Igel haben keine Chance
Todesfalle Roboter-Rasenmäher

Kein Land hat eine höhere Dichte von Rasenmäher-Robotern als die Schweiz. Für immer mehr Igel ist das fatal. Am häufigsten erwischt es im Herbst Jungigel. Die Roboter-Hersteller versprechen, weniger gefährliche Automatenmäher zu entwickeln.
Publiziert: 02.10.2018 um 02:50 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2018 um 22:35 Uhr
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Roboter-Rasenmäher sollten vor der Dämmerung abgestellt werden, damit aktive Jungtiere wie Igel nicht unter ihre Räder und Sense kommen.
Foto: Husqvarna
Claudia Gnehm

Viele Jungigel tapsen derzeit durch die Gärten. Der Hunger treibt sie aus ihrem sicheren Versteck. Sie wollen sich vor dem Winterschlaf ab November noch viel Speck anfressen. Doch im Gras lauert die Gefahr: Roboter-Rasenmäher.

Weil immer mehr solcher autonomer Mähmaschinen eingesetzt werden, häufen sich die Notfall-Meldungen auf den Igel-Stationen. Besonders junge Igel werden von den Roboter-Schneidemessern verletzt. 

Die Dunkelziffer zu den verletzten Tieren ist gross. Zahlen werden von den Igel-Schutzvereinen und -Stationen nicht genau erfasst. Experten der Igelstation Winterthur stellten kürzlich in einem Bericht der österreichischen Zeitung «Der Standard» eine Schätzung an. Laut den Verantwortlichen kam jeder Zweite eingelieferte Igel unter einen Roboter-Mäher. Erkennbar sind diese Verletzungen an abgefrästen Stacheln und abgetrennten Körperteilen.

Die Igel-Station Winterthur mahnt Gartenbesitzer derzeit zur Vorsicht. Sie empfiehlt, Roboter-Mäher lange bevor die Dämmerung einsetzt und die Igel aktiv werden abzustellen. Wichtig sei auch ein Abstand der Mähfläche zu Sträuchern und Hecken, weil Igel dort gerne nach Insekten suchten, sagt Bernhard Bader von Pro-Igel Schweiz.

Schweiz ist ein Eldorado für Roboter-Rasenmäher

Auch die Igel-Station Frauenfeld erfasst die Verletzungen der Tiere nicht statistisch. «Die Verletzungsgefahr für die jungen Igel durch Roboter-Rasenmäher ist massiv», heisst es auf Anfrage. In der Vergangenheit seien die meisten Telefonate wegen verletzter Igel von Privaten eingegangen, die mit Fadenmähern in der Hand im Garten unterwegs waren. Das bestätigt auch Igel-Experte Bader von Pro-Igel Schweiz.

Laut den Herstellern von Roboter-Rasenmähern werden in der Schweiz besonders viele dieser Maschinen verkauft «Die Schweiz hat weltweit den am weitesten entwickelten Robotermarkt», sagt Judith Krauer vom marktführenden Roboterverkäufer Husqvarna. Laut den Marktforschern von GfK wächst der Roboter-Rasenmäher-Markt jährlich zweistellig.
Marktführer Husqvarna, dessen Roboter unter anderem bei Migros und Coop erhältlich sind, setze sich dafür ein, dass die Roboter künftig keine Igel mehr töten.

Derzeit würde in der Forschungsabteilung in Schweden die Entwicklung einer mechanischen Lösung sowie einer Kameralösung getestet. Im Mai seien Schweizer Igel-Experten vor Ort gewesen. Derzeit liefen Tests in der Schweiz. Mit den neuen, igelsicheren Robotern rechnet die Herstellerin allerdings nicht vor 2020.

Der Migros-Fachmarkt Do It + Garden hat zwölf verschiedene Roboter-Rasenmäher im Sortiment. Bisher hätten die Fabrikanten noch keine Roboter mit Igelschutz vorgestellt, sagt eine Migros-Sprecherin auf Anfrage. Bei Coop Bau + Hobby verweist man bei Igelfragen auf die jeweiligen Hersteller. Sie sieht sich nicht in der Verantwortung.

Abgemagert wegen Hitze-Sommer

So viele abgemagerte Igel hat Bernhard Bader vom Verein Pro Igel in den letzten zehn Jahren kaum je gesehen. Grund dafür ist der rekordheisse und vor allem äusserst trockene Sommer. «Der fehlende Regen hat den Boden dermassen ausgetrocknet, dass es den Tieren an Nahrung fehlt», sagt Bader. Weniger Käfer, Spinnen, Würmer, Engerlinge und Larven haben dazu geführt, dass der Speiseplan der Igel sehr mager ausgefallen sei. Und die härteste Prüfung steht den Igeln noch bevor: der Winter. «Viele werden sich nicht genügend Fettreserven anfressen können», sagt Bader. Er geht davon aus, dass einige die kalte Jahreszeit nicht überleben werden. Etwas Abhilfe schaffen laut Bader temporäre Futterstellen. Ein kleiner Teller mit Katzentrockenfutter für die hungrigen Igel im Herbst sei schon mal ein Anfang. Er rät aber davon ab, eine permanente Futterstelle einzurichten. Das locke nur Füchse und Katzen an – und vertreibe die Igel. Sven Zaugg

