E-Trottis breiten sich rasant in Schweizer Städten aus
Warum die Idee mit den E-Trottis zum Scheitern verurteilt ist

Schweizer Innenstädte werden derzeit mit E-Trottinetts geflutet. Was als fortschrittliche Mobilität verkauft wird, sorgt für Ärger. Gefährte liegen herum, sorgen für Unfälle oder verstossen gegen das Gesetz. Erste Anbieter ziehen ihre E-Trottis bereits aus dem Verkehr.
Publiziert: 16.08.2019 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2019 um 09:20 Uhr
  • Sie verstopfen Trottoirs
  • Sie liegen als Sondermüll herum
  • Sie sorgen für Unfälle
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Ist verboten: Zu zweit auf dem E-Trottinett fahren ist gefährlich.
Foto: Leserfoto
Sven Zaugg

Einfach und bequem hätte es sein sollen, das Mieten von Leihrädern wie O-Bikes und Lime. Doch die anarchisch geparkten Velos kamen bei Schweizer Konsumenten schlecht an. Das Chaos war perfekt! Der Billig-Ramsch verstopfte Strassen und Trottoirs. Für die Anbieter geriet der Verleih zum Debakel.

Nach dem Wildwuchs in den vergangenen Jahren sind die Billigräder aus den Schweizer Innenstädten grösstenteils wieder verschwunden. Der Markt hat sich konsolidiert. Geblieben sind jene Unternehmen, die hochwertige Bikes zur Leihe anbieten oder vom Bund unterstützt werden – wie Smide und Publibike.

Gleiches droht nun den E-Trottis! Derzeit werden die grössten Schweizer Städte mit diesen Leih-Gefährten geflutet. Zuletzt hat der schwedische Anbieter Voi in den vergangenen Wochen 100 Fahrzeuge in der Stadt St. Gallen platziert. Mit ihnen rollen Ängste vor neuen Problemen an. 

Kampf um den Platz auf Trottoirs

Schenkt man den E-Trotti-Euphorikern Glauben, läuten die kleinen Flitzer, die sich bereits in den Schweizer Städten wie Zürich, Bern, Genf, Zug, Basel, Winterthur ZH grosser Beliebtheit erfreuen, eine neue Ära der Mikromobilität ein. Knapp 20 Kilo schwer, handlich und überall abstellbar, werden die E-Trottis als effizientes, günstiges und fortschrittliches Verkehrsmittel in den urbanen Zentren der Schweiz gepriesen. 

Das Verkehrschaos in den Städten werden die E-Trottis laut Experten aber nicht lösen. Sie verschärfen vielmehr den Kampf um den Platz auf Trottoirs und Strassen. Und noch mehr Plastik und Akkus dürfte alles andere als umweltfreundlich sein. Zudem droht abermals ein Chaos! Denn oftmals werden sie achtlos liegen gelassen statt sorgsam abgestellt. Den Städten fehlt es an Konzepten, wie der Verleih organisiert werden soll.

Zudem gehört die Nutzung der kleinen Flitzer in angetrunkenem Zustand fast schon zum guten Ton. Das birgt gefahren. Eine Umfrage von BLICK bei Polizeikorps bestätigt Unfälle mit Gefährten diverser Anbieter. Die Unfallversicherung Suva sammelt laut einem Bericht der «SonntagsZeitung» zurzeit Daten: Gemäss Hochrechnungen dürfte es schweizweit zu jährlich 80 Unfällen mit Verletzten kommen. Geschätzte Kosten pro Jahr: 500'000 Franken.

Viele Anbieter werden scheitern

Hinter den aktuell in der Schweiz herumkurvenden Modellen wie Bird, Circ, Tier und Voi stehen US-Start-ups, in deren Kassen innert kurzer Zeit Millionensummen von Investoren geflossen sind. Die Euphorie ist gross: Die Unternehmensberatung McKinsey glaubt, dass sich mit E-Trottinetts und E-Bikes in den nächsten zehn Jahren in Europa 150 Milliarden Franken umsetzen lässt.

«Aktuell sehen wir einen Wettlauf verschiedenster Player», sagt Mobilitätsexperte Philip James Douglas (44) zu BLICK. Doch die Frage sei nicht mehr, ob die Blase platze – sondern nur noch wann. Wegen einer Unfallserie aufgrund von Softwareproblemen hat E-Trotti-Anbieter Lime Anfang Jahr seine Flitzer in Zürich und Basel umgehend wieder aus dem Verkehr gezogen.

Gekommen, um zu verschwinden

Verkehrsspezialisten fordern europaweit einen Master-Plan für die E-Trotti-Flut. Paris hat die Flitzer eben erst von den Trottoirs verbannt. Wer sie dort abstellt, dem droht eine Busse von 35 Euro. Auch soll es in Zukunft feste Regeln geben, wie und wo die Trottis platziert werden dürfen. Die Mailänder Behörden riefen die Verleiher dazu auf, sämtliche E-Trottis sofort einzuziehen. Grund für das Verbot seien die vielen Unfälle. Und Politik und Polizei fordern in Deutschland schärfere Vorschriften, zum Beispiel eine Null-Promille-Grenze für E-Trotti-Fahrer.

