Am Montag kündigte Facebook die Einführung der digitalen Weltwährung Libra an. Das ist ein Frontalangriff auf die Finanzwelt – und die Schweiz steckt mittendrin. Der Chef dieses gewaltigen Projekts ist ein Mann mit rotem Pass: David Marcus (46). Die ersten Programmierversuche machte er als Achtjähriger in Genf. Dort verbrachte er seine Kindheit und Jugend, bevor er seine Karriere im Silicon Valley startete.
Marcus hat seine alte Heimatstadt zum Zentrum der neuen Währung ausersehen: Die Libra Association, der die Ausgestaltung des Facebook-Coins obliegt, ist in Genf registriert. Aber warum kommt Facebook in die Schweiz? Dahinter stecken Marketing, Technik und – Angst.
Wie Bitcoin ist auch Libra eine Kryptowährung auf Blockchain-Basis, aber an Dollar, Euro und Franken gebunden, die Währungen grosser Staaten. Das macht sie erheblich stabiler. Das Potenzial ist riesig: Über zwei Milliarden Menschen nutzen Facebook und seine Dienste Whatsapp oder Instagram. Aber auch Facebook kann ein solches Megaprojekt nicht aus dem Hut zaubern. Und die Frage, von wo es gesteuert werden soll, ist von zentraler Bedeutung.
EU zieht die Schraube an
Die Schweiz hat den Ruf eines Blockchain-freundlichen Landes, der Bundesrat unterstützt die Entwicklung nach Kräften. Dies ist für Facebooks Image Gold wert. Ebenso wichtig ist die Nähe zu den UN-Organisationen in Genf, vor allem zur Forschungseinrichtung Cern. Denn die Libra-Infrastruktur wird einen massiven Datenverkehr bewältigen müssen.
Noch wichtiger ist Facebooks Angst vor der Zerschlagung. «Mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins in der Schweiz will sich Facebook absichern gegen die drohenden Verfahren wegen Monopolmissbrauch in den USA», sagt Aleksander Berentsen (56), Professor für Wirtschaftstheorie an der Universität Basel. «Eine Zerschlagung des Konzerns durch die US-Wettbewerbshüter würde die neue Währung nicht tangieren.»
Auch die EU zieht die Schraube an. Zuletzt wurde Google im März mit 1,5 Milliarden Euro wegen Missbrauch von Marktmacht gebüsst. Und die G-20-Staaten wollen höhere Steuern für Internetkonzerne erheben. Deshalb kommt Facebook in die Schweiz. Hier hofft der Konzern auf ein günstigeres Umfeld für eine neue Währung. Für sie sind nebst der Akzeptanz die regulatorischen Verfahren die wichtigste Hürde. Rechtsanwältin Cornelia Stengel (38), die den Bundesrat bei Verbesserungen der Blockchain-Rahmenbedingungen berät: «Bei uns sind Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und Politik sehr offen für solche Initiativen.»
Die Idee von Facebook hatten auch schon andere. Sowohl Kryptowährungen oder Bezahlen mit dem Handy oder internationale Überweisungsfirmen existieren längst. Neu an Libra ist die Grössenordnung – jedenfalls dann, wenn Facebooks Pläne aufgehen. Hier eine Auswahl von Konkurrenzprodukten.
Bitcoin: Die Mutter aller Kryptowährungen. Mit entscheidendem Unterschied zu Libra: Die Anzahl Bitcoins lässt sich nicht vermehren. Das heisst: Steigt die Nachfrage, steigt auch der Wert der reinen Digitalwährung.
Twint: Methode fürs Bezahlen mit dem Handy, lanciert von diversen Schweizer Geschäftsbanken sowie Postfinance. Wer das Handy an ein Terminal hält, kann Geld überweisen. Im Unterschied zu Libra zahlt man nicht mit einer speziellen Währung, sondern in Schweizer Franken.
Apple Pay, Samsung Pay: Analog zu Twint handelt es sich um Handy-Bezahlmethoden. Man muss jeweils eine Kreditkarte hinterlegen.
Western Union: Dienstleistungsfirma, die weltweiten Bargeldtransfer anbietet. Man kann bar einzahlen, die Auszahlung an einem anderen Ort erfolgt ebenfalls in bar. Beliebt in Entwicklungsländern, wo viele Menschen kein Bankkonto haben. Eine der Firmen, deren Geschäftsmodell durch Libra am meisten gefährdet ist.
