Das sind die Erfinderinnen des Jahres
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Frauen stürmen Männerdomäne
Das sind die Erfinderinnen des Jahres

Neun von zehn Jungunternehmen werden von Männern geführt. Doch jetzt preschen mutige Macherinnen vor. Mit überraschenden Ideen.
Publiziert: 26.07.2020 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2020 um 19:16 Uhr
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Kluge Köpfe erfinden Dinge, mit denen sie Probleme lösen. Kapitalstarke Leute investieren in sie, um ihr Geld weiter zu vermehren. Das geht seit 250 Jahren so, von der Dampfmaschine bis Google.
Foto: Sobli
Danny Schlumpf

In seinem Kern funktioniert Kapitalismus recht einfach: Kluge Köpfe erfinden Dinge, mit denen sie Probleme lösen. Kapital­starke Leute investieren in sie, um ihr Geld weiter zu vermehren. Das geht seit 250 Jahren so, von der Dampf­maschine bis Google.

Die meisten erfolgreichen Erfinder waren Männer – und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Das zeigt ein Blick auf die Szene, in der ­Innovation und Kapital sich kennenlernen: die ­Start-up-­ Landschaft. In der Schweiz werden jedes Jahr rund 300 Jungunternehmen gegründet. Nicht einmal jedes zehnte wird von einer Frau geführt.

Dabei tun Frauen das Gleiche wie Männer: Sie lösen Probleme – zum Beispiel jenes der Wasserverschmutzung, das die Uno zu den grössten globalen Herausforderungen überhaupt zählt. Auch in der Schweiz häufen sich Berichte über Pestizide im Grund- und Trinkwasser. Jetzt hat die ETH-Wissenschaftlerin Fajer Mushtaq (29) ein Ma­terial entwickelt, das sämtliche organischen Schadstoffe im Abwasser beseitigt: Pestizide, Insektizide, Hormone, chemische Abfallprodukte.

Kostenintensive Abfälle

Mushtaq: «Die Schadstoffe entstehen in Laboratorien und Spitälern, in der che­mischen und der Pharma­industrie, in der Nahrungsmittelproduktion und vielen weiteren Einrichtungen.» Die Abfälle seien kostenintensiv, sagt Mushtaq. «Denn Wasser, das nicht gereinigt werden kann, muss teuer und mit ­hohen CO2-Emissionen verbrannt werden.» Entsprechend gross ist das Interesse an Mushtaqs Idee. Vor kurzem gewann sie mit ihrem Start-up Oxyle den Hauptpreis des Venture-Wett­bewerbs, des grössten Start-up-Wettbewerbs der Schweiz.

Auch Carmen Escano (38) und Silvia Marquez (35) wollen mit ihrem Jungunternehmen Nuniq zur Bewältigung eines globalen Umweltpro­blems beitragen: Plastikab­fälle. Allein die Kosmetik­industrie produziert jedes Jahr 120 Milliarden Plastikverpackungen. Nur 14 Prozent davon werden recycelt. Carmen Escano: «Wir kreieren plastikfreie Pflegeprodukte, die wir direkt an die Kunden liefern. So wollen wir eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft fördern.» Mit ihrer Idee erreichten Escano und Marquez den ersten Rang in der Kategorie Einzelhandel des Venture-Wettbewerbs.

Investoren in der Regel männlich

Insgesamt räumten Frauen drei der sechs Preise ab. «Das ist erfreulich, zumal nur ein Viertel der Teilnehmer weiblich ist», sagt Lea Firmin (39), CEO des Venture-Wett­bewerbs. Warum sind Start­ups immer noch eine Männerdomäne? «Frauen sind möglicherweise etwas risikoscheuer», sagt Firmin. «Vor allem aber müssen sie grössere Hürden nehmen, ­besonders wenn es darum geht, Geld von Investoren zu sammeln.» Studien belegen: Obwohl Frauen die gleiche Performance bieten , haben sie bei der Mittelbeschaffung oft das Nachsehen. Denn auch die Investoren sind in der Regel Männer. Firmin: «Gleich und gleich gesellt sich gern.» In den USA sind über 90 Prozent der Entscheidungsträger im Risikokapitalmarkt männlich. «In der Schweiz dürfte das Kräfte­verhältnis ähnlich sein», sagt Firmin.

Das hat Loulia Kassem (28) nicht davon abgehalten, in Lausanne das Start-up Rea zu gründen. Die Pharmazeutin und Gewinnerin des Venture-Publikumspreises löst ein Problem, auf das sie im Spital aufmerksam wurde. Kassem: «Ich bin einer Frau begegnet, die zwei Monate dort war, weil das Risiko einer Früh­geburt bestand.»

Damenbinde mit Biosensor

Zehn Prozent aller Frauen bringen ihr Kind vorzeitig zur Welt. Sobald das Risiko dafür erkannt wird, müssen sie ins Krankenhaus: Es gibt kein ­Instrument zu ihrer Überwachung ausserhalb von Spitälern. Jetzt hat Loulia Kassem eine intelligente Damenbinde mit eingebautem Biosensor entwickelt. Die Binde erkennt Proteine im Vaginalsekret, die eine Geburt anzeigen. So ermöglicht sie den Frauen, trotz des Risikos einer Frühgeburt zu Hause zu bleiben. Damit entfallen unzählige Spitaltage – und massive Gesundheitskosten.

Zuerst jedoch muss Kassem Investoren finden und sie ­davon überzeugen, dass auch Frauen Probleme lösen können – mindestens so gut wie Männer.

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