Kein Thema dominiert den Immobilienmarkt derzeit mehr als die Masse an leer stehenden Wohnungen. BLICK berichtete in den letzten zwölf Monaten immer wieder von Geistersiedlungen. Zum Beispiel die Überbauung Dreilinden am westlichen Stadtrand von Langenthal BE oder Neugrüen in Mellingen AG.
Sind die Leerstände wirklich schon bedrohlich? Das fragen die Autoren des Reports «Immo-Monitoring 2018» von Wüest Partner, der heute Donnerstag veröffentlicht wurde. Darin beziffert der Immobilien-Spezialist die Zahl der leer stehenden Wohnobjekte auf gegenwärtig 64’900, das sind 1,47 Prozent des gesamten Bestandes. «Das hat es seit der Nachkriegszeit noch nicht gegeben», sagt Wüest-Partner-Experte Robert Weinert.
Zahl der Geistersiedlungen steigt weiter
«Auch im kommenden Jahr rechnen wir mit einem weiteren Anstieg leer stehender Wohnungen», so Weinert. Damit dürfte die Zahl der Geistersiedlungen weiter steigen.
Die Immobilien-Abteilung der Credit Suisse (CS) bestätigt: «Es wird ganz klar zu viel gebaut. 2018 wird das zu einem weiteren, spürbaren Anstieg der Leerstände führen», sagt Immo-Experte Thomas Rieder (36). Die Mieter könnten davon profitieren, denn sie hätten bei der Wohnungssuche mehr Auswahlmöglichkeiten.
Leerstände im Oberaargau am höchsten
Der Report mit den neusten Leerstandszahlen deckt auf, dass die regionalen Unterschiede immer grösser werden. Über alle Wohnobjekte gesehen (Miete und Eigentum) ist die Leerstandsquote in Zürich mit 0,21 Prozent am tiefsten und im Oberaargau mit 5,15 Prozent am höchsten (siehe Grafik).
Regionen im Mittelland (Aargau, Solothurn), im Kanton Freiburg sowie im Unterwallis haben ebenfalls überdurchschnittliche Leerstandsquoten. «Gerade bei den Mietwohnungen war der Anteil leer stehender Objekte seit der Jahrtausendwende nie so hoch wie heute», heisst es im Immo-Report.
Anlagenotstand forciert Neubauten
Die Gründe: Im negativen Zinsumfeld wird es zunehmend schwieriger, Geld gewinnbringend anzulegen. «Die vergleichbar hohen Renditen im Immobilienmarkt machen Investments in Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen attraktiv», heisst es im Report. Neubauprojekte würden vorangetrieben. Teilweise geschehe dies «in Gegenden fernab der hohen Wohnungsnachfrage». An der Qualität der Bauprojekte liege es aber nicht, dass manche nach Fertigstellung monatelang keine Mieter finden.
Derzeit befinden sich eine grosse Anzahl Wohneinheiten noch im Bau. Von einem grösseren Angebot und damit mehr Auswahl profitieren die Regionen Basel-Stadt, Glattal-Furttal, Lausanne und Vevey VD.
Wohnungsknappheit besteht dagegen weiterhin in den Regionen Zürich, Genf, Zug und Oberes Baselbiet.
Problematisch für Eigentümer, gut für Mieter
«Problematisch sieht es für Immobilien-Eigentümer in Regionen wie Solothurn, Aigle, La Chaux-de-Fonds und La Sarine aus», heisst es im Report weiter. Hier sind die Leerstände überdurchschnittlich bei ebenfalls überdurchschnittlicher Neubautätigkeit.
«Die Gefahr von beträchtlichen Leerständen in grossen Überbauungen steigt damit an», warnen die Studien-Autoren.
Für Mieter heisst das: mehr Auswahl und berechtigte Hoffnung auf tiefere Mietzinse oder andere Anreize. Das können Gratismonatsmieten oder Zügel- und Reisegutscheine sein, die potenzielle neue Mieter anlocken sollen.
Sowohl Wüest Partner als auch die Immobilien-Experten wollen jedoch trotz Leerstandszunahme noch nicht von einer Krise oder Blase im Wohnimmobilien-Markt sprechen.