Kein Computer, keine Homepage, nicht mal Fax: Die Krankenkasse mit den tiefsten Prämien der Schweiz arbeitet mit Methoden von vorgestern. Daniel Rüegg (63) ist Präsident, Geschäftsführer und einziger Angestellter der Krankenkasse in Turbenthal, einem 4600-Seelen-Dorf im Zürcher Oberland. Die wichtigsten Gegenstände im Ein-Mann-Büro: eine Karteikärtli-Box für die gut 400 Versicherten und eine Schreibmaschine vom Typ Hermes Ambassador.
Rüegg sagt: «Wenn alle so arbeiten würden wie ich, hätten wir keine Prämienexplosion.» Im Schnitt zahlen die Schweizer 447 Franken pro Monat für die Grundversicherung, die Versicherten der Krankenkasse Turbenthal nur 255 Franken.
Mit BAG vors Bundesverwaltungsgericht
Trotzdem will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Krankenkasse Turbenthal die Zetteliwirtschaft verbieten. «Der Bund will meine Kasse loswerden!», ruft Rüegg aus und verwirft die Hände, als BLICK ihn besucht.
Das BAG verlangt von ihm seit 2014, die Daten seiner Versicherten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Weil Rüegg dagegen Rekurs eingelegt hat, schleppte ihn das BAG jetzt vor das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. Wann dieses entscheidet, ist noch nicht klar.
Das BAG will zum Gerichtsfall nicht Stellung nehmen. Es schreibt nur: «Die Arbeitsweise hat einen Einfluss auf die Verwaltungskosten.» Diese liegen bei Rüegg mit 236 Franken pro Versicherten deutlich über dem Schweizer Schnitt von 160 Franken.
Führen Sie Ihr Geschäft auch noch mit Schreibmaschine und Karteikärtchen? Oder kennen Sie jemand anderen, der noch ohne digitale Hilfsmittel arbeitet? Dann melden Sie sich bei BLICK unter redaktion@blick.ch oder rufen Sie uns an unter 044 259 89 89.
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Die Pleite droht
Würde ein Computer die Krankenkasse Turbenthal also noch billiger machen? Rüegg hält dagegen: «Nein. Die hohen Verwaltungskosten kommen von den vielen Verordnungen des BAG. Zum Beispiel muss ich die Revision durch einen Buchprüfer vornehmen lassen, der mich rund 15'000 Franken kostet. Computerprogramme für Krankenkassen sind hochkomplex und müssen dauernd angepasst werden.»
Rüegg schätzt den zusätzlichen Aufwand auf 65'000 Franken pro Jahr. «Die Verwaltungskosten würden stark steigen. Ich müsste die Kasse vermutlich auflösen.»
Es gibt aber andere Gründe, warum die Prämie bei der Krankenkasse Turbenthal so tief ist: Sie versichert nur Einwohner von Turbenthal und zweier Nachbargemeinden. Rüegg: «Das gibt Nähe.» Und sie bietet aus Solidarität nur die tiefste Franchise an, nämlich 300 Franken. Die anderen Kassen seien mit ihren vielen wählbaren Franchisen für die Prämienexplosion verantwortlich.
«Ihre Chefs sagen mir aber trotzdem oft, mein Modell funktioniere nicht. Und morgen sei ich weg», erzählt Rüegg. «Aber ich bin immer noch da.»
Fragt sich nur, wie lange noch.
Acht Krankenkassen sind fast pleite. Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervor. Von ihnen verlangt das BAG monatlich einen Rapport ihrer finanziellen Situation. Weitere acht Kassen verfügen über ungenügende Reserven. Namen nennt das BAG keine. Sicher ist, dass die Krankenkasse Turbenthal nicht zu den Pleitekandidaten gehört. Ihre Reserven von 1,6 Millionen Franken übersteigen gemäss krankenkassendirekt.ch das Minimum um das Siebenfache. Die Zahl der Kassen ist seit der Einführung des KVG 1996 von 145 auf 55 gefallen. Lokale Kleinkassen gibt es kaum mehr.
Acht Krankenkassen sind fast pleite. Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervor. Von ihnen verlangt das BAG monatlich einen Rapport ihrer finanziellen Situation. Weitere acht Kassen verfügen über ungenügende Reserven. Namen nennt das BAG keine. Sicher ist, dass die Krankenkasse Turbenthal nicht zu den Pleitekandidaten gehört. Ihre Reserven von 1,6 Millionen Franken übersteigen gemäss krankenkassendirekt.ch das Minimum um das Siebenfache. Die Zahl der Kassen ist seit der Einführung des KVG 1996 von 145 auf 55 gefallen. Lokale Kleinkassen gibt es kaum mehr.