Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, soll 1789 gesagt haben: «Nur zwei Dinge auf Erden sind gewiss: der Tod und die Steuern.»
Schweizerinnen und Schwei- zer zahlen im internationalen Vergleich eher niedrige Steuern. Dennoch sind Steuerschulden hier die häufigste Schuldenart.
Eine exklusive Umfrage von SonntagsBlick bei allen 26 Kantonen zeigt, wie verbreitet diese Notlage ist. Demnach werden mehr als 334'000 Steuerpflichtige wegen offener Steuerschulden betrieben. Im Schnitt folgt damit auf mehr als jede 20. Steuerrechnung ein Betreibungsverfahren durch die öffentliche Hand.
In Wahrheit liegt die Zahl sogar noch höher. Denn einige grosse Kantone wie Zürich, Aargau, Wallis, Solothurn und Thurgau konnten nur Zahlen liefern bezüglich Betreibungen, die zur Einforderung der Bundessteuern eingeleitet wurden. Über das Inkasso der Gemeinde- und Kantonssteuern, so die Behörden, besässen sie keine Informationen, diese würden von den Gemeinden eingezogen.
Christoph Mattes von der Fachhochschule Nordwestschweiz, der seit Jahren die Verschuldung in der Schweiz erforscht, kommentiert die Anzahl der Steuerbetreibungen kurz und bündig: «Das ist zu viel!»
Teufelskreis aus Betreibung, Pfändung und Verschuldung
Der Schuldenexperte gibt zu bedenken, dass die Betroffenen bei einer laufenden Betreibung kaum eine Chance haben, die laufenden Steuern zu bezahlen. Die nämlich seien im betreibungsrechtlichen Existenzminimum nicht enthalten.
Mattes erklärt, was das bedeutet: «Wer betrieben wird, muss die nächste Steuerrechnung aus dem unpfändbaren Einkommen bezahlen – und dadurch meist andere Schulden machen. Oder er kann die Steuerrechnung erneut nicht bezahlen. Dann ist die nächste Betreibung vorprogrammiert.»
So gerieten die Betroffenen in einen Teufelskreis aus Betreibung, Pfändung und erneuter Verschuldung beim Steueramt. Als Lösung schlägt der Experte einen direkten Abzug der Steuern von der Lohnzahlung vor: «Das würde das Problem wirksam abschaffen, weil zumindest bei Arbeitnehmern keine Steuerschulden mehr entstehen könnten.»
Im Ausland sei der direkte Lohnabzug gang und gäbe. Mattes: «Mit Ausnahme von Grossbritannien werden in allen europäischen Staaten die Steuern direkt vom Lohn abgezogen.» Dort gebe es daher Steuerschulden fast nur bei selbständig Erwerbenden.
Steuern sollen Existenzminimum berücksichtigen
Sébastien Mercier, Geschäftsleiter der Schuldenberatung Schweiz, macht sich ebenfalls für den direkten Lohnabzug der Steuern stark: «Wichtig ist aber auch, dass Menschen, die am Existenzminimum leben, komplett von der Steuerlast befreit werden.»
Merciers Minimalforderung: Die laufenden Steuern sollten endlich im betreibungsrechtlichen Existenzminimum berücksichtigt werden: «Nur so haben Betroffene eine echte Chance, aus der Schuldenspirale auszubrechen.»
Immerhin tut sich gerade etwas in Bundesbern, was zumindest die letzte Forderung betrifft. Das Parlament beauftragte im Sommer das Bundesamt für Justiz, eine Vorlage zum sogenannten Sanierungsverfahren für Privatpersonen auszuarbeiten.
Für Details sei es noch zu früh, teilt die Behörde mit. Die «Berechnung des Existenzminimums unter Einbezug der Steuern» jedoch werde im Rahmen der Erarbeitung der Vorlage durchaus überprüft.