Auf eigene Rechnung

Damit die E-Trottis immer einsatzbereit sind, kümmern sich sogenannte Juicer um das Laden der Akkus. Sie sammeln die Elektroroller mit leerem Akku ein, laden sie wieder auf und verdienen sich so etwas Geld. Dieses Geschäftsmodell nennt sich Gig Economy oder Plattformökonomie. Dabei stellen die Unternehmen lediglich die digitale Plattform, die App auf dem Smartphone, zur Verfügung. Für alles andere muss der Juicer aufkommen: Auto, Strom oder Versicherungen. Die Folge: prekäre Arbeitsbedingungen. Das sorgte bereits für harsche Kritik vonseiten der Gewerkschaften: Sie werfen solchen Unternehmen – auch Uber gehört dazu – vor, sich der sozialen Verantwortung zu entziehen. Auch der Pionier des Sharing-Models in der Schweiz, Mobility, beurteilt die Strategie der E-Trotti-Verleiher kritisch. «Ob sich solche Geschäftsmodelle langfristig durchsetzen werden, ist zurzeit unklar», wiegelt eine Sprecherin ab. Zudem sei eine künftige Rentabilität noch schwer abzuschätzen. Sven Zaugg

Damit die E-Trottis immer einsatzbereit sind, kümmern sich sogenannte Juicer um das Laden der Akkus. Sie sammeln die Elektroroller mit leerem Akku ein, laden sie wieder auf und verdienen sich so etwas Geld. Dieses Geschäftsmodell nennt sich Gig Economy oder Plattformökonomie. Dabei stellen die Unternehmen lediglich die digitale Plattform, die App auf dem Smartphone, zur Verfügung. Für alles andere muss der Juicer aufkommen: Auto, Strom oder Versicherungen. Die Folge: prekäre Arbeitsbedingungen. Das sorgte bereits für harsche Kritik vonseiten der Gewerkschaften: Sie werfen solchen Unternehmen – auch Uber gehört dazu – vor, sich der sozialen Verantwortung zu entziehen. Auch der Pionier des Sharing-Models in der Schweiz, Mobility, beurteilt die Strategie der E-Trotti-Verleiher kritisch. «Ob sich solche Geschäftsmodelle langfristig durchsetzen werden, ist zurzeit unklar», wiegelt eine Sprecherin ab. Zudem sei eine künftige Rentabilität noch schwer abzuschätzen. Sven Zaugg

Anderes Bild in der Schweiz: Hier spannt die SBB in Zürich exklusiv mit Circ zusammen. Vorteil für den Anbieter: E-Trottinetts sollen sich bald mit dem Swiss Pass freischalten lassen. Lösen sich die Probleme vielleicht bald von selbst? «Es werden nur die Anbieter überleben, die sinnvolle Partnerschaften eingehen – zum Beispiel mit dem Fahrdienst Uber», ist Experte Douglas überzeugt. Oder eben der SBB. Der Rest wird – so wie die billigen Leihvelos – schnell wieder verschwinden.

Tier verlangt 1 Franken Aufschaltgebühr

Tier, ebenfalls ein deutsches Unternehmen, ist seit Mai 2019 auch in der Schweiz aktiv. Und zwar grad im grossen Stil mit 600 E-Trottis in Zürich, 200 stehen in Basel. Das Freischalten des Gefährts kostet 1 Franken, jede weitere Minute Fahrt 30 Rappen. Tier-Scooter gibt es mittlerweile in 31 Städten Europas, Tendenz steigend. In einem Monat hat Tier in Deutschland 1 Million Fahrten verzeichnet. In Europa hat das Start-up nach eigenen Angaben die Marke von 5 Millionen Ausleihungen geknackt.

Tier, ebenfalls ein deutsches Unternehmen, ist seit Mai 2019 auch in der Schweiz aktiv. Und zwar grad im grossen Stil mit 600 E-Trottis in Zürich, 200 stehen in Basel. Das Freischalten des Gefährts kostet 1 Franken, jede weitere Minute Fahrt 30 Rappen. Tier-Scooter gibt es mittlerweile in 31 Städten Europas, Tendenz steigend. In einem Monat hat Tier in Deutschland 1 Million Fahrten verzeichnet. In Europa hat das Start-up nach eigenen Angaben die Marke von 5 Millionen Ausleihungen geknackt.

Voi

Voi ist eine schwedische Firma, die im November 2018 ihre erste Finanzierungsrunde mit Investitionen von 50 Millionen erfolgreich zu Ende gebracht hat. In der Schweiz ist sie seit dem 1. Juni in Winterthur ZH präsent – und zwar mit mickrigen 100 E-Trottis. Seit kurzem sind sie auch in St. Gallen erhältlich. Die  Expansion ins deutlich lukrativere Zürich soll erst Ende Sommer stattfinden. Für die Schweden hat der deutsche Markt Priorität. Die Startgebühr beträgt in St. Gallen zwei Franken, für jede weitere Minute werden der Kreditkarte 30 Rappen berechnet. 