So viele abgemagerte Igel hat Bernhard Bader vom Verein Pro Igel in den letzten zehn Jahren kaum je gesehen. Grund dafür ist der rekordheisse und vor allem äusserst trockene Sommer. «Der fehlende Regen hat den Boden dermassen ausgetrocknet, dass es den Tieren an Nahrung fehlt», sagt Bader. Weniger Käfer, Spinnen, Würmer, Engerlinge und Larven haben dazu geführt, dass der Speiseplan der Igel sehr mager ausgefallen sei. Und die härteste Prüfung steht den Igeln noch bevor: der Winter. «Viele werden sich nicht genügend Fettreserven anfressen können», sagt Bader. Er geht davon aus, dass einige die kalte Jahreszeit nicht überleben werden. Etwas Abhilfe schaffen laut Bader temporäre Futterstellen. Ein kleiner Teller mit Katzentrockenfutter für die hungrigen Igel im Herbst sei schon mal ein Anfang. Er rät aber davon ab, eine permanente Futterstelle einzurichten. Das locke nur Füchse und Katzen an – und vertreibe die Igel. Sven Zaugg

Niedliche Tiere in feindlicher Umgebung

Schweizer Naturschutz-Organisationen sind alarmiert. Erste Resultate vom aktuellen Monitoring «Igel gesucht» zeigen, dass die Population der niedlichen Insektenfresser sinkt. Laut Pro Natura Schweiz hat sich sein Verbreitungsgebiet in Zürich um rund einen Drittel verringert.

«Igel brauchen Hecken, Stein- und Asthaufen»

Die Igel leiden unter Gefahren, die von Rasenmähern ausgehen und ihr Lebensraum wird stetig kleiner. Simona Kobel (35), Projektleiterin im Bereich Biodiversitätspolitik von Pro Natura, weiss: «Zu intensive Landwirtschaft ist ein Problem. Igel brauchen Hecken, Stein- oder Asthaufen in ihrem Lebensraum.»

Die Biologin erklärt, dass in einem intensiv bewirtschafteten Maisfeld Igel keine Nahrung finden würden. Für sie ist klar: «Es braucht eine ökologische Landwirtschaft, angepasst an den Standort.» Auch der Einsatz von Pestiziden birgt Risiken. «Wenn es keine Insekten, Schnecken und Larven mehr gibt, finden Igel nichts zu fressen», so Kobel.

«Der grösste Feind ist der perfekte Rasen»

Ähnliche Beobachtungen macht Bernhard Bader (61), Geschäftsführer vom Verein Pro Igel. Er stellt klar: «Der grösste Feind des Igels ist der Rasen. Auf den perfekt gepflegten Grünanlagen gibt es weder Nahrung noch Unterschlüpfe.» Sein Vorschlag für Gärtner lautet deshalb: «Mehr Wiesen, weniger Rasen.»

Der Tierschützer warnt insbesondere vor Teller- und Fadenmähern, wie man sie in vielen privaten Gärten findet: «Dadurch werden in der Schweiz jedes Jahr sehr viele Igel verletzt», sagt Bader. Dabei liesse sich das Problem laut ihm leicht beheben: «Vor dem Mähen sollte man Hecken und hohes Gras nach Tieren absuchen.»

In der Landwirtschaft kommen Fadenmäher weniger zum Einsatz. Doch auch hier kann einiges getan werden, um direkte Gefahren für die Igel zu entschärfen. Bader weiss, «dass Igel oft in engmaschigen Elektrozäunen hängen bleiben. Bei einem Stromschlag kugeln sie sich reflexartig ein, bleiben hängen und verenden.» Auch hier gebe es eine einfache Lösung: «Die unterste Litze am Zaun vom Strom nehmen.» Anian Heierli

Schweizer Naturschutz-Organisationen sind alarmiert. Erste Resultate vom aktuellen Monitoring «Igel gesucht» zeigen, dass die Population der niedlichen Insektenfresser sinkt. Laut Pro Natura Schweiz hat sich sein Verbreitungsgebiet in Zürich um rund einen Drittel verringert.

«Igel brauchen Hecken, Stein- und Asthaufen»

Die Igel leiden unter Gefahren, die von Rasenmähern ausgehen und ihr Lebensraum wird stetig kleiner. Simona Kobel (35), Projektleiterin im Bereich Biodiversitätspolitik von Pro Natura, weiss: «Zu intensive Landwirtschaft ist ein Problem. Igel brauchen Hecken, Stein- oder Asthaufen in ihrem Lebensraum.»

Die Biologin erklärt, dass in einem intensiv bewirtschafteten Maisfeld Igel keine Nahrung finden würden. Für sie ist klar: «Es braucht eine ökologische Landwirtschaft, angepasst an den Standort.» Auch der Einsatz von Pestiziden birgt Risiken. «Wenn es keine Insekten, Schnecken und Larven mehr gibt, finden Igel nichts zu fressen», so Kobel.

«Der grösste Feind ist der perfekte Rasen»

Ähnliche Beobachtungen macht Bernhard Bader (61), Geschäftsführer vom Verein Pro Igel. Er stellt klar: «Der grösste Feind des Igels ist der Rasen. Auf den perfekt gepflegten Grünanlagen gibt es weder Nahrung noch Unterschlüpfe.» Sein Vorschlag für Gärtner lautet deshalb: «Mehr Wiesen, weniger Rasen.»

Der Tierschützer warnt insbesondere vor Teller- und Fadenmähern, wie man sie in vielen privaten Gärten findet: «Dadurch werden in der Schweiz jedes Jahr sehr viele Igel verletzt», sagt Bader. Dabei liesse sich das Problem laut ihm leicht beheben: «Vor dem Mähen sollte man Hecken und hohes Gras nach Tieren absuchen.»

In der Landwirtschaft kommen Fadenmäher weniger zum Einsatz. Doch auch hier kann einiges getan werden, um direkte Gefahren für die Igel zu entschärfen. Bader weiss, «dass Igel oft in engmaschigen Elektrozäunen hängen bleiben. Bei einem Stromschlag kugeln sie sich reflexartig ein, bleiben hängen und verenden.» Auch hier gebe es eine einfache Lösung: «Die unterste Litze am Zaun vom Strom nehmen.» Anian Heierli

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