Getrübte Urteilskraft bei Zulassung von Medikamenten?
Pharma-Branche bezahlt Berater von Swissmedic

Für die Zulassung von Medikamenten stützt sich das Heilmittelinstitut Swissmedic auf die Meinung seines Expertengremiums. Diese Experten erhalten jedoch Geld von der Pharmaindustrie, wie eine Recherche des Sonntagsblicks zeigt.
Publiziert: 14.04.2019 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 16:09 Uhr
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Das HMEC berät Swissmedic, welche Medikamente zugelassen werden sollen oder nicht. Deren Mitglieder erhalten selbst auch Geld von der Pharmaindustrie.
Simon Huwiler, Vinzenz Greiner
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Der Schlüssel für den Schweizer Medikamentenmarkt liegt in den Händen von acht Professoren und einem Privatdozent. Dem Human Medicines Expert Committees (HMEC) müssen Pharmafirmen beweisen, dass ihre neuen Medikamente sicher und wirksam sind. Fällt ein Medikament beim HMEC durch, hat es auch bei der Zulassungsbehörde Swissmedic schlechte Chance, denn in 95 Prozent der Fällen folgt das Heilmittelinstitut seinem Expertenrat..

Recherchen des Sonntagsblick zeigen, durch die gleichen Hände fliessen auch Gelder der Pharmaindustrie. Zusammen mit dem Beobachter, der Handelszeitung und Le Temps hat der Sonntagsblick Zahlungen von Pharmafirmen an Ärzte und Organisationen in aufwendiger Kleinarbeit analysiert. 

Zuwendungen aus der Pharmabranche

Drei der neun «ständigen Mitglieder» des HMEC erhielten Zuwendungen aus der Pharmabranche. Alle arbeitstätigen Mitglieder arbeiten bei Spitälern, die von der Pharmabranche unterstützt werden. Zwölf der mit weniger Macht ausgestattete «ausserordentlichen Mitgliedern» wie auch zwei «beratenden Mitgliedern» können sich ebenso über Zuwendungen aus Basel und Co. freuen.

Insgesamt 14'831 Franken erhielt Stephan Krähenbühl, Präsident des HMEC, in den letzten drei Jahren von Sanofi, Roche oder Amgen. Den Kontakt mit der Pharmabranche findet Krähenbühl nicht per se problematisch. «Es braucht den Austausch, um auch informiert zu bleiben», so der Leiter der Abteilung klinische Pharmakologie vom Universitätsspital Basel. Hauptsächlich verdient sich Krähenbühl dieses Extrageld durch Vorträge, die von Pharmafirmen gesponsert werden. «Das Geld wird auf ein Konto des Spitals überwiesen, mit dem ich die Abteilung unterstütze, indem ich zum Beispiel wissenschaftliche Zeitschriften abonniere, welche allen offenstehen.»

Wenn die Prüfer der Pharmabranche gleichzeitig von ihr bezahlt werden, hinterlässt dies einen schalen Geschmackist. Das ist sich auch Swissmedic bewusst und versucht, die Unabhängigkeit des HMEC mit einem Kodex zu unterstreichen. Den Mitgliedern komme eine besondere Bedeutung zu, lässt sich dem 16-seitigen Papier entnehmen und es folgen Regeln um Regeln. Die Verfasser gestehen aber ein: «Interessenskonflikte entfalten ihre Wirkung auf das Urteilsvermögen vielfach weitgehend oder vollständig unbewusst». Um sich dem Vorwurf der Beeinflussung nicht aussetzen zu müssen, muss jedes Mitglied seine Interessenbindungen vor jeder Sitzung offenlegen. Zusätzlich werden diese Informationen im Internet publiziert. Doch die vom Sonntagsblick analysierten Zuwendungen finden sich darin nur sporadisch.

Offensichtlicher Interessenkonflikt

Etzel Gysling (81) ist selbst Arzt und schaut kritisch den Pharmafirmen auf die Finger. Mit den Recherchen konfrontiert, zeigt sich der Gründer des Magazins «Pharma Kritik» nicht überrascht. «In der Schweiz ist der Einfluss der interessierten Kreise sowohl auf Behörden wie auf die Politik gross.» Für ihn sei es ein offensichtlicher Interessenkonflikt, wenn Experten des HMEC Aufträge oder auch nur Vergünstigungen von der Industrie erhalten. Gysling ist überzeugt, dass die meisten Ärzte mit guten Absichten handeln und von sich behaupten, nicht von der Pharmaindustrie beeinflusst zu sein. «Aber das stimmt nicht, wir werden ab Beginn des Studiums von Pharmaunternehmen beeinflusst.».

Auch der Patientenschutz zeigt sich ab der Recherche nicht erfreut. Stiftungspräsidentin Susanne Hochuli (Grüne) findet gar drastische Worte: «Ich frage mich, ob diese FachexpertInnen so überheblich sind zu glauben, ihre Unabhängigkeit werde durch Zuwendungen nicht tangiert.» Für Hochuli ist ein Interessenskonflikt vorprogrammiert, wenn Fachexperten oder Politiker fachspezifische oder gesundheitspolitische Entscheide zu fällen haben und von eben diesem Gesundheitssystem und seinen Stakeholdern finanziell gefüttert werden.

Swissmedic verweist auf Anfrage auf ihr Regelwerk und die im Internet publizierten Interessenbindungen. Für sie ist klar, dass es sich beim HMEC um medizinische Experten handelt, die Erfahrungen mit forschungsbasierten Unternehmen der Heilmittelbranche haben, zum Beispiel als Prüfarzt, Forscher oder wissenschaftlicher Berater. «Ansonsten könnten sie deren Entwicklungen gar nicht beurteilen», so Unternehmenssprecherin Danièle Bersier. In der kleinen Schweiz herrscht ein Kampf um die Gunst von wenigen Experten.

Das ist das Recherche-Netzwerk

Sehen Sie selbst, welche geldwerten Leistungen die Pharmaindustrie Ärzten, Spitälern und anderen Institutionen der Gesundheitsbranche zukommen liess: Auf www.pharmagelder.ch machen die Schweizer Medien des Ringier Axel Springer Research Network entsprechende Daten zugänglich und für jeden durchsuchbar. Die Daten stammen von 60 Pharmafirmen, die sie gemäss Pharma-Kooperations-Kodex des Verbands Scienceindustries offengelegt haben.

«Pharmagelder Schweiz» ist ein Projekt des Ringier Axel Springer Research Network. Im Netzwerk arbeiten Journalisten verschiedener Medien bei transnationalen, datengetriebenen oder investigativen Projekten zusammen. Teil davon sind: Beobachter, «Blick»-Gruppe, «Handelszeitung» und «Le Temps» (Schweiz), «Welt» und «Bild» (Deutschland), «Pulse» (Nigeria), «Politico» (Belgien), «Onet» (Polen), «Aktuality.sk» (Slowakei), «Libertatea» (Rumänien), «Blic» (Serbien), «Blikk» (Ungarn), «Business Insider» (Vereinigtes Königreich).

Sehen Sie selbst, welche geldwerten Leistungen die Pharmaindustrie Ärzten, Spitälern und anderen Institutionen der Gesundheitsbranche zukommen liess: Auf www.pharmagelder.ch machen die Schweizer Medien des Ringier Axel Springer Research Network entsprechende Daten zugänglich und für jeden durchsuchbar. Die Daten stammen von 60 Pharmafirmen, die sie gemäss Pharma-Kooperations-Kodex des Verbands Scienceindustries offengelegt haben.

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