Mittagspause in der Huawei-Fabrik am Songshan Lake am Rande von Shenzhen im Süden Chinas: Arbeiter verlassen ihre Produktionsstätte, während die Journalisten vor Metalldetektoren warten.
Es gilt, elektrostatische Entladungen zu vermeiden, das würde die Smartphone-Produktion empfindlich beeinträchtigen. Wir müssen Uhren, Ringe und Gürtel abgeben, auch Kameras und sogar Notizblöcke sind verboten.
Obwohl der Stolz auf die moderne Produktionslinie gross ist: Allzu tief soll der Einblick auch wieder nicht sein. Denn gleich am Anfang der Produktion wird aus vielen einzelnen elektronischen Bausteinen das sogenannte Motherboard zusammengebaut, Herzstück eines jeden Computers. Endlose Bänder mit Mikrochips verschwinden in der Maschine, ein paar Meter weiter liegt das fertige Werkstück auf dem Fliessband – bereit, um mit weiteren Komponenten wie Bildschirm oder Hülle zu einem fertigen Smartphone verbunden zu werden.
Industrieroboter arbeiten pausenlos
Während sich die Arbeiter erholen, läuft die Produktion weiter, vollautomatisch – die Industrieroboter von ABB, Mitsubishi oder Kuka brauchen keine Pause. Für eine Weile geht es auch ohne menschliches Zutun. 120 Meter lang ist die Produktionsstrasse, am Ende liegen die Handys fertig verpackt für den Versand in grossen Kartonschachteln. Rund anderthalb Tage dauert die Herstellung eines Smartphones – das ist länger, als die Produktion eines Autos braucht. Allein das Trocknen der Klebstoffe dauert rund 24 Stunden.
Nicht irgendwelche Handys laufen hier vom Band, es sind Spitzenmodelle. Die produziert Huawei selbst, den Rest übernimmt die benachbarte Foxconn – die Firma, bei der auch Apple und Co. produzieren lassen.
Wie eng die Nachbarschaft ist, zeigt sich auf der Fahrt zum Huawei-Hauptsitz: Links geht es zu Foxconn, rechts zu Huawei. Das sei Zufall, beide Firmen waren auf der Suche nach günstigem Bauland, sagt Richard Yu (48), der seit 2011 die Huawei Consumer Business Group leitet – die Abteilung, welche Smartphones, Tablets und weitere Gadgets produziert. Gross geworden ist Huawei mit dem Bau von Netzwerk-Infrastruktur. Kein Zufall ist es, dass beide Firmen in Shenzhen zu Hause sind. Einst ein Fischerdorf, gilt es heute als chinesisches Silicon Valley.
Ein Hauch von Google-Atmosphäre
Durch den Huawei Campus weht ein Hauch von Google: Einkaufsläden und Kantinen für jeden Geschmack, Mitarbeiter lümmeln auf Sofas, machen Computerspiele oder ein Nickerchen. Nicht einmal Tischtennistische fehlen.
Auf dem Campus steht auch das sogenannte Weisse Haus, das tatsächlich entfernt an den Sitz des US-Präsidenten erinnert. In lang gezogenen Gängen reiht sich Forschungslabor an Forschungslabor. Hier wird an der digitalen Zukunft getüftelt und getestet.
Im Gespräch erklärt Richard Yu das Ziel von Huawei: «Wir wollen die Nummer eins werden.» Das heisst, mehr Smartphones verkaufen als Samsung oder Apple, die im Moment noch vorn liegen. Der US-Konzern scheint in Reichweite. Um an Samsung heranzukommen, müsste Huawei den Absatz verdoppeln – ein ambitioniertes Ziel, das nur mit technologischen Spitzenleistungen erreicht werden kann.
Das Staatskonzern-Image stört
Huawei hat dabei jedoch ein grosses Problem: Mit aller Macht versucht das Unternehmen, das Image eines chinesischen Staatskonzerns abzustreifen. Dabei gehörte Huawei nie dem Staat, einzig Gründer Ren Zhengfei (72) war bis kurz vor dem Start seiner Karriere als Unternehmer Berufsoffizier bei der chinesischen Volksarmee und Parteimitglied.
Heute besitzt er rund 1,5 Prozent am Unternehmen, der Rest ist in der Hand der Mitarbeiter. Wer lange genug für Huawei arbeitet, erhält Aktien, die jedes Jahr an Wert gewinnen. Der Anreiz ist also gross, möglichst lange für Huawei zu arbeiten und das Know-how nicht zu einem Konkurrenten mitzunehmen.
Huawei ist in privater Hand, trotzdem sind Vorwürfe der Industriespionage nie ganz verebbt: In vielen Märkten begegnen Kunden wie Netzwerkbetreiber der Marke mit einer gewissen Skepsis.
Allerdings nicht in der Schweiz, hier liegt der Marktanteil mit rund zehn Prozent höher als in anderen Märkten.
Auf die Frage nach der Eidgenossenschaft spricht Yu zunächst über Schweden, um sich aber sofort zu korrigieren: «Die Schweiz ist ein Markt, auf dem nur die besten Produkte bestehen können. Die Schweizer kaufen das Beste – oder gar nichts!»
Tüfteln an Anwendungen für Künstliche Intelligenz
Das Beste, das ist für Huawei im Augenblick der Einsatz von künstlicher Intelligenz in seinen Smartphones. Erstmals wird ein lernfähiger Computerchip in einem Smartphone verbaut. Allerdings sind diese Handys nur so smart, um aus dem Nutzer einen besseren Fotografen zu machen oder ihm bei Übersetzungen unter die Arme zu greifen – mehr liegt im Moment nicht drin.
Das hat einerseits damit zu tun, dass Künstliche Intelligenz gerade mal die Leistungsfähigkeit eines Rattenhirns hat; anderseits müssen die Entwickler erst weitere Anwendungen austüfteln, um die neuen Möglichkeiten auszureizen.
Wer will, darf das neue Flaggschiff-Modell schon einmal kurz begutachten: Vorsichtig nimmt ein Techniker mit weissen Handschuhen das Supersmartphone aus einem Metallkoffer und lässt die Journalisten einen Blick auf das Huawei Mate 10 werfen.
Darüber zu schreiben, ist nicht erlaubt, das Geheimnis wird erst am 16. Oktober gelüftet. Und wieder weht ein Hauch von Silicon Valley durch den Raum.
Unweit von Hongkong stampfte China vor knapp 40 Jahren in Shenzhen die erste Sonderwirtschaftszone aus dem Boden.
Hochhausmetropole
Ihr Ziel: Wachstum mit marktwirtschaftlichen Regeln zu fördern und westliche Unternehmen anzulocken. Heute ist das Fischerdorf eine Hochhausmetropole mit rund 13 Millionen Einwohnern – auf einer Fläche von der Grösse des Kantons St. Gallen.
Hightech- und Finanzzentrum
Shenzhen entwickelt sich rapide vom Produktionsstandort zum Hightech- und Finanzzentrum. Ein Erfolgsmodell, das China mehrfach angewendet hat.
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