Die Idee von Facebook hatten auch schon andere. Sowohl Kryptowährungen oder Bezahlen mit dem Handy oder internationale Überweisungsfirmen existieren längst. Neu an Libra ist die Grössenordnung – jedenfalls dann, wenn Facebooks Pläne aufgehen. Hier eine Auswahl von Konkurrenzprodukten.
Bitcoin: Die Mutter aller Kryptowährungen. Mit entscheidendem Unterschied zu Libra: Die Anzahl Bitcoins lässt sich nicht vermehren. Das heisst: Steigt die Nachfrage, steigt auch der Wert der reinen Digitalwährung.
Twint: Methode fürs Bezahlen mit dem Handy, lanciert von diversen Schweizer Geschäftsbanken sowie Postfinance. Wer das Handy an ein Terminal hält, kann Geld überweisen. Im Unterschied zu Libra zahlt man nicht mit einer speziellen Währung, sondern in Schweizer Franken.
Apple Pay, Samsung Pay: Analog zu Twint handelt es sich um Handy-Bezahlmethoden. Man muss jeweils eine Kreditkarte hinterlegen.
Western Union: Dienstleistungsfirma, die weltweiten Bargeldtransfer anbietet. Man kann bar einzahlen, die Auszahlung an einem anderen Ort erfolgt ebenfalls in bar. Beliebt in Entwicklungsländern, wo viele Menschen kein Bankkonto haben. Eine der Firmen, deren Geschäftsmodell durch Libra am meisten gefährdet ist.
Banken drohen Neukunden zu verlieren
Wer aus der Schweiz heraus Finanzdienstleistungen anbieten will, braucht eine Bewilligung der Finanzmarktaufsicht. «Wir sind in Kontakt mit den Initianten», bestätigt Finma-Sprecher Thomas Lux. «Aus einer Aufsichtsperspektive können sich hier verschiedene Fragen stellen», sagt Lux. «Werden die Regeln der Geldwäscherei-Bekämpfung eingehalten? Handelt es sich um einen Fonds? Braucht es eine Banklizenz?»
Sind die regulatorischen Hürden hier genommen, müssen auch in den anderen Ländern die Vorgaben erfüllt sein. «Das ist für Facebook machbar», sagt Expertin Stengel. «Es kostet halt einfach.» Und zwar nicht zu knapp. Rund 100 Millionen Dollar dürfte der Prozess kosten. Für die Libra Association ist das kein Problem, denn Facebook hat namhafte Unternehmen an Bord: Visa, Mastercard, Ebay, Paypal, Uber und Spotify gehören zu den bislang 28 Mitgliedern des Vereins. 100 sollen es mindestens werden.
Traditionelle Banken sind nicht darunter, obwohl digitale Währungen sie im Zahlungsverkehr überflüssig machen. Ihre Vermittlerrolle zwischen Firmen und Kunden entfällt. Zwar dürfte die Auswirkung auf die Gewinne überschaubar sein. Und der Zahlungsverkehr wird ohnehin gratis. Folgenreich aber dürfte sein, dass über den Zahlungsverkehr auch der Kontakt mit den meisten Kunden beginnt. Bricht er weg, kommen keine Neukunden mehr. Wie die Banken darauf reagieren, ist noch völlig ungewiss.
Zentralbanken mit instabilen Währungen sind gefährdet
Auch die Nationalbank hat die Libra Association genau im Blick. Denn sie überwacht die Zahlungssysteme in der Schweiz – und könnte Libra ernsthaft Konkurrenz machen: mit einem eigenen Coin. Aleksander Berentsen: «Die SNB könnte sagen: Alle Schweizer Haushalte dürfen bei uns ein Konto eröffnen. Und viele würden ihr Geld lieber der SNB anvertrauen als privaten Instituten.»
Für Schweizer Firmen wäre die neue Währung interessant. Die Libra Association hat bereits vor deren Start eine riesige Kundenbasis. Dass sie kommt – und den staatlichen Währungen damit ernsthafte Konkurrenz erwächst –, ist so gut wie sicher. Gefährdet sind vor allem Zentralbanken mit instabilen Währungen. In Venezuela warten die Menschen auf das Ende des Bolivar. Sie werden 2020 als erste zum Smartphone greifen und mit Libra zahlen.
