Grosser Zeitdruck, kein Versicherungsschutz
«Üble Zustände beim Kurierdienst Notime»

In Bern protestieren Velofahrer des Kurierdienstes Notime gegen prekäre Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft Unia spricht von «üblen Zuständen».
Publiziert: 06.09.2017 um 14:04 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:34 Uhr
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Die Kuriere des Velo-Dienstes Notime fordern faire Arbeitsbedingungen. Protestaktion beim Bahnhofsplatz Bern am heutigen Mittwoch.
Foto: Manu Friederich
Ulrich Rotzinger

Der Velo-Kurierdienst Notime ist in der Schweiz kein Unbekannter. Der Fahrerpool der in Zürich beheimateten Firma besteht aus 300 bis 400 Fahrern. Zu den Notime-Kunden zählen die SBB, die Online-Shops Brack.ch, Interdiscount.ch, das Warenhaus Manor und der exklusive Luxemburgerli-Hersteller Sprüngli.

Bei der Ankündigung der Kooperation von SBB, Sprüngli und Notime: Dimitri Dolder (li.), Leiter Fahrerteam Zürich, Tomas Prenosil, CEO von Sprüngli (Mitte) und Philipp Antoni, Mitgründer von Notime.
Foto: cdg Beratungen/Alexander Egger

Seit 2015 am Markt liess Notime die meisten der Velokuriere schwarz, ohne Unfallversicherung, ohne Bezahlung von Sozialleistungen und für einen Stundenlohn von 22 bis 25 Franken unter grossem Zeitdruck auf die Strasse. Das wirft die Gewerkschaft Unia dem Unternehmen in einer Mitteilung vor. Auch bei BLICK meldeten sich im Vorfeld Notime-Kuriere, um auf die miesen Zustände in ihrem Unternehmen hinzuweisen.

«Beim Kurierdienst Notime herrschen üble Zustände», wettert Unia-Gewerkschafter Philipp Zimmermann. Zudem fehle seit zwei Jahren eine Entschädigung für Fahrräder, es gebe keine Ferienzulagen und keinen Lohn bei Krankheit oder Unfall – von einem 13. Monatslohn ganz zu schweigen.

Notime-Angestellte protestieren heute Mittwoch in Bern für ihre Rechte: «Wir treten in die Pedale, Notime tritt uns mit Füssen», steht auf einem Plakat, das ein Velokurier hochhält.

Ein weiterer Grund für den Protest: Auf Druck der Öffentlichkeit und der Sozialversicherungen legte Notime seinen Fahrern Anstellungsverträge vor. Sie gelten ab 1. Oktober.

«Damit sollen die Velo-Kuriere alle Ansprüche auf ihnen zustehende Leistungen aus der Vergangenheit aufgeben», kritisiert Zimmermann. Die neuen Vertragskonditionen seien unfair, die neuen Stundenlöhne mit 20.80 Franken unter Branchenniveau und in den Städten wie Zürich, Bern oder Basel unangemessen.

Notime lässt Gespräche platzen

Laut Unia hat Notime ein mit der Gewerkschaft vereinbartes Treffen über die neuen Anstellungsbedingungen kurzfristig platzen lassen und ist nicht bereit, Gespräche mit den gewählten Vertretern der Belegschaft aufzunehmen.

«Wir wollen zuerst mit den eigenen Leute reden und möchten nicht, dass sich Dritte dazwischen drängen», sagt Notime-Mitgründer Philipp Antoni. «Deshalb irritiert uns der Auftritt der Unia sehr.» Man selber habe am Mittwoch Gespräche mit einigen Fahrern geführt. Sie seien konstruktiv gewesen. Die Fahrer würden in den nächsten 24 Stunden mit neuen Verträgen ausgestattet.

Notime sei bereit, entgangene Sozialleistungen nachträglich zu leisten. Beim Feriengeld und der Nutzung privater Arbeitsgeräte suche man noch nach Lösungen. «Uns ist es ein zentrales Anliegen, unsere Fahrer fair zu entschädigen und gleichzeitig im Markt wettbewerbsfähig auftreten zu können.»

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