Heute vor fünf Jahren nahm das Volk die Zweitwohnungs-Initiative an. Sie hat ihr Ziel erreicht – zu einem hohen Preis
Jetzt ist auch der letzte Boom vorbei

Am 11. März 2012 wirbelte das Ja zur Zweitwohnungs-Initiative die Baubranche in den Berggebieten durcheinander. Heute ist Flaute im Bau, viele Büezer wurden entlassen. Oder anders: Die Initiative hat ihr Ziel erreicht.
Publiziert: 11.03.2017 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:30 Uhr
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Die Briefkästen sind nicht angeschrieben, die Fenster haben keine Vorhänge: Die Zweitwohnungen der Überbauung Sonne in Silvaplana GR verkaufen sich nicht gut.
Foto: Fotoswiss.com
Konrad Staehelin

Heute vor fünf Jahren schockten die Unterländer die Bergler: 50,6 Prozent der Schweizer legten ein Ja zur Zweitwohnungs-Initiative in die Urne – vor allem das Flachland stimmte klar zu. Jetzt steht in der Verfassung: Wenn in einer Gemeinde mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen stehen, dürfen keine weiteren gebaut werden. «Es werden weniger Zweitwohnungen gebaut», sagt Vera Weber (42), Tochter von Umweltaktivist Franz Weber und Kopf der Pro-Kampagne.

Ziel erreicht. Robert Weinert (38) vom Immobilienberater Wüest Partner bestätigt: «Wir sehen einen starken Rückgang bei den Neubauten. Im Moment wird in den Tourismusgebieten viel weniger stark gebaut als noch vor fünf Jahren.»

Die Experten waren sich nach dem Abstimmungs-Ja einig: Jetzt würde der Kampf um die Zweitwohnungen starten. Weil bald kaum mehr Objekte gebaut werden dürften, würden die Preise explodieren. Aber weit gefehlt. Heute sind viel mehr Zweitwohnungen zum Verkauf ausgeschrieben als vorher. Im Wallis hat sich der Anteil mehr als verdoppelt (siehe Grafik). «Es ist herausfordernder geworden, Käufer zu finden. Darum sind die Preise vielerorts stagnierend oder rückläufig», sagt Immo-Experte Weinert.

In den Bergkantonen Graubünden und noch viel stärker im Wallis übersteigt das Angebot an Zweitwohnungen die Nachfrage.
Foto: Infografik BLICK

Der Hauptgrund dafür ist, dass nach der Abstimmung ein Bauboom einsetzte. Mehr als drei Mal mehr Baubewilligungen erteilten die Behörden 2013 in den am stärksten betroffenen Bergkantonen Wallis und Graubünden. «Es bestand eine grosse Unsicherheit, wie das Gesetz aussehen würde, das das Parlament ausarbeiten würde», erklärt Tourismus-Forscherin Monika Bandi Tanner (34) die Panikbauten. Seit Januar 2016 gilt eine gesetzliche Umsetzung der Initiative.

Das Ja zur Zweitwohnungs-Initiative verursachte einen panischen Bauboom in den Jahren 2013 und 2014, doch jetzt herrscht Flaute.
Foto: Infografik BLICK

Die Folge des Baubooms von 2013 und 2014 ist heute ein massives Überangebot auf dem Markt. Ein Beispiel von vielen: Die Überbauung Sonne in Silvaplana GR. Sie wurde vor rund zwei Jahren fertiggestellt. Noch immer steht rund die Hälfte der gut 40 Wohnungen leer. Keine Menschenseele zu sehen, kein Mucks zu hören, wie BLICK vor Ort feststellte.

Leidtragende sind neben Immobilienmaklern die Baufirmen. «Der Markt ist am Boden», sagt ein Geschäftsführer einer Engadiner Baufirma, der anonym bleiben will. Viele Unternehmen hätten nicht einmal mehr halb so viele Aufträge wie vor fünf Jahren. Nur ein paar kleine Firmen, die im Zweitwohnungsbau nicht besonders aktiv waren, spüren kaum Konsequenzen. Die meisten Firmen blocken jede Anfrage von BLICK ab.

Bauunternehmer Roland Conrad ist unzufrieden: «Es ist jetzt viel zu schwierig, bestehende Wohnungen zu renovieren und auszubauen.»
Foto: Konrad Staehelin

Nur der Geschäftsführer der Firma Foffa Conrad aus Zernez im Unterengadin packt aus. Roland Conrad (60) sagt: «Im Hochbau haben wir zwei Drittel weniger Aufträge. Dass der Kanton im Moment viele Projekte im Tiefbau ausschreibt, konnte die Krise ein wenig lindern. Trotzdem mussten wir einen Viertel der Belegschaft entlassen.» Insgesamt haben im Bündner Baugewerbe etwa 800 Personen die Stelle verloren.

«Schliesst sich die eine Tür, geht anderswo eine auf», entgegnet Initiantin Weber den Opfern ihrer Initiative. Bauunternehmer Conrad hält dagegen: «Es ist in Ordnung, dass man jetzt keine neuen Zweitwohnungen auf die grüne Wiese stellen darf.» Aber er kritisiert die Umsetzung der Initiative durch das Parlament: «Es ist jetzt viel zu schwierig, bestehende Wohnungen zu renovieren und auszubauen.»

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