Und die Schweizer? «Eine Währung, auf die über Whatsapp bequem und kostenlos zugegriffen werden kann, ist attraktiv für die Jungen», sagt Aleksander Berentsen. Für ihn ist klar: «Libra wird sich auch in der Schweiz durchsetzen.»
Mit Libra holt die Schweiz wieder eine bedeutende Organisation ins Land. Statt freudigem «Willkommen» ist allerdings erst mal ein distanziertes «Bonjour Messieurs» zu vernehmen.
Grund eins: Facebook tritt typisch amerikanisch auf. Also in den Augen der hiesigen Finanzindustrie, die stets auf Diskretion bedacht ist, zu grossspurig.
Die Schweizer Grossbanken tun sich schwer mit der neuen Konkurrenz. Auf die Frage, ob man mit Libra in Kontakt stehe, erhält SonntagsBlick erst auf mehrmalige Nachfrage eine Antwort.
Und die lautet – wie zum Beispiel bei Credit Suisse – eher kryptisch: «Zwar sind wir als Bank nicht im öffentlichen Kryptowährungssektor aktiv, doch wir verfolgen die Entwicklungen am Markt und sind bemüht, unseren Kunden dabei zu helfen, diese Marktentwicklung aus einer Thought-Leadership-Perspektive nachzuvollziehen.»
Dabei ist die Gefahr überschaubar. «Der Zeitplan des Projekts erscheint angesichts der vielen politischen Widerstände und regulatorischen Hürden ambitioniert und schwierig umzusetzen», meint Cyrill Kiefer, Partner und Bankenexperte beim Wirtschaftsberater Deloitte.
Grund zwei für den verhaltenen Empfang: Derzeit sind schlicht zu wenige praktische Details bekannt. «Es ist noch zu früh, um ein Fazit über Libra zu ziehen», schreibt beispielsweise Coop. Man prüfe aber generell den Nutzen aller neuen Zahlungsmittel.
Immerhin zeigt man sich beim Bund glücklich über den Zuzug des von Facebook gegründeten Vereins. «Das Eidgenössische Finanzdepartement wurde von Facebook über das Projekt orientiert und wertet das Vorhaben als positives Zeichen für den Standort Schweiz», schreibt Ueli Maurers Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.
Bundesrat Maurer selbst jedoch verzichtet auf einen Kommentar.
Mit Libra holt die Schweiz wieder eine bedeutende Organisation ins Land. Statt freudigem «Willkommen» ist allerdings erst mal ein distanziertes «Bonjour Messieurs» zu vernehmen.
Grund eins: Facebook tritt typisch amerikanisch auf. Also in den Augen der hiesigen Finanzindustrie, die stets auf Diskretion bedacht ist, zu grossspurig.
Die Schweizer Grossbanken tun sich schwer mit der neuen Konkurrenz. Auf die Frage, ob man mit Libra in Kontakt stehe, erhält SonntagsBlick erst auf mehrmalige Nachfrage eine Antwort.
Und die lautet – wie zum Beispiel bei Credit Suisse – eher kryptisch: «Zwar sind wir als Bank nicht im öffentlichen Kryptowährungssektor aktiv, doch wir verfolgen die Entwicklungen am Markt und sind bemüht, unseren Kunden dabei zu helfen, diese Marktentwicklung aus einer Thought-Leadership-Perspektive nachzuvollziehen.»
Dabei ist die Gefahr überschaubar. «Der Zeitplan des Projekts erscheint angesichts der vielen politischen Widerstände und regulatorischen Hürden ambitioniert und schwierig umzusetzen», meint Cyrill Kiefer, Partner und Bankenexperte beim Wirtschaftsberater Deloitte.
Grund zwei für den verhaltenen Empfang: Derzeit sind schlicht zu wenige praktische Details bekannt. «Es ist noch zu früh, um ein Fazit über Libra zu ziehen», schreibt beispielsweise Coop. Man prüfe aber generell den Nutzen aller neuen Zahlungsmittel.
Immerhin zeigt man sich beim Bund glücklich über den Zuzug des von Facebook gegründeten Vereins. «Das Eidgenössische Finanzdepartement wurde von Facebook über das Projekt orientiert und wertet das Vorhaben als positives Zeichen für den Standort Schweiz», schreibt Ueli Maurers Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.
Bundesrat Maurer selbst jedoch verzichtet auf einen Kommentar.