Vor drei Jahren schockte Thomas Jordan (54) die Schweiz: Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verkündete das Ende des Euro-Franken-Mindestkurses bei 1.20 Franken. Sie würde diesen nicht mehr mit Euro-Käufen halten – zu teuer! Gestern enthüllte BLICK: Die SNB hat seitdem trotzdem 200 Milliarden Franken in Euro-Käufen verlocht. Es wäre wohl billiger gewesen, die Grenze gar nicht aufzuheben.
Nicht nur das tut weh. Der Frankenschock – so wird die SNB-Aktion seither genannt – zerstörte in der Schweiz Tausende Arbeitsplätze. So denken Wirtschafts- und Politikvertreter heute darüber.
Roland Goethe (58), Präsident Swissmechanic Schweiz und Unternehmer bei der Goethe AG, Glarus
«Es scheint so, dass die SNB sogar weniger Geld in den Euro hätte investieren müssen, wenn sie die Mindestkursgrenze nicht aufgehoben hätte. Wenn man die Margenverluste der Exportindustrie noch dazurechnet plus den volkswirtschaftlichen Schaden durch die vernichteten Arbeitsplätze, wird das Ganze erst recht zum Fiasko. Wir sind nach wie vor unzufrieden mit dem Eurokurs, wo er jetzt steht. Man sollte nicht vergessen, dass wir 2008 noch bei CHF 1.60 standen. Ein erschreckend hoher Anteil an Betrieben erwirtschaftet zu geringe Margen oder macht Verluste. Da fehlt das Geld zur Erneuerung und zur Reinvestition. Ohne Investitionen gehen dort irgendwann die Lichter aus. Für immer!»
Daniel Lampart (49), Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes
«Der Tourismus kam wegen des teuren Frankens unter die Räder. Am meisten haben aber die klassischen Export-Branchen wie die Maschinen- und Textilindustrie gelitten.» Auch die Importeure hätten nicht gejubelt: «Nein. Sie mussten die billigeren Einkaufspreise an die Kunden weitergeben und haben das mehrheitlich schnell getan.»
Andreas Burgener (58), Direktor der Importeure-Vereinigung Auto Schweiz
«Für uns war der Frankenschock ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite konnten wir deutlich mehr Autos verkaufen. Aber die Marge ist geschmolzen.» Am schlimmsten sei es für die Occasionshändler gewesen. «Diese hatten ihre Autos zum Preis vor dem Frankenschock gekauft – auf einen Schlag mussten sie die Abwärtsbewegung im Markt mitmachen.»
Valentin Vogt (57), Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes und Mitglied des Wirtschaftsbeirats der Schweizerischen Nationalbank
«Für die einzelnen betroffenen Firmen war und ist es schwierig.» Die SNB-Aktion habe sicher 20'000 Stellen gekostet, aber es seien seither wieder mehr neue Stellen geschaffen worden, als damals abgebaut werden mussten. Für die Zukunft ist er sehr optimistisch: «Wir sind dafür jetzt gut vorbereitet, um vom kommenden Aufschwung zu profitieren.»
Corrado Pardini (52, BE), SP-Nationalrat
«Was wir vor drei Jahren vorausgesagt haben, hat sich bestätigt: Die Mindestkurs-Aufhebung war ein riesiger und nachhaltiger Fehler. Die Nationalbank hat der Volkswirtschaft massiven Schaden zugefügt, wie wir in einer Studie der HSG belegt haben. Viele Unternehmen leben aufgrund fehlender Margen von der Substanz. Das Geld für Investitionen fehlt.» Er fordert einen Fonds, der günstige Kredite an KMU vergibt. Zudem brauche es Geld für Forschung und Entwicklung. Und schliesslich pocht er auf eine breite Bildungsoffensive für über 30-Jährige. «Der Wechselkurs darf keine Lotterie sein, bei der wir verlieren.»
Petra Gössi (41, SZ), FDP-Präsidentin
«Unternehmen wurden noch wettbewerbsfähiger. Die Frage ist, was geschehen wäre, wenn der Mindestkurs nicht aufgehoben worden wäre. Mit dem damaligen Kenntnisstand erachte ich den Entscheid der SNB als richtig, auch wenn er für die Exportwirtschaft und die Industrie schmerzhaft war. Im Resultat hat der Entscheid auch dazu geführt, dass Unternehmen noch wettbewerbsfähiger wurden und heute weiterhin zur Weltspitze gehören. Damit die Schweiz wettbewerbsfähig bleibt und Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden können, müssen wir jedoch den Regulierungsabbau vorantreiben.»
