Die Staatshilfe des Bundes hat inzwischen rund 93 Milliarden Franken erreicht. Das reisst ein riesiges Loch in die Bundeskasse. Viele in der Schweiz könnten sich noch nicht vorstellen, was die Kosten der Corona-Krise für unseren Wohlstand bedeuten. Das sagt Thomas Jordan (57), Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), im Gespräch mit der «SonntagsZeitung». Die Krise könne schwerwiegende Folgen für den hohen Lebensstandard in der Schweiz haben.
Die Schweiz müsse sich auf den «grössten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg beziehungsweise seit der Grossen Depression der 1930er-Jahre» gefasst machen. Jordan spricht in seinem ersten Interview seit dem Ausbruch der Pandemie von einer «weltweit dramatischen Entwicklung», die auch die «Schweizer Wirtschaft hart» treffe: «Wir werden noch länger mit den Nachwirkungen der Corona-Krise leben müssen».
Wohlstand in Gefahr
Demnach sei die Wirtschaftstätigkeit in der Schweiz seit Ausbruch der Krise um 20 bis 30 Prozent eingebrochen, was enorme Kosten von etwa 11 bis 17 Milliarden Franken pro Monat verursache: «Viele können sich vielleicht noch gar nicht vorstellen, was diese Zahlen für den Wohlstand in der Schweiz bedeuten», so Jordan. «Aber an diesen Kosten werden wir noch Jahre zu kauen haben.»
Grösste Gefahr sieht Jordan in einem zweiten Pandemie-Schock, wenn es erneut zu einer Krise komme: «Wenn die Wirtschaftsaktivität in Kürze noch einmal auf nur 70 Prozent des normalen Niveaus fällt, kann das auch ein reiches Land wie die Schweiz nicht ohne weiteres wegstecken.»
Die Schweiz habe sich künftig für eine vergleichbare Notlage zu wappnen, «ohne solche extremen Einschränkungen in der Wirtschaft vornehmen zu müssen. Sonst wird unser Wohlstand stark verringert.»
Schweizer Erholung von Entwicklung im Ausland abhängig
Wenn es keine rasche Erholung gebe, dann würden auch gesunde Firmen untergehen, die in einer normalen Rezession überlebt hätten, und dabei gingen auch Arbeitsplätze verloren.
Laut Jordan sei rund die Hälfte der Schweizer Wirtschaft exportorientiert. Deshalb sei es auch «massgebend, inwiefern die Märkte im Ausland offenbleiben und inwiefern die dort getroffenen Massnahmen die internationale Konjunktur stabilisieren können».
Enormer Aufwertungsdruck beim Franken
Gegen einen allzu starken Franken wolle die SNB mit weiteren Devisenmarktinterventionen vorgehen, so Jordan. Eine weitere Zinssenkung sieht er dabei im Moment nicht als das vorrangige Instrument zur Bekämpfung der Frankenstärke, die für die Exportwirtschaft schädlich ist.
«Falls nötig haben wir noch Handlungsspielraum. Aber wir konzentrieren uns jetzt auf Devisenmarktinterventionen, um den Druck auf den Schweizer Franken zu begrenzen», sagte Jordan in einem Interview der «Tribune de Genève».
Negativzins notwendig, um «grösseren Schaden abzuwenden»
Er sehe keine Alternative zur Fortführung der gegenwärtigen ultralockeren Geldpolitik. «Es ist ja nun wirklich nicht so, dass wir uns über den Negativzins freuen», sagte Jordan. «Wir werden ihn sofort aufheben, sobald die Umstände das möglich machen.» Aber gegenwärtig sei der Negativzins von minus 0,75 Prozent notwendig, um grösseren Schaden für das Land abzuwenden. (kes/SDA)
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