Facebook schlägt nach der Ankündigung, eine selbst entwickelte Kryptowährung zu lancieren, weltweit Kritik entgegen. Politiker und Konsumentenschützer sorgen sich vor allem um den Datenschutz. Befürchtungen kommen auf, dass Libra – so nennt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (35) das Digitalgeld – das System der traditionellen Banken ins Wanken bringt.
Was ist Libra?
Unter der Führung des 500-Milliarden-Konzerns Facebook will ein Konsortium unter anderem mit Visa, PayPal, Ebay, Spotify oder Uber eine neue Währung schaffen. Libra soll eine Art Weltwährung sein – stabil und überall einsetzbar. Weltweite Transaktionen sollen damit günstiger, schneller, sicherer und natürlich einfacher werden. Das zumindest verspricht Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der Sitz der Libra Association ist in Genf. Sie überwacht und steuert das Netzwerk.
Wie kann ich die neue Währung nutzen?
Noch gar nicht. Die Währung wird voraussichtlich 2020 in Umlauf kommen. Facebook will es Konsumenten möglichst einfach machen, Geld zwischen Libra und anderen Währungen zu tauschen und Transaktionen zu tätigen. So soll man Libra-Überweisungen zum Beispiel direkt in Facebooks Chatdiensten Whatsapp und Messenger ausführen können. In einem zweiten Schritt sollen auch Dienstleistungen und Produkte online gekauft werden können. Später werden Libra-Besitzer auch Rechnungen begleichen oder Kredite aufnehmen können. Mit einer Verknüpfung zum Bankkonto soll Libra auch direkt auf dem Smartphone in andere Währungen umgetauscht werden können
Was ist der Unterschied zu Bitcoin?
Die neue Währung soll kein Spekulationsobjekt sein. Der wichtigste Unterschied zu Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether ist, dass es sich bei Libra um eine sogenannte Stablecoin handelt. Der Wert der Facebook-Währung ist an den Wert einer oder mehrerer Fiatwährungen geknüpft, etwa US-Dollar oder Euro. Damit sollen extreme Kursschwankungen vermieden werden. Der zweite grosse Unterschied liegt im Grundkonzept: Bitcoin und Co. sind offen und dezentral organisiert, jeder kann etwa mit Hochleistungscomputern Bitcoins schürfen, also analog zu einer Nationalbank virtuelles Geld drucken. Bei der Facebook-Lösung ist das nur dem Konsortium in Genf möglich.
Woran könnte Libra scheitern?
Bereits heute gibt es Fintech-Unternehmen wie Revolut, die für Zahlungen und Transaktionen günstige Bankenalternativen anbieten. Da dürften die Chancen in Afrika, Asien oder Südamerika grösser sein, wo der Zugang zum Handy einfacher ist als zum Bankkonto. Grösstes Hindernis ist Facebook selber. Der für das Projekt zuständige Manager David Marcus (45) versichert zwar, Facebook werde keinen Zugang zu den Transaktionsdaten haben. Das soziale Medium steht insbesondere nach dem Skandal um Cambridge Analytica unter massivem Druck, den Datenschutz zu verbessern. Doch es hat hier ein Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsproblem.
Macht das neue Facebook-Geld die Schweizer Banken kaputt?
Libra ist in erster Linie ein Zahlungsabwicklungssystem. Ob es dazu eine neue Währung braucht, ist fraglich. Man könnte auch einfach den Dollar verwenden. «Der Vorteil bei Facebook gegenüber Zahlungssystemen wie Twint ist, dass die notwendige App schon beim Start sehr weit verbreitet ist», sagt Thomas Stucki (55), Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Zwei Milliarden Menschen nutzen Facebook. Trotzdem bezweifelt Stucki, dass die Währung die aktuellen Zahlungssysteme komplett ersetzen kann.
Was heisst das für die Banken?
Wenn sich das System durchsetzt und die Zahlungen in Zukunft ohne Banken stattfinden, fällt ein Zugang zu den Kunden weg. «Andererseits», sagt Stucki, «sind die Zahlungen nur ein kleiner Teil der Dienstleistungen, die die Banken ihren Kunden anbieten.» Allerdings: Banken verdienen heute gutes Geld mit einfachen Transaktionen wie Überweisungen. Kommt Zuckerbergs Währung zum Fliegen, erwächst der Finanzbranche gerade bei grenzüberschreitenden Geldüberweisungen ein mächtiger Konkurrent.
Müssen die Zentralbanken Angst vor Facebook haben?
Nein, die neue Währung wird gemäss Konzept mit bestehendem Zentralbankgeld vollständig hinterlegt. «Damit bleibt ihr Wert stabil und läuft nicht Gefahr, eine Achterbahnfahrt wie die Kryptowährung Bitcoin hinzulegen», sagt Stucki. Es wird nicht unabhängig von den Zentralbanken neues Geld geschaffen. Allerdings: Facebook erhöht den Handlungsdruck auf Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden, sich ernsthaft mit digitalen Währungen zu beschäftigen. Dazu gehören Fragen zu Geldschöpfung und Wechselkursen, aber auch zu Schwarzgeldbekämpfung sowie Konsumenten- und Anlegerschutz.