Immer mehr Single-Haushalte
Die Schweiz wohnt solo

Neue Immobilienzahlen zeigen: In einem Drittel der Schweizer Haushalte wohnt nur noch eine Person. Das geht auf Kosten von Familien und zulasten der Umwelt.
Publiziert: 24.10.2019 um 21:30 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2019 um 06:41 Uhr
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Single-Haushalte machen derzeit über 50 Prozent der neu gebildeten Haushalte aus.
Foto: KEYSTONE
Dorothea Vollenweider

Noch nie gab es in der Schweiz so viele leer stehende Wohnungen wie in diesem Jahr: Der Rekordwert ist amtlich, bestätigt durch den Bund. Immer wieder machen Geistersiedlungen vor allem im Mittelland Schlagzeilen mit Lockangeboten, Gratismieten und Co., um Interessenten zum Zuschlag zu bewegen (BLICK berichtete).

Dieser Rekord wäre für einige Regionen ein grosses Problem, wären da nicht die Singles. Denn im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zunahme des Leerstands nämlich halbiert. Grund dafür ist unter anderem die zunehmende Zahl von Single-Haushalten. Das besagt der am Donnerstag veröffentlichte Herbstreport «Immo-Monitoring 2020» vom Beratungsunternehmen Wüest Partner.

Über ein Drittel lebt alleine

Bereits lebt über ein Drittel der Schweizer Bevölkerung alleine – Tendenz steigend. Denn die Zahl der Einpersonenhaushalte nimmt deutlich stärker zu als jene von anderen Haushaltsgrössen. «Diese Entwicklung hat sich in den letzten fünf Jahren noch intensiviert», sagt Immo-Experte Robert Weinert (40) von Wüest Partner. 

Wer heute umzieht, der tut dies meist alleine: Single-Haushalte machen derzeit bereits über 50 Prozent der neu gebildeten Haushalte aus. Das hat zur Folge, dass sich die Schweizer Bevölkerung auf noch mehr Wohnungen verteilt. Der Wohnraumverbrauch pro Einwohner stieg laut Weinert stark an. «Vor fünf Jahren brauchte man pro 100 neue Einwohner 52 Wohnungen, heute sind es 65», so Weinert. 

Zahlungskräftige Junge

Das Problem: Wenn immer mehr Junge alleine in grossen Wohnungen leben, dann bleiben Familien auf der Strecke. Für sie fehlt dann der preisgünstige Wohnraum.

Dazu beigetragen haben die stabile wirtschaftliche Entwicklung sowie eine hohe Arbeitsplatzsicherheit und leicht steigende Realeinkommen. «Junge können sich heute früher eine eigene Wohnung leisten», sagt der Immobilien-Profi. Aber auch das grosse Angebot befeuere die Nachfrage zusätzlich, bestätigt er. 

Bei Jungen ist das Single-Wohnen meist freiwillig gewählt. Anders ist die Situation bei vielen älteren Leuten, die zudem im eigenen Haus leben: «Beim Eigentum handelt es sich meist um Leute, deren Partner gestorben sind. Sie sind also nicht freiwillig allein», sagt Kathrin Eliasson, Volkswirtin beim Hauseigentümerverband HEV Schweiz. 

Es fehlen finanzielle Anreize

Für ältere alleinstehende Leute mit Eigentum lohnt es sich wiederum finanziell nicht, die Wohnsituation zu ändern. «Eine neue Wohnung in der Stadt kostet meist mehr als das Haus auf dem Land», so Eliasson. «Und der Mietzins für eine Mietwohnung ist in den meisten Fällen auch höher als der Hypothekarzins, der bei Wohneigentum anfällt.»

Dazu kommt noch ein weiterer wichtiger Faktor: «Gerade Wohneigentum hat eine sehr hohe emotionale Komponente», sagt Immo-Experte Robert Weinert (40) von Wüest Partner. Die Bewohner hängen an ihren vier Wänden, weil sie eine Geschichte haben. Da zählen rationale Argumente dagegen wenig. 

Solo-Wohnen hilft zwar, die Leerstandsquote zu drücken. Doch für die Öko-Bilanz ist das Alleine-Wohnen nicht nachhaltig: «Aus ökologischer Sicht ist das natürlich wenig sinnvoll», sagt Eliasson. «Denn je höher der Wohnraum pro Person ist, desto höher ist auch der Energieverbrauch.» Vor allem ins Gewicht fallen dabei demnach die Heizkosten – der Wasser- und Stromverbrauch wird mit weniger Personen geringer. 