Thomas Aeschi (38, ZG), SVP-Fraktionschef
«Die SNB ist unabhängig und muss es auch in Zukunft bleiben – das ist entscheidend für unsere Währungspolitik. Die Aufblähung der Bilanz der SNB ist eine gefährliche Entwicklung.» Mit der ungebremsten Geldvermehrung steuere man auf eine neue Finanzblase und eine darauf folgende Rezession hin. Für die SNB würde dies bedeuten, «nicht mehr unbeschränkt Geld zu drucken, um damit ausländische Währungen zu kaufen.» Auch anderweitig hält Aeschi Rat bereit: «Die Löhne bei der SNB und die Mitarbeiterzahl haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Hier muss die SNB lernen, Mass zu halten.»
Vor drei Jahren machte die Schweizerische Nationalbank (SNB) Schluss mit dem Mindestkurs. Wie BLICK nun zeigte, war das nicht das Ende der Eurokäufe. Im Gegenteil: Seit Januar 2015 hat die SNB für 200 Milliarden Franken Euros gekauft.
Diese Tatsache überrascht US-Ökonom Scott Sumner nicht. Für den angesehenen Wirtschaftsprofessor – das renommierte US-Magazin «Foreign Policy» zählte ihn 2012 zu den 100 wichtigsten Denkern weltweit – war zwei Tage nach dem SNB-Entschluss klar: Die Rechnung «Weniger hohes Ziel, weniger Intervention» wird nicht aufgehen.
Im Februar 2015 legte er auf seinem Blog «The Money Illusion» nach: «Die SNB hat letzten Monat etwas sehr Dummes getan.»
Falscher Zeitpunkt
Im Gespräch mit BLICK bestätigt der Professor für Geldpolitik seine damalige Sicht: «Die Aufwertung des Frankens war im Januar 2015 kein guter Entscheid.» In der Folge sei es gar zu einer leichten Deflation gekommen.
Worauf stützt der US-Ökonom seine vernichtende Kritik der SNB? Sein Hauptargument: Die Währungshüter hätten mit ihrem Entscheid den Status des Frankens als sicheren Hafen gestärkt. Die Nachfrage und der Preis ziehe an, Spekulanten stiegen wieder ein.
Dänen machten es besser
Dass der Entscheid der SNB keinesfalls alternativlos war, zeigt laut Sumner Dänemark. Zeitgleich mit dem Franken stand die Dänische Krone unter massivem Druck. Die Dänen aber hielten am Fixkurs zum Euro fest – und siehe da, vermehrte Stützkäufe waren nur kurzfristig nötig.
Sobald Spekulanten vom Festhalte-Kurs der Dänischen Nationalbank überzeugt waren, sank der Druck auf die Währung, und die Notenbanker konnten ihre Interventionen zurückfahren. Fazit: Die Dänen haben Spekulanten besser und günstiger im Griff.
Vor drei Jahren machte die Schweizerische Nationalbank (SNB) Schluss mit dem Mindestkurs. Wie BLICK nun zeigte, war das nicht das Ende der Eurokäufe. Im Gegenteil: Seit Januar 2015 hat die SNB für 200 Milliarden Franken Euros gekauft.
Diese Tatsache überrascht US-Ökonom Scott Sumner nicht. Für den angesehenen Wirtschaftsprofessor – das renommierte US-Magazin «Foreign Policy» zählte ihn 2012 zu den 100 wichtigsten Denkern weltweit – war zwei Tage nach dem SNB-Entschluss klar: Die Rechnung «Weniger hohes Ziel, weniger Intervention» wird nicht aufgehen.
Im Februar 2015 legte er auf seinem Blog «The Money Illusion» nach: «Die SNB hat letzten Monat etwas sehr Dummes getan.»
Falscher Zeitpunkt
Im Gespräch mit BLICK bestätigt der Professor für Geldpolitik seine damalige Sicht: «Die Aufwertung des Frankens war im Januar 2015 kein guter Entscheid.» In der Folge sei es gar zu einer leichten Deflation gekommen.
Worauf stützt der US-Ökonom seine vernichtende Kritik der SNB? Sein Hauptargument: Die Währungshüter hätten mit ihrem Entscheid den Status des Frankens als sicheren Hafen gestärkt. Die Nachfrage und der Preis ziehe an, Spekulanten stiegen wieder ein.
Dänen machten es besser
Dass der Entscheid der SNB keinesfalls alternativlos war, zeigt laut Sumner Dänemark. Zeitgleich mit dem Franken stand die Dänische Krone unter massivem Druck. Die Dänen aber hielten am Fixkurs zum Euro fest – und siehe da, vermehrte Stützkäufe waren nur kurzfristig nötig.
Sobald Spekulanten vom Festhalte-Kurs der Dänischen Nationalbank überzeugt waren, sank der Druck auf die Währung, und die Notenbanker konnten ihre Interventionen zurückfahren. Fazit: Die Dänen haben Spekulanten besser und günstiger im Griff.