Geldpolitischer Entscheid
EZB-Draghi verschärft Strafe für Banken und belässt Leitzins auf Rekordtief

Unter Beobachtern galt es bereits als ausgemacht, dass die Europäische Zentralbank weiter an der Zinsschraube drehen wird. Nun ist es amtlich: EZB-Chef Mario Draghi senkt den Strafzins für die Banken auf minus 0,5 Prozent. Der Leitzins bleibt auf Nullniveau.
Publiziert: 12.09.2019 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2019 um 11:07 Uhr
Gibt die Richtung vor: EZB-Chef Mario Draghi senkt die Zinsen.
Foto: AP
Sven Zaugg

Das Ende von Mario Draghis (72) Amtszeit als EZB-Präsident naht. Bevor der Italiener im November seinen Sitz Christine Lagarde (63) überlässt, zündet er nochmals ein geldpolitisches Feuerwerk. Die EZB senkt den Einlagesatz – das ist der Zins, den die Banken bei der EZB für das Parken von Geldanlagen bezahlen müssen – auf minus 0,5 Prozent. Davor lag dieser Strafzins bei minus 0,4 Prozent. Der Leitzins bleibt auf Nullniveau.

Direkte Reaktionen auf den EZB-Entscheid gibts an den Börsen. Der SMI legt auf deutlich zu. Der Franken wird teurer, der Euro folglich verliert.

Nach dem Entscheid der EZB um 13.45 Uhr sackte der Euro zum Franken ab.
Foto: Cash.ch

Aus Sicht der EZB ist das Ziel ihrer Aktion, dass die Banken das Geld eben nicht mehr bei ihr parken, sondern als Kredite weiter geben und so die Wirtschaft ankurbeln. Konsumentenschützer befürchten, dass Banken dies zum Anlass nehmen, Sparer zur Kasse zu bitten.

EZB weitet Anleihekäufe aus

Die EZB kündigte zudem an, die im Dezember 2018 beendeten Anleihenkäufe erneut aufzunehmen. Sie will ab dem 1. November monatlich Papiere für 20 Milliarden Euro erwerben Mit einer Neuauflage von Wertpapierkäufen will die EZB Konjunktur und Inflation zusätzlich auf die Sprünge helfen. Ein genaues Ende der Käufe legte der EZB-Rat zunächst nicht fest.

Der Kauf von Staatsanleihen hilft den Eurostaaten, sich günstiger frisches Geld zu besorgen. Denn wenn die EZB grosse Bestände aufkauft, müssen sie für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten. Zugleich pumpt die Notenbank über Wertpapierkäufe viel Geld in den Markt. Das soll der Inflation auf die Sprünge helfen.

Staffelzins für Freibeträge

Dass die Notenbank erneut nachlegen würde, war erwartet worden. Angesichts der weltweiten Konjunkturabkühlung und der Schwäche des Welthandels seien «signifikante geldpolitische Impulse» notwendig, hatte Draghi nach der Sitzung des EZB-Rates vor sieben Wochen gesagt.

Mit dem Strafzins wollen die Währungshüter die Institute dazu bringen, mehr Gelder in Form von Krediten an Unternehmen und Konsumenten auszureichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das soll auch den Preisauftrieb verstärken. Um die Banken etwas zu entlasten, führt die EZB einen Staffelzins für bestimmte Freibeträge ein.

Was macht die Nationalbank?

Draghis Strategie bringt auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) in Zugzwang. SNB-Präsident Thomas Jordan (56) wird in einer Woche die geldpolitische Lage ebenfalls neue beurteilen müssen. Beobachter erwarten, dass die SNB aufgrund des EZB-Entscheids weiter an der Zinsschraube drehen könnte – und die Negativzinsen von heute 0,75 Prozent auf 1 Prozent weiter senken könnte.

An einer weiteren Herabsenkung der Zinsen dürfte die Finanzbranche gar keine Freude haben. Sie sehen sich durch die anhaltenden Negativzinsen auch im internationalen Wettbewerb benachteiligt. Zudem bewirkten Negativzinsen massive strukturelle Schäden an der Schweizer Volkswirtschaft, warnt die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg). Für den Verband steht auch die Option einer Rückerstattung der Negativzinszahlungen im Raum.

Finanzielle Blase befürchtet

Schweizer Banken zahlten der Nationalbank jährlich mehr als 2 Milliarden Franken an Negativzinsen, monierte  SBVg-Präsident Herbert Scheid an der Jahresmedienkonferenz des Branchenverbands in Zürich. Dies entspreche rund 5 Prozent der Bruttozinserträge der Banken und sei damit ein massiver Eingriff in ihre Rentabilität.

Die Negativzinsen führten hierzulande zu finanziellen Blasen - etwa auf dem Immobilienmarkt - und schädigten langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft, so Scheidt. Nicht zuletzt träfen sie die Bürgerinnen und Bürger über die Altersvorsorge, seien doch die erste, die zweite und die dritte Säule besonders betroffen.

Lagarde wie Draghi?

Mit dem EZB-Entscheid wird sich an der expansiven Ausrichtung der Geldpolitik aller Voraussicht nach so schnell nichts ändern: Nachfolgerin Lagarde hat bereits deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik für absehbare Zeit für nötig hält. Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds sagte aber auch: «Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten.»

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