Das sieht auch der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz (MV) so. «Das ist Ressourcen-Verschwendung», sagt Generalsekretärin Natalie Imboden. Das Problem: Auf dem Wohnungsmarkt werden laut Imboden sehr standardisierte und vor allem sehr teure Wohnungen gebaut. Es gebe wenig Raum für Innovation.

Keine Besserung in Sicht

«Das entspricht nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung», fügt sie an. Viele Singles beispielsweise bräuchten keine Luxuswohnungen. Das heisst, die Immobranche plant an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. 

Die Ressourcen-Verschwendung geht auch nächstes Jahr weiter, wenn auch auf etwas tieferem Niveau. Die Immobilien-Experten von Wüest Partner erwarten, dass in diesem Bereich 2020 rund 1,9 Prozent weniger ausgegeben wird – für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sogar 2,8 Prozent weniger. 

Trotz dieser neuen Trends werden die Leerstände bei den Wohnungen laut dem aktuellen Immo-Monitoring vorerst weiter zunehmen. «Weder Single-Haushalte noch abnehmende Bautätigkeiten vermögen diese Entwicklung vollends auszubremsen», so Weinert.

Airbnb hilft nicht gegen Leerstand

Im Gegensatz zu Mittelland-Gemeinden gingen in vielen touristischen Regionen und an urbanen Lagen die Leerstände seit Jahresbeginn zurück. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt eine steigende Zahl an Mietern, die eine Wohnung als Zweitdomizil nutzen. Ein Beispiel ist Lauterbrunnen BE, die Goldgrube für Airbnb-Wohnungsvermittler.

Mehr als zehn Prozent aller Mietwohnungen in den touristischen Gemeinden werden zur Nutzung als Feriendomizil ausgeschrieben, wie aus dem Wüest-Partner-Report hervor geht. Zwar haben diese Objekte teilweise nur während der Wintermonate Mieter. Doch wenn sie im Sommer nicht ausgeschrieben sind, gelten sie nicht als leer.

Auch an urbanen Lagen ist die Nachfrage nach Zweitwohnungen weiterhin gross – hauptsächlich im Segment der Mietwohnungen. ln den Schweizer Stadtzentren wurden gemäss der Zweitwohnungsstatistik zwischen 2017 und 2019 im Schnitt 10,6 Prozent der zusätzlichen Flächen von Personen nachgefragt, die ihren Erstwohnsitz anderswo in der Schweiz haben.

Doch schlussendlich wird der Airbnb-Effekt in den Tourismusdestinationen die zunehmende Leerstandsquote nicht ausbremsen können, sagen die Experten von Wüest Partner. (dvo)

Im Gegensatz zu Mittelland-Gemeinden gingen in vielen touristischen Regionen und an urbanen Lagen die Leerstände seit Jahresbeginn zurück. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt eine steigende Zahl an Mietern, die eine Wohnung als Zweitdomizil nutzen. Ein Beispiel ist Lauterbrunnen BE, die Goldgrube für Airbnb-Wohnungsvermittler.

Mehr als zehn Prozent aller Mietwohnungen in den touristischen Gemeinden werden zur Nutzung als Feriendomizil ausgeschrieben, wie aus dem Wüest-Partner-Report hervor geht. Zwar haben diese Objekte teilweise nur während der Wintermonate Mieter. Doch wenn sie im Sommer nicht ausgeschrieben sind, gelten sie nicht als leer.

Auch an urbanen Lagen ist die Nachfrage nach Zweitwohnungen weiterhin gross – hauptsächlich im Segment der Mietwohnungen. ln den Schweizer Stadtzentren wurden gemäss der Zweitwohnungsstatistik zwischen 2017 und 2019 im Schnitt 10,6 Prozent der zusätzlichen Flächen von Personen nachgefragt, die ihren Erstwohnsitz anderswo in der Schweiz haben.

Doch schlussendlich wird der Airbnb-Effekt in den Tourismusdestinationen die zunehmende Leerstandsquote nicht ausbremsen können, sagen die Experten von Wüest Partner. (dvo)

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