berner Gemeinden. Wir sind finanziell nicht auf Rosen gebettet, wir haben ein Defizit. Für Huttwil wäre es eine grosse Herausforderung, wenn wir unbekümmert Liegenschaften oder Baugrundstücke kaufen würden.»

Also müssen die Bewohner von Huttwil mithelfen, den Berliner zu füllen. Und das tun sie auch, in der sogenannten Städtliwerkstatt. Einem Projekt, das die Huttwiler zusammen mit der Fachhochschule Bern entwickelt haben. Und das helfen soll, Huttwil aus den negativen Leerstands-Schlagzeilen herauszubringen. Ideen gibt es viele, etwa, dass man in den leerstehenden Häusern Künstlerateliers, Proberäume oder ein Café einrichten könnte. Doch klar ist auch: Bis aus dem Donut ein Berliner wird, braucht es noch viel Zeit.

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