Voi ist eine schwedische Firma, die im November 2018 ihre erste Finanzierungsrunde mit Investitionen von 50 Millionen erfolgreich zu Ende gebracht hat. In der Schweiz ist sie seit dem 1. Juni in Winterthur ZH präsent – und zwar mit mickrigen 100 E-Trottis. Seit kurzem sind sie auch in St. Gallen erhältlich. Die  Expansion ins deutlich lukrativere Zürich soll erst Ende Sommer stattfinden. Für die Schweden hat der deutsche Markt Priorität. Die Startgebühr beträgt in St. Gallen zwei Franken, für jede weitere Minute werden der Kreditkarte 30 Rappen berechnet. 

Bird verlangt 45 Rappen pro Minute

Bird ist ein amerikanisches Start-up aus dem Technologie-Mekka Silicon Valley. Mit der Firmengründung im April 2017 ist die Firma ein E-Scooter-Urgestein. Bird soll von Investoren mit 2,5 Milliarden US-Dollar bewertet werden. Die Firma ist erst seit Oktober 2018 in der Schweiz tätig. In Zürich stehen derzeit 400 E-Trottis, in Winterthur ZH seit kurzem deren 100. Das Freischalten des Gefährts kostet 1 Franken, die Fahrt 45 Rappen pro Minute. Damit ist Bird der teuerste Anbieter in der Schweiz.

Bird ist ein amerikanisches Start-up aus dem Technologie-Mekka Silicon Valley. Mit der Firmengründung im April 2017 ist die Firma ein E-Scooter-Urgestein. Bird soll von Investoren mit 2,5 Milliarden US-Dollar bewertet werden. Die Firma ist erst seit Oktober 2018 in der Schweiz tätig. In Zürich stehen derzeit 400 E-Trottis, in Winterthur ZH seit kurzem deren 100. Das Freischalten des Gefährts kostet 1 Franken, die Fahrt 45 Rappen pro Minute. Damit ist Bird der teuerste Anbieter in der Schweiz.

Circ verlangt 35 Rappen pro Minute

Circ ist ein Berliner Start-up, das einen Firmensitz im Kanton Zürich hat. Das Unternehmen hat eine Partnerschaft mit den SBB und nannte sich früher Flash. Circ ist in Zürich mit 550 E-Trottis präsent. Auch in Winterthur ZH, Basel und Zug kann man Circ-Scooter mieten. Die Startgebühr beträgt einen Franken, die Minute Fahrt steht mit 35 Rappen zu Buche. Circ dürfte vom Deal mit den SBB profitieren. An diversen Bahnhöfen gibt es in Gleisnähe markierte Abstellflächen, die für Circ reserviert sind.

Circ ist ein Berliner Start-up, das einen Firmensitz im Kanton Zürich hat. Das Unternehmen hat eine Partnerschaft mit den SBB und nannte sich früher Flash. Circ ist in Zürich mit 550 E-Trottis präsent. Auch in Winterthur ZH, Basel und Zug kann man Circ-Scooter mieten. Die Startgebühr beträgt einen Franken, die Minute Fahrt steht mit 35 Rappen zu Buche. Circ dürfte vom Deal mit den SBB profitieren. An diversen Bahnhöfen gibt es in Gleisnähe markierte Abstellflächen, die für Circ reserviert sind.

So funktioniert die Ausleihe

Erst lädt man sich die App des Anbieters seines Vertrauens herunter. Diese zeigt einem dann in Echtzeit an, wo das nächste E-Trotti steht. Die Gefährte verfügen über ein eingebautes GPS, so gestaltet sich die Suche meist einfach. Einmal gefunden, muss man das Gefährt entsperren. Das machen die Nutzer über die App der Anbieter. Das Entsperren kostet überall einen Franken. Danach zahlt man pro Minute. Nach der Fahrt stellt man das E-Trotti ab, wenn man es nicht braucht. Per App beendet man die Fahrt. Dann werden die Kosten berechnet, welche über die hinterlegte Kreditkarte abgebucht werden. Patrik Berger

Erst lädt man sich die App des Anbieters seines Vertrauens herunter. Diese zeigt einem dann in Echtzeit an, wo das nächste E-Trotti steht. Die Gefährte verfügen über ein eingebautes GPS, so gestaltet sich die Suche meist einfach. Einmal gefunden, muss man das Gefährt entsperren. Das machen die Nutzer über die App der Anbieter. Das Entsperren kostet überall einen Franken. Danach zahlt man pro Minute. Nach der Fahrt stellt man das E-Trotti ab, wenn man es nicht braucht. Per App beendet man die Fahrt. Dann werden die Kosten berechnet, welche über die hinterlegte Kreditkarte abgebucht werden. Patrik Berger

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