«Als gestern Morgen früh die Polizei vor der Tür stand, war das für mich ein Schock»
Raiffeisen-Banker Vincenz zu BLICK über die Razzia

Die Bank Raiffeisen zeigt ihren ehemaligen CEO wegen «ungetreuer Geschäftsbesorgung» an. Gestern führten die Staatsanwaltschaften von Zürich und St. Gallen bei Pierin Vincenz eine Hausdurchsuchung durch. Vincenz zeigt sich «schockiert».
Publiziert: 28.02.2018 um 10:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:40 Uhr
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Im Dezember 2017 traf BLICK Pierin Vincenz zum Interview: Jetzt ist er im Visier der Staatsanwaltschaft.
Foto: Philippe Rossier
Patrik Berger

Die Demontage eines der grössten Bankers der Schweiz geht weiter. Und diesmal tut es so richtig weh: Gestern in der Früh ist die Polizei bei Pierin Vincenz (61) im Appenzellerland vorgefahren und hat sein Haus und sein Büro durchsucht. Im Moment wird der ehemalige Raiffeisen-CEO von der Staatsanwaltschaft Zürich befragt, wie es auf Anfrage von BLICK heisst. 

«Als gestern Morgen früh die Polizei vor der Tür stand, war das für mich ein Schock. Ich bin von dieser Strafuntersuchung total überrascht und erstaunt», sagt Vincenz. «Ich bestreite die gegen mich erhobenen Vorwürfe vehement und werde mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wehren.»

Das Wohnhaus von Ex-Raiffeisen-Banker Pierin Vincenz.
Foto: Marco Latzer

Er habe die Interessen der Firmen, für die er gearbeitet habe, stets gewahrt. «Ich bin nach wie vor überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen», so Vincenz weiter.

Raiffeisen reicht Strafanzeige ein

Grund für den morgendlichen Besuch der Polizei: Die Staatsanwaltschaft III für Wirtschaftsdelikte des Kantons Zürich hat gestützt auf eine Anzeige von Aduno im Dezember 2017 gegen Pierin Vincenz als ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten – sowie gegen ein weiteres ehemaliges Verwaltungsratsmitglied – ein Strafverfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eröffnet.

Vincenz war erst im vergangenen Juni als Verwaltungsrat der Kreditkartengesellschaft Aduno ausgeschieden.

Der Vorwurf ist happig: Ungetreue Geschäftsbesorgung im Aduno- und Investnet-Umfeld. Konkret: Vincenz soll im Zusammenhang mit Firmenbeteiligungen eigene finanzielle Interessen verfolgt haben.

Investnet ist eine Beratungs- und Investmentfirma für kleine und mittlere Unternehmen. Erst am Montag hatte sich Raiffeisen als Grossaktionärin bei Investnet zurückgezogen.

Ende Oktober 2017 hatte die Finma ein Verfahren zu Corporate-Governance-Themen gegen Raiffeisen eingeleitet. Das Verfahren dreht sich um die Beteiligung von Raiffeisen an Investnet. Raiffeisen hielt vor dem Ausstieg einen Anteil von 60 Prozent an Investnet.

Häuser und Büros von fünf Personen durchsucht

Die Bank hat sofort gehandelt: «Raiffeisen nimmt den Verdacht auf ungetreue Geschäftsbesorgung und die für uns neuen Indizien der Staatsanwaltschaft zum Anlass, auf eine juristische Aufklärung aller Vorgänge in der Vergangenheit zu drängen. Darum hat der Verwaltungsrat auf Antrag der Geschäftsleitung beschlossen, als Privatklägerin dem oben erwähnten Verfahren beizutreten und reicht darüber hinaus Strafanzeige gegen Vincenz und gegen weitere möglicherweise involvierten Personen ein», heisst es in einer Mitteilung.

Total wurden die Häuser und Büros von fünf Beschuldigten durchchsucht. Dabei hat die Staatsanwalt «umfangreiches Beweismaterial» sichergestellt. Die Einvernahmen sind nach wie vor im Gang.

Finma stellte Verfahren ein

Raiffeisen leiste damit einen maximalen Beitrag zur lückenlosen Aufklärung aller Vorgänge. Raiffeisen behalte sich zudem alle weiteren rechtlichen Schritte vor. «Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung», schreibt Raiffeisen über ihren ehemaligen Chef.

Am Dienstag in der Früh durchsuchte die Polizei ans Anwesen.
Foto: Marco Latzer

Die Aduno Gruppe bestätigt, am 21. Dezember 2017 gegen zwei frühere Organpersonen Strafanzeige wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung eingereicht zu haben. «Die beschuldigten Personen sind nicht mehr für das Unternehmen tätig. Der beschuldigte ehemalige Präsident des Verwaltungsrates war im Juni 2017 von seinem Amt zurückgetreten. Für sämtliche Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung», heisst es weiter. Die Aduno Holding beteiligt sich am Verfahren als geschädigte Partei.

Auch bei der Helvetia ist Schluss

Ende 2017 ist Vincenz als Präsident des Verwaltungsrates der Helvetia Gruppe zurückgetreten. Vincenz gehört seit dem Jahr 2000 dem Verwaltungsrat der Helvetia an und amtete seit Oktober 2015 als Präsident. Hintergrund ist ein laufendes Verfahren der Finanzmarktaufsicht. Dieses wurde gegen Vincenz eingestellt - unter der Bedingung, dass er sich nie mehr aktiv in einem Finanzinstitut betätigt. Gegen Raiffeisen läuft das Verfahren noch immer.

Vincenz hat im Januar 2018 auch den Verwaltungsrat des Energiekonzerns Repower verlassen. Er tritt im Mai nicht zur Wiederwahl an. Vincenz werde sich auf sein unternehmerisches Engagement als privater Investor im KMU-Bereich konzentrieren, heisst es in einer Mitteilung.

Am 1. Oktober 2015 übergab Pierin Vincenz die Schlüssel seines Raiffeisen-Chefbüros an Patrik Gisel (55).

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