Weitere Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen womöglich nicht bezahlter Steuern. Die «Bild am Sonntag» zitiert aus den Ermittlungsakten - es geht unter anderem um Überweisungen von insgesamt rund zehn Millionen Euro auf Schweizer Konten in den vergangenen beiden Jahren. Der Nachrichtenagentur DPA wurden Existenz und Inhalt am Sonntag bestätigt.
Die Steuerermittlungen hätten mit den Vorwürfen im Abgasskandal nichts zu tun, sagte Winterkorns Anwalt Felix Dörr am Sonntag der DPA. Dörr geht noch weiter: Er prüft juristische Schritte gegen die Staatsanwaltschaft Braunschweig: «Wir erwägen, Strafanzeige wegen Verrats von Dienstgeheimnissen zu stellen.»
Bank gab den Hinweis
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte der «Bild am Sonntag»: «Wir werden uns nach dem Abschluss der Ermittlungen zu den Ergebnissen äussern, vorher nicht.» Am Wochenende war die Behörde für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Das Steuerverfahren begann im Jahr 2017 zunächst mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Sie bekam einen entsprechenden Hinweis von Winterkorns Bank. Ein normaler Vorgang, bei hohen Überweisungen sind Geldinstitute dazu sogar verpflichtet. Da die Ermittler einen Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal vermuteten, übernahm die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Vorgang und fügte die fünf Steuer-Aktenordner zu den Diesel-Akten hinzu (BLICK berichtete).
Keine Schenkungssteuer bezahlt?
In den Diesel-Ermittlungsakten ist nun zu lesen, was offenbar mit Winterkorns Millionen geschah: 2016 und 2017 hatte Winterkorn hohe Beträge von einem seiner Konten bei der Sparda Bank Nürnberg auf ein Treuhandkonto seines Steuerberaters überwiesen. Von dort floss das Geld in Depots der Bank Vontobel nach Zürich. Darunter war auch ein Depot, das Winterkorns Ehefrau zugeordnet wurde. Die Ermittler hegen den Verdacht, dass ein Teil der Überweisungen eine Schenkung gewesen sei, für die mehr als eine halbe Million Euro Schenkungssteuer angefallen wäre.
In einem Vermerk hat die Staatsanwaltschaft festgehalten, dass Winterkorn vermutlich Vermögenswerte in die Schweiz verschoben habe. «In den Akten ist die Notiz zu finden, es könne sich um einen »Notgroschen« Winterkorns handeln. Das ist absoluter Blödsinn», sagt Anwalt Dörr. Angesichts der Dieselaffäre drohen Winterkorn hohe Schadensersatzansprüche von VW, sollten ihm Pflichtverletzungen nachgewiesen werden.
«Rechtlich völlig in Ordnung»
Zu den steuerrechtlichen Vorwürfen sagt Anwalt Dörr, es sei die höchstpersönliche Entscheidung von Winterkorn, wo und durch wen er sein Geld verwalten lasse. Ein Geldtransfer von einer deutschen Bank in die Schweiz sei rechtlich völlig in Ordnung. «Nach Beurteilung des steuerlichen Beraters von Herrn Winterkorn ist dieser Vorgang frei von jeder steuerlichen Beanstandung», so der Anwalt des früheren VW-Chefs.
Die Bank Vontobel betonte am Sonntag, sie beachte alle gesetzlichen Regelungen. Die Schweizer Gesetze erlaubten es ihr nicht, bestehende oder auch nicht bestehende Kontoverbindungen zu kommentieren. «Darüber hinaus weisen wir auf den seit 2018 bestehenden automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten zwischen der Schweiz und Deutschland hin, mit dem vollständige Transparenz geschaffen wurde.»
Welch unschönes Detail über seinen Mandanten sich in den Akten versteckt, hat Anwalt Dörr nach eigenen Angaben erst durch eine Anfrage der «Bild am Sonntag» erfahren:«Wir wurden von den Steuerermittlungen selbst überrascht. Die Staatsanwaltschaft hat uns keinen Hinweis gegeben. Und wir hatten uns zunächst auf die 20 000 Seiten des Hauptverfahrens konzentriert.»
Ermittlungen wegen Betrug und Marktmanipulation
Im eigentlichen Verfahren, dem Abgasskandal, wird gegen Winterkorn wie auch gegen den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt, gegen Winterkorn zusätzlich auch wegen Betrugs. (SDA)